Power & Leistungselektronik Ein Standard für kontaktlose Energie

18.10.2012

Das Interesse an kontaktloser Energieübertragung ist in letzter Zeit deutlich gestiegen. Die Vielfalt unterschiedlicher Technologien bei deren Realisierung führt jedoch zur Verunsicherung bei Geräteherstellern. Dies verzögert einen raschen, flächendeckenden Ausbau mit kontaktloser Lade-Infrastruktur, die für den Marktdurchbruch im Consumer-Bereich unabdingbar ist.

Der Einsatz mobiler Geräte hat aufgrund unterschiedlicher, technologischer Fortschritte in den letzten Jahren stetig zugenommen. Heutige Smartphones etwa werden nur noch sekundär zum Fernsprechen verwendet. Vielmehr sind zusätzliche Funktionalitäten wie Navigation, Musik-Player oder Digitalkamera ausschlaggebend bei der Kaufentscheidung. Mit dem erweiterten Funktionsumfang wächst allerdings auch der Energiebedarf der Geräte, was trotz stetiger Weiterentwicklungen der Batterietechnologien ein häufigeres Laden bedingt. Abhilfe kann hier der Einsatz kontaktloser Energieübertragung durch die Schaffung einer breit verfügbaren Lade-Infrastruktur an häufig frequentierten Orten schaffen, wie beispielsweise im Fahrzeuginneren von Automobilen, in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln oder Cafés. Dies setzt jedoch eine herstellerübergreifende Interoperabilität zwischen Transmittern und Receivern voraus.

Die in den letzten Jahren stark gestiegene Anzahl an Veröffentlichungen und Patentanmeldungen im Bereich kontaktloser Energieübertragung belegt, dass diese Thematik sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich sehr großes Potential bietet. Für das Jahr 2020 wird ein Marktvolumen von 15 Mrd. US-Dollar prognostiziert, wobei allein auf den Smartphone bzw. Mobiltelefon-Sektor 5 Mrd. US-Dollar jährlich entfallen sollen [1].

Bei der technischen Realisierung gibt es mittlerweile unterschiedliche Ansätze, die angestrebte Interoperabilität zu erreichen. Alle verfolgen das Ziel, Energie ohne elektrisch leitende Kontakte bei möglichst hoher Effizienz und/oder möglichst großer Positionierungstoleranz zwischen Transmitter und Receiver zu übertragen. Derzeit arbeiten hauptsächlich drei Industriekonsortien an der Erstellung von Spezifikationen, die als Grundlage für eine spätere Standardisierung kontaktloser Energieübertragungssysteme dienen sollen, mit teilweise unterschiedlicher Priorisierung bezüglich Positionierungstoleranz und Energieeffizienz.

Wireless Power Consortium

Dem bereits im Jahre 2009 gegründeten Wireless Power Consortium WPC gehören mittlerweile mehr als 140 Unternehmen an. Damit ist WPC das mitgliederstärkste Konsortium. Im Jahr 2010 veröffentlichte WPC die weltweit erste Spezifikation zur kontaktlosen Energieübertragung [2]. Die darin beschriebenen Transmitter und Receiver können zur Übertragung von Energie bis 5 W über Distanzen von einigen Millimetern verwendet werden und sind an dem Qi-Logo erkennbar. Die Spezifikation ist auch für Nicht-Mitglieder kostenlos verfügbar. Derzeit ist eine "Medium-Power-Spezifikation" zur Übertragung von bis zu 15 W in Arbeit. Parallel arbeitet WPC an einer Spezifikation für Küchenanwendungen, bei denen Geräte mit bis zu 2 kW kontaktlos mit Energie versorgt werden können. Eine weitere Arbeitsgruppe befaßt sich mit Anforderungen der Automobilindustrie, um Qi-kompatible Transmitter in Kraftfahrzeuge zu integrieren. Alleine im Mobiltelefon-Bereich sind bereits heute etwa vierzig Gerätemodelle serienmäßig mit einer Qi-Schnittstelle ausgestattet, die das kontaktlose Laden auf einem Qi-kompatiblen Transmitter ermöglicht. Mit Toyota und Jeep findet die Qi-Technologie auch Einzug in das Fahrzeuginnere von Automobilen und unterstützt dadurch den Aufbau von Lade-Infrastruktur für Qi-kompatible Geräte.

Power Matters Alliance

Auf Initiative von Powermat Technologies und Procter & Gamble wurde im Jahr 2012 mit der Power Matters Alliance (PMA) ein weiteres Konsortium gegründet, das seine Technologie in Form einer Spezifikation markttechnisch etablieren möchte. In der Power-2.0-Spezifikation definiert die PMA Schnittstellen zur Leistungsübertragung und Tranceiver-Kommunikation. Schaltungstechnisch werden lediglich Sender-Resonanzkreise spezifiziert, um den Herstellern größtmögliche Design-Freiheit zu überlassen. Erste Transmitter, die der Power-2.0-Spezifikation entsprechen, konnten bereits in Filialen der Starbucks-Kette in den USA installiert werden. Im Gegensatz zur Qi-Spezifikation des WPC ist die Power-2.0-Spezifikation nur Mitgliedern der PMA zugänglich.

Alliance for Wireless Power

Die Alliance for Wireless Power (A4WP) wurde ebenfalls im Jahre 2012 durch die Unternehmen Samsung und Qualcomm gegründet. Das Konsortium verfolgt das Ziel, Energie über größere Distanzen zu übertragen wodurch gleichzeitig die Positionierungstoleranz gegenüber Systemen mit enger Kopplung erhöht wird. Die spezifizierten Leistungsklassen lassen erkennen, daß die Technologie in erster Linie auf Consumer-Produkte wie Headset, Smartphone und Laptops abzielt. Power-Receiver bzw. Power-Transmitter werden in jeweils fünf Leistungsklassen eingeordnet. In Version 1.0 des Standards werden Receiver der Klassen 2 und 3 mit maximalen Leistungen von 3,5 bzw. 6,5 W spezifiziert. Power-Transmitter der Klassen 2, 3 und 4 können Ausgangsleistungen von bis zu 10, 16 bzw. 22 W übertragen. Transmitter ab Leistungsklasse 2 sollen in der Lage sein auch mehrere Power-Receiver simultan zu versorgen. Entkoppelt von der Leistungsübertragung wird ein bidirektionaler Datenkanal zwischen Receiver und Transmitter über eine Bluetooth-Verbindung realisiert. Die Vision der A4WP bietet aufgrund der großen Positionierungstoleranz die größte Benutzerfreundlichkeit. Allerdings führt die lose magnetische Kopplung zu einer geringeren Übertragungseffizienz. Die größte Herausforderung bleibt aber wohl die Einhaltung normativer Grenzwerte in allen Arbeitsbereichen der Systeme sowie die Überzeugung der Endanwender hinsichtlich EMF-Bedenken.

Verunsicherte Hersteller

Die Diversifikation in Bezug auf unterschiedliche Technologien führt dazu, dass der endgültige Marktdurchbruch weiter auf sich warten lässt. Gerätehersteller, die Consumer-Märkte bedienen oder für die Verbreitung von kontaktloser Lade-Infrastruktur, beispielsweise in Automobilen, beitragen könnten, sind aufgrund teils konkurrierender Technologien verunsichert und warten die Entwicklung weiter ab. So fordert beispielsweise die CE4A - ein Konsortium führender Automobil-Hersteller - eine einheitliche Lösung, um Mobil-Telefone kontaktlos im Fahrzeug aufladen zu können und unterstreicht dabei gleichzeitig, welches Potential in der kontaktlosen Ladetechnologie liegt [3].

Interoperabilität schaffen

Abhilfe kann diesbezüglich nur durch herstellerübergreifende Interoperabilität zwischen Energie-Transmittern und Receivern geschaffen werden. Es sind zwar bereits erste Systeme verfügbar, die sowohl die Qi- als auch die PMA-Spezifikation erfüllen, andere wiederum erfüllen die Anforderungen der Qi-Spezifikation bei gleichzeitig deutlich höherer Positionierungstoleranz. Dennoch würde sowohl die technische Realisierung vereinfacht werden als auch die Verunsicherung bei Geräteherstellern abnehmen, gelänge es, die Ausarbeitung eines einzigen, gemeinsamen Standards voranzutreiben. Weltweit arbeiten zahlreiche nationale wie internationale Standardisierungsorganisationen an der Ausarbeitung von Richtlinien und Standards. Während des siebzehnten Treffens der Global Standards Collaboration (GSC) im Mai 2013 wurde in einer gemeinsamem Resolution erklärt, dass eine Zusammenarbeit von Standardisierungsorganisationen untereinander und Industriekonsortien angestrebt wird, um die globale Standardisierung der kontaktlosen Energieübertragung voranzu-treiben [4].

�?hnlich vielfältig wie die unterschiedlichen Spezifikationen ist auch die Anzahl an Vorschriften und Regularien unter die kontaktlose Energieübertragungssysteme einzuordnen sind. Auch hier gibt es nationale Unterschiede. Die Einordnung ist zudem abhängig von der Betriebsfrequenz. Die Einhaltung von Richt- und Grenzwerten stellt gerade bei lose gekoppelten Systemen, bei denen Energie über größere Distanzen übertagen werden soll, eine Herausforderung dar.

Bleibt zu hoffen, dass es aufgrund unterschiedlicher Interessen von Industrieunternehmen und Konsortien nicht zu weiteren Abspaltungen hinsichtlich der Erarbeitung gemeinsamer Richtlinien und Standards kommt. Das große wirtschaftliche Potential dieser Technik wird sich in Massenmärkten wie dem Consumer-Bereich nur dann durchsetzen können, wenn durch einheitliche Schnittstellendefinitionen eine hersteller-übergreifende Interoperabilität zwischen den Geräten gegeben ist. Nur dann sind die Einführung einer flächendeckenden Infrastruktur, die das induktive Laden mobiler Geräte ermöglicht, realisierbar und somit Gerätehersteller und Endkunden für diese verheißungsvolle Technik zu gewinnen.

Literatur

[1] R. Martin, "Wireless Power for Mobile Devices Will Reach $5 Billion in Market Value by 2020." Press Release, Nov 16th 2012, Navigant Research.

[2] "System Description Wireless Power Transfer Volume I: Low Power Part 1: Interface Definition, Version 1.1.1." Wireless Power Consortium, July 2012.

[3] H. Schoepges, "CE4A Consumer Electronics for Automotive." Wireless Power Summit 2012, Dallas.

[4] "Resolution GSC-17/34: (Plenary) Wireless Power Transmission/Transfer (WPT)." Global Standard Collaboration, 2013.

Weitere Informationen zu RRC Power Solutions finden Sie im Business-Profil auf der Seite 71.

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