Gerade bei Digitalisierungsprojekten in der Fertigung ist die Verarbeitung der Daten ein Dreh- und Angelpunkt. Mehrere Aspekte erschweren den Cloud-Einsatz. Ein Punkt ist die Latenz: Ein Stoppsignal für eine Maschine muss so verzögerungsfrei kommen wie die Bremse im autonom fahrenden Auto. Ein zweiter Punkt ist die Bandbreite: Selbst, wenn schon 5G verfügbar ist, bleibt es unwirtschaftlich, Terabytes von Maschinenrohdaten in die Cloud zu bewegen, die dort gar nicht benötigt werden. Weiter schränken Bedenken zu Datensouveränität und regulatorische Vorgaben den Transfer sensibler Produktions- und Qualitätsinformationen ein. Nicht zuletzt spielt die Komplexität von Anwendungen und Maschinen mit jahrzehntelanger Lebensdauer eine Rolle. Diese nach dem „Cloud-out“-Prinzip zu integrieren, bewerten die Gartner-Experten als noch nicht reif und empfehlen ein „Edge-In“-Vorgehen zumindest bis 2025.
„Factory Edge“ verbindet dabei Vorteile wie niedrige Nutzungsschwelle, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der Cloud und überwindet Bedenken bezüglich Latenz, Sicherheit und Regularien. Sie vereint die drei für die Cloud charakteristischen Ebenen – Infrastructure, Platform und Software as a Service – IaaS, PaaS und SaaS. Die Erste dient als skalierbare Grundlage für den containerbasierten Kubernetes-Betrieb der Zukunft, für das Management der noch weit verbreiteten virtuellen Maschinen, aber auch für die Konsolidierung veralteter Windows-Umgebungen. Die zweite Ebene, PaaS, stellt neben der lokalen Datenhaltung die für die Fertigung grundlegende OT-IT-Integration als Low-Code-Entwicklungswerkzeugkasten zur Verfügung. So wird der Programmieraufwand bei der Anbindung des heterogenen Maschinenparks erheblich reduziert. Die letzte Schicht – SaaS – ist für die Nutzung der fertigungsrelevanten Funktionen durch das Werkspersonal verantwortlich. Das darin bereinigte und normierte Datenmodell und die einfach zu bedienenden Schnittstellen erlauben die Datenvisualisierung, -analyse sowie Nutzung von KI und Erstellung von Produktions-Apps für den Digitalisierungsbedarf.
Eine Umsetzung von Factory Edge findet man im Oncite Digital Production System (DPS) von German Edge Cloud (GEC). Das komplette System wird vorkonfiguriert ausgeliefert, kann vor Ort angepasst werden und deckt so den unterschiedlichen Bedarf der Fertigungsfirmen ab. Zwei Beispiele zeigen die Möglichkeiten: Rittal als Fertigungsunternehmen und Schuler als Anlagenbauer.
Das Rittal Werk in Haiger ist ein Vorreiter für Industrie 4.0 in der Unternehmensgruppe. Mit Hilfe von Oncite DPS wurde die Digitalisierung innerhalb von sechs Monaten erheblich gesteigert. 50 Bildschirme auf dem Shopfloor schaffen Transparenz: Die Mitarbeiter sehen, was in der Fertigung passiert und erkennen, warum es passiert. So konnten die Ausbringung und OEE messbar erhöht werden.
Im Smart Press Shop von Schuler und Porsche liegt der Hauptfokus der Rückverfolgung auf Ausschussvermeidung von hochwertigem und CO2-intensiven Stahl, Früherkennung von Qualitätsproblemen und Prozessstabilität. Bei der Kombination aus dem Oncite DPS Track & Trace Modul und den Integration- und Analyse Modulen der Schuler-Pressen in der Schuler Digital Suite erfolgt die Massendatenverarbeitung an der Presse („am Edge“), während die Daten für zentrale Verarbeitung aggregiert, gefiltert und erheblich reduziert in die Cloud
übertragen werden.
Beide Beispiele zeigen die Relevanz des Factory-Edge-Ansatzes bei der Digitalisierung in der Fertigung. Dieser steht in keinem Widerspruch zur Cloud-Nutzung. Die Zukunft liegt in der anforderungsbedingten, balancierten und kostenbewussten Nutzung von Hybrid-Cloud-Technologien. Man spricht vom Edge-Cloud-Kontinuum. Der Schlüssel dazu ist eine durchdachte, skalierbare und flexible Lösungsarchitektur, die Technologie von gestern, heute und morgen vereint.