Zu Beginn der Ethernet-Kommunikation bedeutete der Begriff IT-Vernetzung das Verbinden von lokalen Desktop-Computern. Die damalige maximale Datenrate von 3 Mbit/s reicht für die heutigen zum Teil datenhungrigen Anwendungen schon lange nicht mehr aus. Trotzdem werden die seinerzeit installierten kupferbasierten Ethernet-Leitungen auch aktuell noch genutzt. Der zugrunde liegende IEEE-Standard 802.3 wurde in den letzten Jahrzehnten durch technologische Neuerungen stetig an den Bedarf hinsichtlich höherer Datenraten angepasst. Daraus resultieren die bekannten Standards 10BASE-T, 100BASE-T und 1.000BASE-T für die Gigabit-Übertragung. Spätestens mit 1.000BASE-T wurde klar, dass die klassischen Twisted-Pair-Leitungen CAT5, CAT6 und CAT7 bei derart hohen Datenraten für eine maximale Reichweite von 100 m nicht mehr genügen. Der Standard 1.000BASE-T empfiehlt zur Erfüllung dieser Reichweite mindestens eine CAT5e-Leitung.
Um Gigabit-Anwendungen zu realisieren, lassen sich alternativ Glasfaserleitungen verwenden, die eine Reichweite von mehreren km und Datenraten bis 100 Gbit/s ermöglichen. Leider müssen dazu in den meisten Fällen die bestehenden Ethernet-Leitungen gegen kostspielige Lichtwellenleiter (LWL) und die entsprechenden LWL-Geräte ausgetauscht werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die LWL-Medienkonverter zum Senden und Empfangen die gleiche Wellenlänge und den gleichen Lichtmodus unterstützen, die für die eingesetzte Glasfaserleitung erforderlich sind, zum Beispiel 1300 nM für eine Singlemode- oder Multimode-Faser.
Distanzen bis 20 km überwinden
Aus diesem Bedarf haben sich in den letzten Jahren kupferbasierte Alternativen entwickelt, die als qualifizierte Technologiestandards ihre Nutzung in den jeweiligen Geräten finden. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Begriffen Ethernet-Repeater und Ethernet-Extender zu unterscheiden. Ein Ethernet-Repeater arbeitet als Signalverstärker. Er verwendet die einzelnen Ethernet-Standards im Rahmen ihrer Reichweiten – beispielsweise 100 m – bereitet das Nutzsignal auf und übertragt es dann als verstärktes Signal etwa weitere 100 m. Der Repeater wird somit zwischen zwei Ethernet-Teilnehmern installiert, um Distanzen zu überbrücken.
Im Gegensatz dazu funktioniert der Ethernet-Extender als Leitungsverstärker. Mittels alternativer Technologiestandards – wie VDSL, SHDSL oder G.hn – wird das Nutzsignal für die Kommunikation vorbereitet und häufig mit einem Trägerfrequenzverfahren – zum Beispiel Puls-Amplituden-Modulation (PAM) oder Quadratur-Amplituden-Modulation (QAM) – kombiniert. So lassen sich zum Teil Distanzen bis 20 km auf einfachen Zweidraht-Leitungen überwinden. Da das zuvor modulierte Ethernet-Nutzsignal jedoch wieder demoduliert werden muss, benötigt eine solche Lösung mindestens zwei Ethernet-Extender.
VDSL und SHDSL im Einsatz
Am bekanntesten, wie im Consumer-Bereich seit vielen Jahren in DSL-Routern zur Internetanbindung eingesetzt, ist hier VDSL oder nach aktuellem Standard VDSL2 zu nennen. Very High Speed Digital Subscriber Line 2 (VDSL2) stellt eine Weiterentwicklung der DSL-Familie dar. Die Technik, die sich in mehrere Übertragungsprofile aufteilt, erlaubt je nach Profil Datenrate zwischen 50 Mbit/s bis 350 Mbit/s. Die maximale Reichweite beträgt rund fünf km. Dabei ist festzustellen, dass die Datenrate nach etwa einem bis 1,5 km deutlich abnimmt und schnell auf das Geschwindigkeitsniveau anderer Technologiealternativen – wie SHDSL – absinkt. Neben der in Deutschland weit verbreiteten Verwendung als DSL-Router am öffentlichen Telefonnetz – Stichwort: letzte Meile vom Haus zum Verteiler an der Straße – wird VDSL oftmals bei industriellen Punkt-zu-Punkt-Anwendungen mit mittleren Reichweiten genutzt. In diesem Fall allerdings nicht als Router, sondern als Extender zur Ethernet-Kommunikation auf betriebseigenen Twisted-Pair-Leitungen.
Als weniger bekannt erweist sich SHDSL, das sich insbesondere im kommunalen Umfeld zur Vernetzung weitläufiger abgesetzter Außenstationen etabliert hat. Single-Pair Highspeed Digital Subscriber Line (SHDSL) gehört zu den symmetrischen DSL-Verfahren, das heißt die Bandbreite für den Up- und Downstream ist gleich groß. Mit SHDSL lassen sich Reichweiten bis 20 km überbrücken und Datenraten bis 15 Mbit/s auf einfachen Zweidraht-Leitungen erreichen. Durch den Betrieb im Vierdraht-Modus kann die Datenrate sogar auf bis zu 30 Mbit/s verdoppelt werden. Aufgrund der im Vergleich zu VDSL und G.hn geringeren Datenraten und der robusten Puls-Amplituden-Modulation zeigt sich SHDSL als attraktiv für Anwendungen mit einer weitreichenden Vernetzung.
Mit SHDSL lassen sich auch bestehende/beliebige Zweidraht-Leitungen – beispielsweise alte Telefonleitungen – einsetzen. Am Markt sind Lösungen erhältlich, die eine Vernetzung von bis zu 50 SHDSL-Geräten im Linien- oder redundanten Ringbetrieb ermöglichen. Wegen der dann eventuell großen Systemausdehnung – zum Beispiel 50 x 20 km – sollte auf eine umfangreiche Diagnose via IP – etwa per Simple Network Management Protocol (SNMP) – geachtet werden. Auf diese Weise wird der Anwender vor manipulativen Zugriffen gewarnt oder bei Verbindungsunterbrechungen informiert.
Leistung weiterleiten
Bei G.hn handelt es sich um eine im Vergleich zu VDSL und SHDSL noch junge, aber ebenfalls standardisiere Technologiealternative. Die Abkürzung G.hn steht für Gigabit Home Networks, was deutlich macht, dass die Technologie ursprünglich für das Umfeld der Heimvernetzung konzipiert wurde. Gegenüber VDSL und SHDSL zeichnet sich G.hn durch eine hohe Übertragungsrate bei gleichzeitig guter Übertragungsqualität und Reichweite aus. Im Resultat erhalten die Anwender einen Standard, der durch diese Vorzüge in Zukunft mehr Bedeutung in Industrie-, Infrastruktur- und IoT-Anwendungen erlangen wird. G.hn unterstützt Datenraten bis zwei Gbit/s bei einer maximalen Leitungslänge von 1.000 m. Dieser Wert übertrifft die Reichweite von Standard-Ethernet um den Faktor 10.
Das Besondere der Technologie liegt nicht nur in der Kombination aus Datenrate und hoher Reichweite: Er erlaubt die Verwendung der vorhandenen Verkabelung. Folglich lassen sich verschiedene Übertragungsmedien wie Twisted Pair, Koaxialleiter oder Stromkabel nutzen. Außerdem kann die Leistung direkt über das Datenkabel weitergeleitet werden, vergleichbar mit Power-over-Ethernet. Die Versorgung der Endgeräte findet also direkt über die Datenleitung statt, ohne ein zusätzliches Netzteil installieren zu müssen.
Extender einfach installieren
Sind VDSL und SHDSL Punkt-zu-Punkt-Technologien, mit denen sich selbst große Systeme mit bis zu 50 Teilnehmern vernetzen lassen, verfolgt G.hn ein anderes Verdrahtungskonzept. Alle G.hn-Extender des Netzwerks werden einfach parallel miteinander verbunden und sind somit Teil eines großen Kupfersegments. Der G.hn-Standard unterstützt hier bis zu 15 Geräte in einem Segment, wobei der Anwender keine Einstellungen an diesen vornehmen muss. Die G.hn-Extender werden einfach per Plug-and-Play montiert. Es ist jedoch zu beachten, dass sich die G.hn-Geräte die über das G.hn-Kupfersegment maximal mögliche Datenrate teilen, ähnlich wie die WLAN-Teilnehmer an einem gemeinsamen WLAN Access Point. In Gigabit-Netzwerken sollte daher auf die größtmögliche Ausbaustufe von 15 Geräten verzichtet werden, da die tatsächliche Nutzdatenrate der einzelnen Geräte ansonsten unter Umständen auf das Niveau von VDSL oder SHDSL abfallen könnte. Durch das parallele Verdrahtungskonzept lassen sich nahezu sämtliche Anwendungstopologien umsetzen – seien es Punkt-zu-Punkt-, Linien-, Stern- oder Baumtopologien. Sogar der Aufbau redundanter Ringstrukturen ist möglich.
Aufgrund der Bandbreite und Übertragungsdistanz eignet sich die G.hn-Technologie für Applikationen mit großem Datenaufkommen, beispielsweise für Videoüberwachungsanlagen. Wegen ihrer hohen Auflösung in HD, Full HD oder 4K benötigen die Kameras zur Weiterleitung der Bilder eine entsprechende Bandbreite. Darüber hinaus müssen in professionellen Videoüberwachungsanlagen meist große Distanzen zwischen den Kameras und den nächstgelegenen Netzwerkkomponenten überwunden werden. In solchen Fällen reichen die im Standard-Ethernet zur Verfügung stehenden 100 m Kabellänge häufig nicht aus. Bei älteren Überwachungsanlagen kommen analoge Kameras zum Einsatz, die über Koaxialkabel an die Zentrale angekoppelt sind. Werden die Anlagen modernisiert, erlaubt die Nutzung von G.hn die Beibehaltung der bestehenden Verkabelung, während die analoge lediglich gegen eine IP-Kamera auszutauschen ist. Der Anwender muss folglich nicht auf eine hohe Auflösung der Videobilder verzichten, die im direkten Vergleich kostspielige Verwendung von Glasfaser ist hingegen nicht erforderlich.
Kostengünstige Alternative
Der digitale Wandel schreitet stetig voran. Die Basis und am Ende der Schlüssel zum Erfolg bildet der schnelle Informationsaustausch. Bisher und sicher auch zukünftig bedeutet dies den Einsatz von Gigabit-Ethernet zur Kommunikation. Aufgrund seiner hohen Datenraten und Reichweite erweist sich Glasfaser dabei als die leistungsfähigste, aber ebenso aufwendigste und dadurch kostspielige Lösung.
Bei Neuinstallationen und Investitionen über mehrere Jahre wird Glasfaser wohl die erste Wahl sein. Um bei notwendigen Modernisierungsmaßnahmen aus Angst vor den Kosten den Anschluss nicht zu verlieren, lohnt sich der Blick auf Technologiealternativen wie VDSL, SHDSL oder G.hn. Berücksichtigen sollten die Anwender hierbei die tatsächlichen Anforderungen hinsichtlich der maximalen Datenrate und Reichweite sowie die Notwendigkeit der Überwachung/Alarmierung via IP. Hinzu kommt die zukünftige Verfügbarkeit der ausgewählten Technologie. Von der im Vergleich zu VDSL und SHDSL noch jungen G.hn-Technologie ist hier zukünftig technologisch einiges zu erwarten.