Bei der Messung von elektromagnetischen Emissionen wird zwischen leitungsgebundenen und abgestrahlten Störungen unterschieden. Leitungsgebundene Emissionen treten über Kabelverbindungen auf und werden typischerweise im Niederfrequenzbereich bis etwa 30 MHz gemessen. Abgestrahlte Emissionen hingegen entstehen durch elektromagnetische Wellen, die direkt vom Gerät ausgesendet werden, und sind vor allem im Hochfrequenzbereich relevant. Beide Arten von Störungen müssen kontrolliert und innerhalb der oben bereits angesprochenen Grenzwerte gehalten werden, um die Konformität zu gewährleisten.
Die abschließenden EMV-Zertifizierungsmessungen werden in spezialisierten Laboren unter standardisierten Bedingungen durchgeführt. Allerdings sind diese Tests oft kostspielig und mit langen Wartezeiten verbunden. Um Risiken frühzeitig zu minimieren, bietet sich die Durchführung von Pre-Compliance-Messungen an. Hierbei können bereits während der Entwicklung potenzielle EMV-Probleme erkannt und behoben werden.
Leitungsgebundene Pre-Compliance-Messungen sind im Vergleich zur Messung der Abstrahlung mit überschaubarem Aufwand zu bewerkstelligen. Ein Setup benötigt neben dem Messgerät, das zum Beispiel ein Spektrum-Analysator von Siglent sein kann, noch eine Netznachbildung zum Auskoppeln der Störungen. Mit dem entsprechenden Aufbau kommt man hier im eigenen Labor schon sehr weit und es gelingt eine gute Korrelation mit den Ergebnissen des zertifizierten Testlabors.
Die Messung der abgestrahlten elektromagnetischen Emissionen stellt eine weitaus größere Herausforderung dar. In den meisten Laborumgebungen steht keine abgeschirmte EMV-Kammer mit Drehtisch und ausreichenden Abmessungen für eine normgerechte Fernfeldmessung zur Verfügung. Während für eine solche Messung idealerweise ein spezialisierter EMV-Testempfänger eingesetzt wird, kommt in der Praxis häufig nur ein Spektrum-Analysator zum Einsatz. Dies führt zu mehreren Problemen: Der Spektrum-Analysator empfängt nicht nur die Emissionen des Prüflings, sondern auch externe elektromagnetische Signale aus der Umgebung, wie Rundfunk-, Mobilfunk- und ISM-Band-Übertragungen (zum Beispiel im 2,4-GHz-Bereich). Zudem erfasst das Gerät auch reflektierte Signale des Prüflings selbst, was die Messergebnisse verfälschen kann. Ein weiteres Risiko besteht in der Übersteuerung des Spektrum-Analysators durch starke externe Signale. Dies kann zu unerwünschten Intermodulationsprodukten führen, wodurch zusätzliche Frequenzkomponenten im Gerät selbst entstehen. In der Folge wird es nahezu unmöglich, die tatsächliche Abstrahlung des Prüflings zuverlässig zu bestimmen.
Abstrahlung des Prüflings
Gibt es erschwingliche Möglichkeiten die Abstrahlungen des Testobjekts zu bestimmen? Ja, unter bestimmten Bedingungen und mit Einschränkungen ist eine Einschätzung möglich. Eine bewährte Methode für Pre-Compliance-Messungen ist die Kombination aus einer TEM-Zelle und einem Spektrumanalysator. Dieser Aufbau ermöglicht es, abgestrahlte Störungen unter definierten Bedingungen zu messen und eine frühzeitige Einschätzung der EMV-Konformität eines Produkts zu erhalten. TEM-Zellen liefern nicht dieselben quantitativen Ergebnisse wie Messungen in einem zertifizierten Testlabor, doch sie geben Hinweise darauf, ob ein Design problematische Störstrahlung erzeugt.
Besonders nützlich ist dieser spezielle Ansatz für den Vergleich von Produkten vor und nach EMV-bezogenen Designänderungen. Die Ingenieure können klar erkennen, ob eine Modifikation die EMV-Eigenschaften verbessert, verschlechtert oder unverändert gelassen hat. Durch den Einsatz von TEM-Zellen wird das „Schätzen“ bei der Störstrahlungsanalyse erheblich reduziert.
Was ist eine TEM-Zelle?
Eine TEM-Zelle ist im Grunde eine Streifenleitung zur Messung von Strahlungsemissionen und zur Prüfung der Störfestigkeit elektronischer Geräte. Obwohl sie keine vollständige Alternative zu Messungen in einer EMV-Kammer darstellt, bietet sie aufgrund ihrer kompakten Bauweise und geringeren Kosten eine praktikable Lösung für Pre-Compliance-Tests. Die TEM-Zelle besteht aus einem zentralen leitfähigen Streifen, dem sogenannten Septum, sowie geerdeten Seitenwänden. Ihre Geometrie ist so gestaltet, dass sie eine 50-Ω-Streifenleitung bildet. Das zu testende Gerät (Device Under Test, DUT) wird zwischen dem Septum und der Bodenwand positioniert, um eine kontrollierte Testumgebung zu gewährleisten. Neben geschlossenen Varianten gibt es auch offene TEM-Zellen, die keine Seitenwände besitzen. Dies erleichtert das Platzieren des DUT, führt jedoch dazu, dass externe Hochfrequenzstörungen (HF-Rauschen) in die Messung einfließen können. Um diesen Einfluss zu minimieren, wird üblicherweise eine Leermessung vor dem eigentlichen Test durchgeführt, um externe Signale zu erfassen und zu kompensieren.
Nahfeld-Messungen
Kann von Nahfeld-Messungen auf Fernfeld geschlossen werden? Die TEM-Zelle misst primär Nahfeld-Emissionen. Der Übergang vom Nahfeld zum Fernfeld ist frequenzabhängig und wird durch die Geometrie sowie die Antenneneigenschaften des Prüflings (DUT) bestimmt. Da die Feldverteilung in einer TEM-Zelle nicht direkt dem Fernfeld entspricht, ist eine geeignete Kalibrierung oder ein empirisch bestimmter Zusammenhang erforderlich, um Rückschlüsse auf die tatsächliche Abstrahlung im Fernfeld zu ziehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Polarisationsabhängigkeit: Eine TEM-Zelle misst nur in einer festen Polarisationsebene, während eine EMV-Kammer Fernfeldemissionen für verschiedene Richtungen und Polarisationen erfasst. Der IEC 61000-4-20-Standard beschreibt Methoden, um diesem Nachteil entgegenzuwirken. Eine davon ist die Drei-Positionen-Korrelation, bei der das Testobjekt in drei orthogonale Hauptrichtungen gedreht und jeweils vermessen wird. Anschließend werden die Messwerte mit einem Algorithmus kombiniert, um eine bessere Abschätzung der tatsächlichen Abstrahlung zu erhalten. Dennoch bleibt diese Methode durch Annahmen und Näherungen mit Unsicherheiten behaftet.
Eine höhere Genauigkeit lässt sich durch die Kombination verschiedener Messmethoden erreichen. Beispielsweise können Vergleichsmessungen in einer EMV-Kammer genutzt werden, um Korrelationstabellen oder empirische Modelle zu erstellen. Durch wiederholte Optimierungsschleifen lassen sich diese Modelle verfeinern, sodass mit der Zeit ein tiefgehendes Verständnis des Systems entsteht. Dadurch wird es möglich, kosteneffiziente und zeiteffektive Pre-Compliance-Messungen durchzuführen und gleichzeitig ein hohes Maß an Vertrauen in die Messergebnisse zu gewinnen.
Fazit
Die Einhaltung von EMV-Richtlinien ist eine essenzielle Voraussetzung für die Marktzulassung neuer Produkte. Während zertifizierte EMV-Tests in spezialisierten Laboren unumgänglich sind, bieten Pre-Compliance-Messungen eine kosteneffiziente Möglichkeit, bereits in der Entwicklungsphase potenzielle Störquellen zu identifizieren und zu optimieren.
Für leitungsgebundene Störungen ermöglicht die Kombination eines leistungsfähigen Spektrumanalysators wie etwa von Siglent mit einer geeigneten Netznachbildung eine zuverlässige und reproduzierbare Analyse. Bei der Messung abgestrahlter Emissionen stellt die TEM-Zelle von Tekbox eine praktikable Lösung dar, um unter kontrollierten Bedingungen erste Erkenntnisse über die Strahlungseigenschaften eines Designs zu gewinnen.
Durch die gezielte Nutzung dieser Werkzeuge können Ingenieure frühzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der EMV-Eigenschaften ergreifen, Entwicklungszyklen verkürzen und das Risiko teurer Nachbesserungen reduzieren. In Kombination mit Vergleichsmessungen in EMV-Kammern lassen sich präzise Korrelationen erarbeiten, die eine noch genauere Vorhersage der finalen Zertifizierungsergebnisse ermöglichen.