Elektronische Bauelemente auf Kunststoffbasis gelten als zukunftsweisende Technik, weil sie kostengünstig herstellbar sind. „Um Anwendungen der organischen Elektronik voran zu bringen, muss man die Materialeigenschaften vollständig beherrschen und zum Beispiel genau wissen, wie sich Moleküle auf Kunststoffoberflächen bewegen“, erklärt Projektleiter Professor Dr. Gregor Witte, der Molekulare Festkörperphysik an der Philipps-Universität in Marburg lehrt. „Das gelingt bei bisherigen Versuchsanordnungen nicht, weil die Molekülbewegungen mitunter sehr schnell ablaufen.“
Als Modellsystem für ihre Untersuchungen verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den organischen Halbleiter Pentacen. In ihrer Versuchsanordnung bildete eine dünne Schicht aus Pentacenmolekülen eine stabile, gitterförmige Oberfläche. Auf dieser bewegen sich ungebundene Pentacenmoleküle extrem schnell, nämlich innerhalb von Milliardstel Sekunden.
Um die Bewegung der freien Moleküle zu messen, griff das Team auf eine weltweit einzigartige Apparatur zurück, die sich am Cavendish Laboratory der Universität Cambridge befindet: Professor Dr. William Allison betreibt dort ein Gerät zur „Helium Spin-Echo Streuung“. „Ähnlich wie bei einer Radarkontrolle, bei der gestreute Radiowellen die Information über die Geschwindigkeit enthalten, werden hier Heliumatome gestreut, um Positionen und Geschwindigkeiten der Pentacen-Moleküle gleichzeitig und mit atomarer Auflösung zu bestimmen“, erläutert Erstautor Paul Rotter von der Philipps-Universität.
„Die Interpretation der Messergebnisse gelingt freilich nur im Vergleich mit Computersimulationen der Bewegung“, führt der Marburger Koautor Professor Dr. Bruno Eckhardt aus, der eine Arbeitsgruppe zu Komplexen Systemen leitet. Das überraschende Endresultat: Die Moleküle bewegen sich bevorzugt längs der Furchen zwischen den Pentacen-Molekülen der Oberfläche. Quer zu diesen Furchen können sie sich nur bewegen, indem sie sich um 90 Grad drehen.
„Dies ist das erste Mal, dass Diffusionsbewegungen komplexer organischer Systeme im molekularen Maßstab bei Raumtemperatur beobachtet wurden“, hebt Gregor Witte hervor. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie die Bewegungen von der Anordnung der Moleküle und der Struktur des Untergrunds abhängen. Das ist von großer Bedeutung für das wachsende Feld der Nanotechnologie.“