Heutzutage versuchen sich Smartphone-Hersteller in immer kürzer werdenden Abständen zu übertrumpfen, um die Gunst der Konsumenten zu gewinnen und sie langfristig an sich zu binden. Eine normale Produktpräsentation ist zu einem multimedialen Spektakel geworden, auf das wochenlang hingefiebert wird. Den Grundstein hierfür hat vor langer Zeit Alexander Graham Bell gelegt, der das Telefon - sozusagen den Ur-Großvater heutiger Varianten - erfunden hat. Aber war es wirklich Bell? Jein. Die meisten würden Bell wahrscheinlich als den Erfinder nennen, genau genommen war es aber Johann Philipp Reis.
Geboren am 7. Januar 1834 in Gelnhausen, übernahm Philipp Bremer, der Patenonkel, 1843 die Vormundschaft für den jungen Reis, da dessen Eltern früh verstorben waren. Die Großmutter schickte Philip an das Institut Louis Frédéric Garnier in Friedrichsdorf, wo er bis zu seinem 14. Lebensjahr blieb. Im März 1850 begann er widerwillig eine Lehre als Farbhändler - und frönte währenddessen munter seiner Leidenschaft für wissenschaftliche Studien. So entwickelte er etwa die ersten Rollschuhe, indem er Metallrädchen unter Schlittschuhe schraubte. Aufgrund kaum geeigneter Straßen war dieser Erfindung allerdings kein Erfolg beschieden.
In den 185o-er Jahren wollte Reis in Heidelberg eigentlich eine Lehrerausbildung beginnen, bekam aber bei einem Aufenthalt in Friedrichsdorf von Direktor Garnier unverhofft eine Stelle als Lehrer für Französisch, Mathematik, Physik und Chemie. Im selben Jahr heiratete er auch Margaretha Schmidt. Mit ihr hatte er zwei Kinder: Tochter Elise und Sohn Karl. In diesem Zeitraum erfand er auch das Veloziped, einen Vorgänger des Fahrrads.Sein Hauptaugenmerk richtete sich aber vor allem auf die Erforschung der Sprachübertragung durch Strom.
Für Unterrichtszwecke schnitzte er aus Holz eine Ohrmuschel, bedeckt mit einer Membran aus einer Hasenblase. Diese fungierte als Trommelfellersatz, ein Platin-Streifen übernahm die Funktionen der Ohrknöchelchen. Zusammen mit einer mit Draht umwickelten Stricknadel bildete die Holz-Ohrmuschel einen Stromkreis. Bestrahlte man die Membran mit Schallwellen, wurde der Stromkreis zwischen dem Platin-Plättchen und der mit Draht umwickelten Stricknadel unterbrochen und wieder geschlossen. Dabei begann die Membran zu tönen.
Durch kontinuierliche Verbesserung entwickelte sich aus der Ohrmuschel zunächst ein Schalltrichter und dann ein Gehäusekasten. „Telephon“ - den „fernen Ton“ nannte Reis seine Erfindung, die er am 26. Oktober 1861 erstmals der Öffentlichkeit vorstellte. Die geheime Geburtsstunde des Telefons. Allerdings blieb ihm die Anerkennung für seine Erfindung verwehrt - nicht zuletzt, da es Mängel hatte, die Alexander Graham Bell gut ein Jahrzehnt später beseitigt haben sollte. Wegen einer Krankheit in den letzten Lebensjahren war er immer öfters ans Bett gefesselt, sein Telefon weiterentwickeln konnte er daher nicht. Am 14. Januar 1874 starb er im Alter von nur 40 Jahren - ohne zu einer Berühmtheit geworden zu sein. Die Menschen wussten sein Wirken einfach nicht zu würdigen. Dennoch wusste der erste Mensch, dem eine elektrische Übertragung von Tönen gelungen war, um das Potenzial seiner Erfindung: „Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt; anderen muss ich es überlassen, sie weiterzuführen.“