E&E: Warum sollten Entwickler bei RS Components kaufen und nicht bei einem Wettbewerber?
Ian Mason: Das ist eine einfache Frage. Was Entwickler wollen, ist auf der ganzen Welt dasselbe - egal, wo wir fragen. Ob in Europa oder in Asien: Sie wollen eine möglichst große Produktauswahl, pünktliche Lieferung, technischen Support und Design-Support und natürlich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Und das ist genau das, was wir anbieten. Die ehemaligen Katalog-Anbieter, die jetzt die großen Internet-Distributoren sind, profitieren von diesen Bedürfnissen. Im Gegensatz zu kleineren, lokalen Distributoren können wir eine umfassende Produkt-Palette und einen ebenso umfassenden, schnellen Support bieten. Dass sich das für uns auszahlt, zeigt unser kontinuierliches, schnelles Wachstum in den letzten Jahren. Daher denke ich, dass sich die E-Commerce-Anbieter durchsetzen werden. Und da werden alle zulegen, wir aber mehr als andere, denn wir haben das flächendeckendste Angebot. Wir sind mit Abstand der größte Anbieter in Europa, ebenso in Asien. In den USA sind wir die Nummer 3, aber durch unser umfangreiches Angebot können wir weltweiten Support bieten. Wir sind sehr stark bei elektronischen Bauteilen, aber auch bei Produkten für Control & Automation oder im Maintenance-Bereich. Und durch die starke Fragmentierung der Elektronik-Industrie sind die Entwickler über die ganze Welt verteilt und benötigen mehr Produkte und mehr Support - beides bekommen sie bei uns. Für uns sprechen die geographische Reichweite und der herausragende Service. Ich behaupte nicht nur, dass wir den besten Service bieten, wir können es auch messen und belegen. Daher sollten Entwickler bei uns kaufen.
Sie sind sehr erfolgreich im E-Commerce. Was sind die wichtigsten Faktoren dafür, dass das Online-Geschäft so erfolgreich ist?
Ich hatte das Glück, das E-Commerce-Geschäft bei ElectroComponents 1997 ins Leben rufen zu können. Es ist interessant, dass E-Commerce damals (Ende der 90-er Jahre) als Gefahr für die Distribution gesehen wurde. Man sprach von der Abschaffung der Vermittlerrolle, die Hersteller und Kunden würden direkt miteinander kommunizieren. Und genau das ist nicht passiert. Für uns ist das Internet ein großer Vorteil. Wir können viel mehr machen und gleichzeitig die Kosten senken. Früher musste man bei einer Produkteinführung das Produkt im Katalog präsentieren und den Katalog ausliefern. Heute stellen wir die Produkte mit wesentlich mehr Informationen auf die Webseite und jeder kann sie sehen, weltweit. Wir können �?nderungen vornehmen, Produkte präsentieren und die Preise anpassen. Das Internet hat uns eine deutlich höhere Zahl von Produkteinführungen mit erheblich detaillierteren Informationen ermöglicht. Und das ist auch ein großer Vorteil für unsere Kunden. In vielen Bereichen bietet uns E-Commerce neue Möglichkeiten - und es ist der bevorzugte Kanal unserer Kunden. Insgesamt macht das E-Commerce-Geschäft derzeit etwa 54 Prozent unseres Umsatzes aus, in manchen Bereichen sogar bis zu 70 Prozent - und es wächst deutlich schneller als der Gesamtmarkt, da es genau das ist, was die Entwickler wollen. Und auch hier zeigt sich wieder unsere Stärke. Wir können uns große Investments im E-Commerce leisten, was viele kleinere Distributoren nicht können.
Bedeutet das, dass Sie in Zukunft nur noch Geld mit E-Commerce verdienen?Auf gar keinen Fall. Ich denke, das ist sehr wichtig zu betonen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass E-Commerce unser Haupt-Kanal ist, aber dennoch ist eine Multichannel-Strategie wichtig. Daher kann ich allen, die den Katalog für tot halten, sagen: Den Katalog wird es noch sehr lange geben. Das Kataloggeschäft für tot zu erklären, ist eine riesige Übertreibung. Wir haben zwar die Kosten und die Verbreitung reduziert, aber die Möglichkeiten des Blätterns sind immer noch deutlich besser als bei einem Computer. Die Rolle des Katalogs hat sich geändert, aber er ist immer noch da. Und wir haben auch nach wie vor ein Call-Center, wo wir Probleme von Entwicklern schnell lösen. Die Mischung ändert sich, aber um eine Multichannel-Strategie kommt man nicht herum, denn letztlich geht es um Service. E-Commerce wird in Zukunft einen Großteil unseres Umsatzes ausmachen, aber wir werden weiterhin einen Katalog und Verkäufer haben, und wir gehen weiterhin ans Telefon.
Sie bieten schon zahlreiche Online-Tools an, wie zum Beispiel die Entwickler-Community DesignSpark. Was kommt als Nächstes?
Bei uns sitzen eine Menge Leute mit vielen tollen Ideen. Wenn die Ideen gut funktionieren, wie bei DesignSpark, DesignSpark PCB oder den 3D-Diagrammen, sind es meine Ideen. Und wenn es nicht so gut ist, sind es ihre Ideen. Nein, Scherz bei Seite, wir haben ein komplettes Entwicklungsprogramm für das, was noch kommt. Mehr kann ich dazu leider im Moment nicht sagen.
Ich zögere ein wenig bei der Bezeichnung Community. Es mag eine sprachliche Feinheit sein, aber bei uns geht es darum, den Entwicklern bei ihrer Arbeit zu helfen. DesignSpark und DesignSpark PCB sind Werkzeuge, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. Viele Communities erfüllen diesen Zweck nicht, dort trifft man sich zum Plaudern. Was soll das? Ich würde uns als Amazon für Entwickler beschreiben. Diese Tools sind dazu da, das Entwickeln besser zu machen. Entwickler werden von der Informationsflut im Internet überwältigt. Man kann vieles im Internet lesen, aber wie gut ist die Qualität? Am Ende greift man auf bekannte und vertrauenswürdige Marken zurück. Der Wert von Marken, von Reputation im Internet wird unterschätzt. Aber die Kunden wissen, dass Sie uns vertrauen können, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Lassen Sie uns über die wirtschaftliche Lage im Allgemeinen sprechen. Die Wirtschaftszyklen werden immer kürzer - was bedeutet das für einen Distributor wie ElectroComponents?
Dem würde ich so nicht zustimmen. Dass es Wirtschaftszyklen gibt, steht außer Frage: Es geht auf und ab. Und wir sind immer verwirrt, wenn es passiert. Erinnern Sie sich an den Internet-Boom, das „neue Paradigma“ und die Prophezeiung, dass es immer so weitergehen würde? Wir alle wissen, was daraus wurde. Und wenn es runter geht, denkt man immer, dass es nie wieder besser wird. Die Zyklen kommen und gehen. Aber ich glaube nicht, dass die Zyklen kürzer werden. Wir sind immer noch im gleichen Zyklus: Wir haben das Schulden-Problem immer noch nicht gelöst.
Wirkt sich das auf unser Geschäft aus? Auf jeden Fall. Denn unser Geschäft läuft so, dass die Entwickler genau das bestellen, woran sie morgen arbeiten. Und die Maintenance-Ingenieure bestellen das, was sie morgen reparieren werden. In der letzten Rezession haben wir stark verloren, danach aber noch stärker zugelegt. Und hier haben wir den Vorteil, dass wir unser Lager schneller wieder füllen können als unsere Mitbewerber. Ich mag keine Rezessionen und keinen Abschwung, aber sie tun anderen mehr weh als uns.
Viele Unternehmen klagen über Obsoleszenz und Allokation. Wie kann RS diesen Unternehmen helfen?
Ich denke, über Allokation hat man vor sechs Monaten geklagt, das hat sich inzwischen geändert. Und Obsoleszenz ist für uns kein großes Thema. Aber ich denke, auch hier kommt es darauf an, wer das größte Lager hat. Denn das ist in unserem Geschäft das Entscheidende. Was wollen die Hersteller derzeit? Sie wollen Asien, sie wollen China. Und sie fragen sich, wer ihnen den Zugang bieten kann. Daher wenden sie sich an die Distributoren mit der größten Reichweite: Uns und unsere Wettbewerber. In den letzten Jahren haben wir immer mehr Unterstützung von den Herstellern erhalten, weil wir ihnen genau diesen Zugang bieten können. Daher ist Allokation für uns kein Problem. Wenn Produkte verfügbar sind, werden wir sie vor allen anderen bekommen. Denn die Hersteller wissen, dass sie nur über uns in all die Designs gelangen können.
Elektronik ist ein schnelles Geschäft. Wie können Sie da immer auf dem Laufenden bleiben?
Zunächst einmal sind wir im ständigen Dialog mit unseren Kunden. Wir haben viele Verkäufer mit direktem Kundenkontakt und wir fragen, was sie gerade bewegt und was sie wollen. Und natürlich reden wir auch viel mit den Herstellern. Das Entscheidende sind aber die Produkteinführungen. Wir nehmen jedes Jahr 50.000 neue Produkte in unser Angebot auf. Derzeit umfasst das Angebot etwa 550.000 Produkte, also kommen jedes Jahr etwa 10 Prozent neu hinzu. Die Entwickler brauchen die Standard-Produkte, aber es geht immer darum: Wie kann ich meine Entwicklung schneller, kleiner, preiswerter und energieeffizienter machen? Und daher müssen wir die neuen Produkte, die neuen Technologien anbieten. Hinzu kommen die diversen Tools, die wir anbieten, um den Entwicklungsprozess zu unterstützen.
Viele Unternehmen der Branche sind etwas nervös bezüglich der Entwicklungen 2012. Wie sehen Sie die Situation?
Lassen Sie uns nicht auf 2012 sehen, sondern auf eine ganze Dekade. Bis 2008 war das Wachstum so gut, weil alle Schulden gemacht haben. Die Wirtschaft wurde von zu viel Schulden angetrieben. Seit 2008 befinden wir uns in einer Dekade mit durchschnittlich weniger Wachstum aufgrund der Schulden. Das Wachstum wird geringer ausfallen und sich in die Schwellenländer verlagern. In Europa und den USA wird das Wachstum geringer ausfallen, aber es wird Wachstum geben. Die Krise 2008 war schmerzhaft, aber nicht schmerzhaft genug. 2012 wird hart, aber keine Katastrophe. Und besonders gut laufen wird es für die größeren Unternehmen und Unternehmen mit ausreichend Eigenkapital. Wir sind zuletzt um 5 Prozent gewachsen - das ist nicht so gut wie früher, aber nicht schlecht. Und in Asien sehen wir weiterhin ein solides Wachstum. Aber letztlich weiß ich auch nicht, was kommen wird. Und ich sage meinen Mitarbeitern auch, dass sie nicht versuchen sollen, etwas zu prognostizieren. Wir müssen damit umgehen, egal wie sich die Lage entwickelt.