Wege zur klimaneutralen Industrie Industrie unter Strom – Transformationspfade für Unternehmen

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE analysiert, wie Elektrifizierung, Wasserstoff und erneuerbare Energien Produktionsprozesse transformieren und die Klimaziele 2045 erreichbar machen.

Bild: iStock, Irina_Strelnikova
10.02.2025

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat im Rahmen des Forschungsprojekts „IND-E“ verschiedene Transformationsstrategien zur Dekarbonisierung der Industrie untersucht. Im Mittelpunkt der Studie stehen die Elektrifizierung industrieller Prozesse, der Einsatz von Wasserstoff sowie die Systemeffekte der Umstellung auf erneuerbare Energien. Technologische Umstellungen und eine Anpassung der Infrastruktur sind dabei entscheidend. Gleichzeitig ist langfristige Planungssicherheit für Unternehmen zwingend erforderlich, um Investitionen in klimafreundliche Technologien zu tätigen.

Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Um die entsprechenden Klimaschutzziele im Industriesektor zu erreichen, müssen verstärkt erneuerbare Energieträger und emissionsarme Technologien eingesetzt werden. In einer Studie zeigt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE kostengünstige Transformationspfade für die Industrie und die damit verbundenen Effekte für das Energiesystem auf. Wesentliche Bausteine einer zukunftsfähigen Industrie sind demnach die direkte Elektrifizierung von Prozessen sowie die Nutzung emissionsfreier Brennstoffe wie Wasserstoff. Die Studie ist Teil des neuen Forschungsschwerpunkts „Klimaneutrale Industrie“.

Fraunhofer ISE analysiert Dekarbonisierungsstrategien

Im Rahmen des Forschungsprojekts „IND-E“ hat das Fraunhofer ISE gemeinsam mit den Partnern Öko-Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie der Hochschule Offenburg die Dekarbonisierung der deutschen Industrie aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert. Hierfür hat das Team eine qualitative und quantitative Unternehmensbefragung (Akteursanalyse) mit einer quantitativen modellgestützten Analyse gekoppelt. Zu diesem Zweck wurden die verwendeten Energie- und Stromsystem-Modelle des Fraunhofer ISE, REMod, DISTRICT, PowerFlex und flexAble, erweitert und angewandt. Durch die Weiterentwicklungen der Modelle hat das Projektteam nun Tools, mit denen Analysen hinsichtlich kostenoptimaler Transformationsstrategien, der Wirtschaftlichkeit von Investitionen sowie der Effekte auf das Stromsystem durchgeführt werden können.

Laut den Studienergebnissen stellt die (Hochtemperatur-) Wärmepumpe eine wichtige Technologieoption zur Bereitstellung von Prozesswärme in Temperaturbereichen bis 200 °C dar. „Bei Temperaturen über 200 °C ist zum Beispiel der Elektrodenkessel eine Schlüsseltechnologie, da höhere Temperaturniveaus als bei der Hochtemperaturwärmepumpe erreicht werden können – jedoch bei geringerem Wirkungsgrad“, so Projektleiterin Dr. Charlotte Senkpiel. Der Einsatz von Wasserstoff in der Industrie ist im Bereich der stofflichen Nutzung, in der Stahlherstellung sowie bei Hochtemperaturprozessen wie der Herstellung von Nicht-Eisen-Metallen, Glas und Keramik oder der Metallweiterverarbeitung sinnvoll.

Transformation der ganzen Prozessketten

„In den energieintensiven Branchen Stahl, Chemie und Zement müssen für die Transformation oft ganze Prozessketten neu aufgesetzt werden – die technischen Optionen unterscheiden sich je nach Branche“, erläutert Ko-Autor Markus Kaiser vom Fraunhofer ISE. So kommt es in der Stahlerzeugung laut der Analysen auf den Ausbau des strombasierten Recyclings von Stahlschrott und auf die Umstellung von kohlebasierten Hochöfen auf wasserstoffbasierte Direktreduktion in der Primärerzeugung an. In der Grundstoffchemie steht in der stofflichen Nutzung der Wechsel von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff im Mittelpunkt.

Lesen Sie weiter im P&A Web-Magazin!

Zudem stellt die Elektrifizierung von Steamcrackern zur Herstellung von hochwertigen Chemikalien eine wichtige Option dar. In der Zementindustrie dagegen kommt zur Bereitstellung von Wärme der vermehrte Einsatz biogener Energieträger zusammen mit direkter Elektrifizierung in Frage. Zusätzlich ist hier eine CO2-Abscheidung für die Vermeidung von prozessbedingten Emissionen notwendig. In weiteren Branchen wie der Metallverarbeitung, der Papier- oder der Lebensmittelbranche sind gemäß den Analysen starke Unterschiede in den Transformationspfaden zu erwarten. Der Anteil der Eigenversorgung durch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen wird vermutlich sinken und ein Wandel hin zu einem deutlich höheren Strombezug aus dem Netz ist absehbar.

Die Sicht der Akteure auf die Transformation

Viele Unternehmen der energieintensiven Industrie streben eine Elektrifizierung ihrer industriellen Prozesse an. Damit sie in Elektrifizierungsmaßnahmen investieren, benötigen sie insbesondere Planungssicherheit hinsichtlich der Verfügbarkeit von (kostengünstigem) Strom sowie ausreichende Netzanschlusskapazitäten, berichten die befragten Unternehmen. Darüber hinaus hängt von verschiedenen Faktoren ab, ob Investitionen in Transformationsmaßnahmen tatsächlich getätigt werden. Hierzu zählen politische Rahmenbedingungen, zukünftige Energiepreisentwicklungen, die Verfügbarkeit von Technologien und Energie zur Transformation sowie die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Einige der befragten Unternehmen betonen zudem die Relevanz einer visionären und engagierten Geschäftsführung, damit ambitionierte Transformationsstrategien entwickelt und umgesetzt werden.

Das Projekt „IND-E“ ist Teil des Leitthemas „Klimaneutrale Industrie“, in dessen Rahmen das Fraunhofer ISE Unternehmen bei der Umstellung auf eine CO2-neutrale Energieversorgung unterstützt. Die Projektergebnisse sollen dazu dienen, Maßnahmen robuster zu planen und Investitionsentscheidungen besser treffen zu können. Durch eine Umstellung ihrer Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien können Unternehmen ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren sowie aktuelle und zukünftige regulatorische Anforderungen erfüllen.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel