Fabrikautomation Neue Möglichkeiten

09.02.2012

Maschinen, die sich nach Bedarf selbst umrüsten. Werkstücke, die Bearbeitungsanfragen an Maschinen stellen. Kurz: Eine Produktion, die sich selbst koordiniert. Was im ersten Moment nach Sience Fiction klingt, ist mit Cyber-Physical Systems heute schon denkbar.

Seit ein paar Jahren kursiert in der Fachwelt der Begriff Cyber-Physical Systems (CPS). Geprägt wurde er vor allem in den USA durch ein Förderprogramm der National Science Foundation, das seit 2006 Arbeiten auf folgenden Gebieten finanziert: sensorbasierte autonome Systeme, verteilte Robotik, autonome Fahr- und Flugzeuge sowie medizinische Überwachung. CPS bestehen aus vielen vernetzten Komponenten, die sich selbständig untereinander koordinieren. Oft sind diese Komponenten eingebettete Systeme, also in einen technischen Kontext eingebundene Rechner, die spezielle Anforderungen an Größe, Kosten und Energieverbrauch erfüllen müssen. CPS erkennen ihre physische Umgebung und beeinflussen sie koordiniert - auch durch Kombination mit zusätzlichen, über das Internet eingeholten Daten. Hierzu ist eine starke Kopplung von Computer-Steuerungsmodell (Cyber) und physischem Anwendungsmodell (Physical) nötig.

Vorteile von CPS für die Automatisierung

Das adaptive Verhalten von CPS verspricht auch für die Automatisierungstechnik Vorteile. So kann etwa die Sicherheit von Produktionsanlagen erhöht werden, wenn Maschinen mit Sensoren zur Erkennung ihrer Umgebung ausgestattet sind und Fahrzeuge, mobile Roboter oder Menschen, die sich in der Nähe der Anlage befinden, erkannt und Unfälle verhindert werden.Ein weiterer Vorteil liegt in der erhöhten Flexibilität. Produktionsanlagen können sich individuell auf die jeweiligen Werkstücke einstellen, da sie diese durch Sensoren erkennen (zum Beispiel optisch oder über RFID-Tags). Durch eine Vernetzung der Maschinen können Meldungen über Störungen oder Ausfälle auch an alle anderen Maschinen gelangen, damit diese auf die Situation reagieren. Maschinen, die von einer Störung in der Produktionskette betroffen sind, können sich nun dynamisch umrüsten, um derweil andere Produktionsschritte durchzuführen oder auf eine langsamere, energiesparendere Fertigungsmethode zu wechseln. Auch Produktionsaufträge können dynamisch an die verfügbaren Anlagen verteilt werden, in dem ein Marktplatz zur Anwendung kommt. Das Werkstück stellt dabei eine Bearbeitungsanfrage und die Maschinen geben Angebote ab. Dabei werden Parameter wie aktuelle Auslastung, Rüstzeiten, Fertigungszeit, Energiebedarf oder �?hnliches zur Bestimmung der Kosten des Angebots herangezogen. Die Entscheidung darüber, wo das Werkstück bearbeitet wird, kann dann auf Basis der abgegebenen Angebote getroffen werden.

Bisherige Grenzen überwinden

Dieser Marktplatzgedanke kann über die Grenzen von einzelnen Produktionsstandorten oder sogar Unternehmen hinaus weitergetragen werden. Auf einer virtuellen Plattform kann der Kunde gewünschte Produktionsaufträge ausschreiben, die dann von verschiedenen Unternehmen entgegengenommen werden. Diese Unternehmen lassen die Auftragsbeschreibungen von ihrem CPS-Produktionssystem prüfen und ein Angebot erstellen. Nachdem die Rahmenbedingungen automatisiert ausgehandelt sind, kann die Fertigung beginnen.Damit die Produktion von solchen Szenarien profitieren kann, besteht noch Forschungsbedarf. Für die Marktplatzszenarien muss erforscht werden, wie sich Angebote und Aufträge geeignet automatisiert über Multi-Agentensysteme austauschen lassen. Dabei müssen Verbindlichkeit und Datenschutz sichergestellt sein, um zum Beispiel Angriffe von Konkurrenten durch Scheinaufträge zu vermeiden. Auch im Bereich verteilter Echtzeitsysteme sind einige offene Fragen zu beantworten. Hier müssen unter anderem standardisierte Schnittstellen geschaffen werden, damit der Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Maschinen und Produktionsanlagen gewährleistet ist. Des Weiteren müssen harte Echtzeitanforderungen eingehalten werden. Das heißt, es muss sichergestellt sein, dass Sensordaten, Informationen aus anderen Maschinen und die Berechnungsergebnisse (etwa die Analyse der Sensordaten, um einen Gefahrenbereich zu überprüfen) so rechtzeitig vorliegen, dass die Maschine noch reagieren kann und eine Kollision verhindert werden kann. Je mehr Kommunikation zwischen einzelnen Komponenten und Maschinen dabei ins Spiel kommt, umso schwieriger wird es, die Einhaltung der Zeitvorgaben zu garantieren.

Viele Köpfe müssen zusammendenken

Um bessere Ergebnisse beim Entwurf von CPS-Produktionsanlagen zu erhalten, müssen mehrere Disziplinen zusammenarbeiten. Ein sequentieller Entwurf, bei dem zunächst die Maschine, dann die Regelkreise und zuletzt die Steuerungs-Software entworfen werden, reicht nicht aus, weil dabei viele Entwurfsmöglichkeiten verloren gehen. Eventuell lässt sich die beste Steuerung nur dann realisieren, wenn die Parameter der Regelung oder auch die physikalischen Parameter der Maschine angepasst werden. Daher werden im Interdisziplinären Zentrum für Eingebettete Systeme der Universität Erlangen-Nürnberg und im ESI-Anwendungszentrum derzeit die Grundlagen für integrative Entwurfsmethoden erforscht.

Verwandte Artikel