Innenleben neuartiger weicher Halbleiter aufdecken Organische Halbleiter der Zukunft

Eine repräsentative Karte veranschaulicht die Richtung der Polymerketten in kantigen Kristalliten.

Bild: Salleo Research Group
17.10.2024

Mit einem speziellen Elektronenmikroskop haben Materialwissenschaftler erstmals die Mikrostruktur vielversprechender weicher Halbleiter untersucht, die zu einer neuen Generation von Elektronik führen könnten. Organische gemischt ionisch-elektronische Leiter (OMIECs) zeichnen sich durch herausragende elektrochemische Eigenschaften aus, doch ihre molekulare Struktur und Elektronenbewegung sind noch weitgehend unerforscht. Forscher der Stanford University haben nun mittels moderner elektronenmikroskopischer Techniken Einblicke in das Innenleben von OMIECs gewonnen und damit den Weg für künftige Anwendungen in Elektronik und Batterien bereitet.

Eine der vielversprechendsten Materialklassen für Batterien und elektronische Geräte der nächsten Generation sind die organischen gemischt ionisch-elektronischen Leiter, kurz OMIECs. Diese weichen, flexiblen Polymer-Halbleiter haben vielversprechende elektrochemische Eigenschaften, aber es ist nur wenig über ihre molekulare Mikrostruktur und darüber bekannt, wie sich Elektronen durch sie bewegen – eine wichtige Wissenslücke, die geschlossen werden muss, um OMIECs auf den Markt zu bringen.

Um diese Lücke zu schließen, setzten Materialwissenschaftler in Stanford kürzlich eine spezielle elektronenmikroskopische Technik ein, die mit weichen, so genannten „strahlungsempfindlichen“ Materialien wie Biomolekülen arbeitet, um sich ein klareres Bild vom strukturellen Innenleben der OMIECs zu machen und herauszufinden, warum sie so vorteilhafte elektrochemische Eigenschaften aufweisen.

Visualisierung der Mikrostruktur

Wie Wasser in einer Autobatterie ist ein flüssiger Elektrolyt zwischen den Schichten des OMIEC-Polymers eingebettet. Der Elektrolyt ist das Medium, durch das sich Ionen zwischen positiven und negativen Polen bewegen und so elektrischen Strom erzeugen.

„Wenn OMIEC-Polymere in einen flüssigen Elektrolyten getaucht werden, quellen sie wie eine Ziehharmonika auf, behalten aber ihre elektronische Funktionalität bei. Wir haben herausgefunden, dass die langen Molekülketten des Polymermaterials in der Lage sind, sich zu dehnen und sanft zu krümmen, so dass ein kontinuierlicher Pfad entsteht, selbst wenn das Material mit dem Elektrolyten um 300 Prozent anschwillt“, so Alberto Salleo, Professor für Hong Seh und Vivian W. M. Lim an der School of Engineering und Hauptautor der veröffentlichten Arbeit.

„Die Forschung stellt einen konzeptionellen Durchbruch bei der Visualisierung der Mikrostruktur dieser Materialien dar. Wo wir vorher nur theoretisieren konnten, können wir jetzt sehen, was passiert, damit die OMIECs so gut funktionieren“, sagte Yael Tsarfati, Postdoktorand in Salleos Labor und Erstautor der Arbeit, der die meisten elektronenmikroskopischen Beobachtungen durchführte. „Zu lernen, wie ein Material auf struktureller Ebene funktioniert, ist der Schlüssel zur Entwicklung immer besserer Materialien.

Schwer fassbarer Prozess

Salleo und Tsarfati haben drei Jahre lang an dieser Studie gearbeitet. Sie sind die ersten, die die Kryo-Elektronenmikroskopie (Cryo 4D-STEM) einsetzen, um ein OMIEC-Polymer abzubilden, das in einem wässrigen Elektrolyten getränkt ist, während es elektrische Ladungen enthält. Bei dieser Art von Mikroskop werden leistungsstarke Elektronenstrahlen – und nicht Licht – zur Abbildung verwendet, und die Probe muss extrem kalt sein, damit das Material nicht durch die Elektronen beschädigt wird.

Die doppelte Belastung durch das Eintauchen und die elektrische Aufladung bewirkt, dass sich die Polymerstruktur auf komplexe, aber wichtige Weise verändert, sagt Salleo. Wie die Leistung des Polymers trotz dieser Belastungen aufrechterhalten wird, ist ein Rätsel, das die Forschergemeinde fasziniert hat. Es war jedoch eine Herausforderung, diese Polymere mit herkömmlichen Elektronenmikroskopen abzubilden. Wären OMIECs feste Halbleiter, würden Forscher schnell zur Elektronenmikroskopie greifen, um ihre kristalline Struktur zu untersuchen. Aber OMIECs sind so weich, dass die starken Elektronenstrahlen, die zur Beleuchtung ihrer inneren Strukturen verwendet werden, sie bei der Beobachtung beschädigen.

Mit dieser neuartigen Mikroskopietechnik können Salleo und Tsarfati nun sehen, wie das weiche, verformbare Polymer seine strukturelle Integrität beibehält, wenn es sich ausdehnt. Das Team glaubt nun, dass sich die weiche Flüssigkristallpolymerstruktur der OMIECs dehnt und biegt, um einen kontinuierlichen elektronischen Pfad um Elektrolytblasen zu bilden, die sich zwischen den gefalteten Polymerbändern bilden.

Weiche Berührung

Bei Cryo 4D-STEM wird das zu untersuchende Material im Wesentlichen eingefroren. Der Elektrolyt wird nicht fest, so wie Wasser zu Eis werden würde. Stattdessen geht er in einen anderen, verglasten Zustand über, der es Salleo und seinem Team ermöglicht, die Mikrostruktur im Betrieb zu sehen. „Das Polymer bildet eine Art Gel, das sich biegen und dehnen kann“, erklärt Salleo. „Es kann stark anschwellen, manchmal um 300 Prozent, was die elektronischen Eigenschaften der meisten Materialien völlig zerstören würde. Aber in OMIECs bleiben die elektronischen Eigenschaften erhalten.“

Tsarfati merkt an, dass die Polymerketten, wenn sie einmal aufgequollen sind, nur minimale strukturelle Veränderungen erfahren, selbst während des Ladens und Entladens. Dies führt zu einem effizienteren Ionenaustausch bei minimaler Beanspruchung des Materials selbst, was die OMIECs aus elektronischer Sicht interessant macht.

„Die Polymere zeigen im Vergleich zu anderen von uns untersuchten Materialien eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit gegenüber physikalischen Veränderungen und dem Einbringen von Ionen, und das ist eine wünschenswerte Eigenschaft für künftige Elektronik“, fügte Tsarfati hinzu und wies auf neue Forschungsrichtungen des Teams hin.

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