Zukunft Abwärmenutzung Schlüsselakteure im Kampf gegen Treibhausgasemissionen

Meilensteine Energieeffizienzgesetz

Bild: Prior1
10.10.2023

Mit dem Energieeffizienzgesetz 2023 geht Deutschland einen wegweisenden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Die Abwärmenutzung in Rechenzentren steht im Fokus, was neue Chancen und Herausforderungen für Betreiber mit sich bringt. Wie kann die Balance zwischen Innovation und praktischer Umsetzung im Kontext der Abwärmenutzung und Energieeffizienz gefunden werden, um Rechenzentren erfolgreich als Energiezentralen der Zukunft zu etablieren?

Am 21. September 2023 hat der Bundestag einen entscheidenden Schritt in Richtung einer grüneren Zukunft unternommen, indem er den Gesetzesentwurf zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie weitergeleitet hat. Dieser Entwurf berührt wesentliche Bereiche von Industrie und Gemeinwesen – insbesondere Rechenzentren, Kommunen und Energieversorgungsunternehmen.

Mit Fokus auf Abwärme

Seine Hauptzielsetzung ist klar: die Förderung nachhaltiger Praktiken und eine drastische Reduktion von Treibhausgasemissionen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der effektiven Nutzung von Abwärme. Für Rechenzentren beinhaltet dies verbindliche Bestimmungen, die sowohl den Energieverbrauch minimieren als auch die effektive Nutzung von Abwärme maximieren.

Dieses fortschrittliche Gesetz schafft zweifellos neue Perspektiven. Rechenzentren und ihr Energieverbrauch rücken durch das Gesetz in den Fokus des öffentlichen Interesses. Und: Es stellt den Sektor vor eine Vielzahl an komplexen Fragestellungen, die in den nächsten Jahren intensiv adressiert werden müssen.

Ab Juli 2026 wird für neu in Betrieb genommene Rechenzentren – gültig für Anlagen mit einer Kapazität von mindestens 300 kW (öffentlicher Sektor) und 1.000 kW (privater Sektor) IT-Leistung – die Implementierung planungsrelevanter Maßnahmen zur Abwärmenutzung unerlässlich. Diese Schritte sind eng verzahnt mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) vom 16. August 2023. In Verbindung mit der kommunalen Wärmeplanung zeichnet sich hierbei ein integrativer Ansatz ab, welcher das Ziel verfolgt, die Energieeffizienz ganzheitlich zu optimieren.

Anreize und komplexe Herausforderungen

Das Gesetz hat zweifellos das Potenzial, die Branche zu revolutionieren. Es hält sowohl Wärmeabnehmer als auch Wärmelieferanten dazu an, wegweisende Lösungen und Konzepte zu kreieren. Mit einem stufenweisen Anstieg der Energierückgewinnungsfaktoren, der bei 10 Prozent im Jahr 2026 beginnt und sich bis 2028 auf 20 Prozent erhöht, werden sowohl technologische Durchbrüche als auch Investitionen in Forschung und Entwicklung stark begünstigt.

Trotzdem birgt die Umsetzung des Gesetzes eine Reihe von Herausforderungen. Ein grundlegendes Beispiel für solche Schwierigkeiten ist das Fehlen adäquater Infrastrukturen: Betreiber von Rechenzentren können zwar einplanen, Abwärme an ihren Grundstücksgrenzen bereitzustellen, es mangelt jedoch an effizienten Netzwerken, die diese Wärme zur weiteren Nutzung transportieren könnten.

Noch kritischer wird die Situation, wenn man spezifische Fälle betrachtet, wie etwa Frankfurt. Die Stadt fordert eine 100-prozentige Abwärmenutzung von den Rechenzentren. Die Frage ist jedoch, wie diese Forderung erfüllt werden kann, wenn die essentielle Infrastruktur für den Wärmetransport nicht vorhanden ist? Hinzu kommt das Problem des von Rechenzentren gelieferten Temperaturniveaus von 26 bis 28 °C.

Diese Temperatur ist für herkömmliche Heizsysteme oft zu niedrig und erfordert spezialisierte Wärmepumpentechnologien, die nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch kostenintensiv sind. Ein optimales Szenario wäre ein Rechenzentrum in einem Gewerbegebiet nahe Einrichtungen wie Schwimmbädern oder Gewächshäusern. Solche Standorte könnten optimal von der Abwärmenutzung profitieren, jedoch sind sie eher die Ausnahme als die Regel.

Gemeinsame Ambitionen, differenzierte Ansätze

Deutschland befindet sich gerade in den Anfängen, das enorme Potenzial der Abwärmenutzung aus Rechenzentren voll auszuschöpfen. Aber ein Blick über die Grenzen zeigt, dass andere europäische Länder bereits beeindruckende Fortschritte in diesem Bereich gemacht haben.

Beispiel Schweden: Hier wurden bereits Projekte umgesetzt, bei denen die Abwärme von Rechenzentren direkt in die städtische Heizungsinfrastruktur eingespeist wird. In der Stadt Stockholm gibt es ein Projekt namens „Open District Heating“, bei dem Technologieunternehmen und Rechenzentren ihre Abwärme an die städtischen Heiznetze verkaufen können. Dies ermöglicht nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle für die Unternehmen, sondern hilft der Stadt auch, ihre CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren.

Finnland, bekannt für seine kalten Winter und seine Abhängigkeit von Fernwärme, hat ebenfalls die Vorteile der Integration von Rechenzentren in seine Energiepläne erkannt. In der Stadt Espoo wird beispielsweise die Abwärme eines lokalen Rechenzentrums genutzt, um Wasser für das städtische Heiznetz zu erwärmen, wodurch Tausende von Haushalten mit Wärme versorgt werden können.

Die Rolle der Kommunen und Energieversorger: Ein Puzzle mit vielen Teilen

Das Energieeffizienzgesetz kann nur so gut sein wie seine Umsetzung vor Ort. Kommunen und Energieversorger spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die effektive Implementierung des Gesetzes geht. Sie stehen vor der Herausforderung, die notwendige Infrastruktur zu schaffen, um die von den Rechenzentren erzeugte Abwärme optimal zu nutzen.

Es ist nötig, eine robustere und koordiniertere Infrastruktur zu entwickeln, bei der sowohl die Energieerzeuger als auch die -verbraucher in harmonischem Einklang agieren können. Es ist offensichtlich, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren erforderlich ist, um die vollen Vorteile des Gesetzes auszuschöpfen und das Potential der Abwärmenutzung vollständig zu realisieren.

Erfahrungsgemäß dauert es aber oft sehr lang, bis aus umfassenden Planungen nutzbare Infrastrukturen entstanden sind. Dies zwingt Rechenzentren-Betreiber dazu, proaktiv zu agieren und Alternativen in Betracht zu ziehen. Dies bedeuten, dass sie sich für eine autarke Lösung entscheiden, bei der sie eigene Systeme zur Abwärmenutzung implementieren. Eine solche „Insellösung“ könnte beispielsweise die Nutzung der Abwärme für Heizzwecke innerhalb des eigenen Gebäudes oder in direkter Nachbarschaft sein.

Eine andere Strategie wäre, den Standort des Rechenzentrums gezielt so zu wählen, dass er sich in der Nähe bereits existierender Wärmenetze oder potenzieller Abnehmer für die Wärme aus dem Rechenzentrum befindet. In der Konzeptphase müssen Betreiber und Planer daher weit über die herkömmlichen Anforderungen hinausdenken. Neben der Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung gilt es künftig, das Augenmerk auch auf die effiziente Abführung der Abwärme zu legen.

Gleichgewicht zwischen Technologie und Wirtschaftlichkeit

Zudem wird sich durch das neue Gesetz die Rolle der Rechenzentren maßgeblich verändern und die Betreiber müssen neue Aufgaben übernehmen. Rechenzentren werden sich von reinen Datenverarbeitungszentren hin zu potenziellen Energiezentralen wandeln, die sowohl Daten als auch Wärme liefern können. Diese Evolution eröffnet den Betreibern neue Geschäftsmodelle und Einnahmequellen durch den Verkauf oder die Weitergabe der von ihnen produzierten Abwärme an städtische Wärmenetze oder private Unternehmen.

Doch um diese neuen Einnahmequellen zu erschließen, bedarf es einer sorgfältigen Planung und Strategieentwicklung. Wer ist für die Abwärme zuständig? Zu welchem Preis wird sie verkauft? Wie wird sie effektiv an Abnehmer geliefert? Diese und andere Fragen betreffen nicht nur technische und ökologische Überlegungen, sondern auch – und vielleicht vor allem – wirtschaftliche. Es ist unerlässlich, dass klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert werden, um sicherzustellen, dass diese neuen Geschäftsmodelle nicht nur umweltfreundlich, sondern auch finanziell tragfähig sind.

Das neue Energieeffizienzgesetz eröffnet immense Chancen für eine nachhaltige Energiezukunft, bringt jedoch auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert die enge Zusammenarbeit zwischen Rechenzentren, Kommunen und Energieversorgern. Die Richtung ist vorgegeben; der Erfolg hängt nun von der gemeinsamen Umsetzung aller Beteiligten ab.

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