Die geopolitischen Entwicklungen der letzten Monate haben der Diskussion um digitale Souveränität neue Brisanz verliehen. Unmittelbar beobachten lässt sich eine zunehmende Nachfrage nach Alternativen zu US-amerikanischen Cloud-Diensten. Vielen Unternehmen ist bewusst geworden, dass ihre Abhängigkeit von Anbietern wie AWS, Azure oder Google Cloud ein Risiko darstellt, das weit über abstrakte Datenschutzbedenken hinausgeht.
Unsicherheiten verändern die Cloud-Landschaft
Wie schnell sich die Rahmenbedingungen für international verfügbare digitale Dienste ändern können, zeigen die aktuellen politischen Entwicklungen rund um die erneute Präsidentschaft Donald Trumps. Technologiekonzerne haben ihre Unternehmensrichtlinien auf Druck der US-Regierung schnell an politische Signale und Erwartungen angepasst – mit direkten Auswirkungen auf kritische Infrastrukturen. Auch wenn es im Zuge der derzeitigen Handelspolitik der USA zu Gegenzöllen der EU auf digitale Dienstleistungen kommen sollte, drohen europäischen Unternehmen erhebliche Einschränkungen bei der Nutzung von Cloud-Diensten der US-Anbieter. Diese Entwicklung erzeugt ein Klima der Ungewissheit für europäische Unternehmen, die ihre kritischen Geschäftsdaten in US-Clouds speichern.
Wenn Tech-Unternehmen ihre Richtlinien aufgrund politischer Einflussnahme ändern, bröckelt das Vertrauen in deren Unabhängigkeit, was sich unmittelbar auf den europäischen Markt auswirkt. Zudem plant die US-Regierung erstmals eine umfassende Regulierung von Cloud-Anbietern, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Datensicherheit. Diese Maßnahmen könnten den Zugriff von US-Behörden auf in der Cloud gespeicherte Daten weiter erleichtern – ein unwägbares Risiko für europäische Unternehmen.
Dieses besteht auch bei europäischem Hosting – also auch dann, wenn die Daten physisch in Rechenzentren innerhalb der EU gespeichert werden: Denn entscheidend ist, bei wem die Daten liegen. Ist der Cloud-Anbieter ein US-Konzern, können US-Behörden über Gesetze wie den CLOUD Act oder FISA 702 dennoch auf die Daten zugreifen: Das widerspricht den Anforderungen der DSGVO und gefährdet die digitale Souveränität europäischer Unternehmen.
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Strategischen Vorteil erkennen
Datensouveränität bedeutet weitaus mehr als die bloße Einhaltung der DSGVO. Es geht um das Recht und die Kontrolle über eigene Daten: Wer speichert sie, wer kann sie einsehen, verarbeiten und löschen? Eine echte datensouveräne Cloud gewährleistet diese Kontrolle ganzheitlich und ermöglicht es Unternehmen, unabhängig und krisenfest zu agieren. Viele Unternehmen in Deutschland suchen derzeit aktiv nach Cloud-Lösungen aus Deutschland oder Europa. Der Grund: Sie wollen ihre Daten in sicheren Händen wissen und gleichzeitig ihre Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern reduzieren.
Zunehmendes Interesse weckt in diesem Zuge auch der Einsatz von Open-Source-Technologien: Sie bieten volle Transparenz über den Quellcode, minimieren Abhängigkeiten von proprietären Systemen und schaffen eine stabile, überprüfbare Infrastruktur. Unternehmen behalten die Kontrolle über ihre Systeme – und machen sich unabhängig von der politischen Lage sowie den Geschäftsmodellen großer US-Konzerne und den Zugriffsmöglichkeiten amerikanischer Behörden auf ihre Daten. Eine datensouveräne Cloud-Lösung zeichnet sich also durch mehrere Faktoren aus: Der Betreiber hat seinen Hauptsitz und seine gesamte Infrastruktur in der EU. Hinzu kommen wirtschaftliche Unabhängigkeit und Stabilität. Open-Source-Technologien werden vorgezogen, um einen Vendor-Lock-in zu vermeiden und die Flexibilität bei der Cloud-Nutzung zu erhalten. Die Rechenzentren für den Betrieb der Cloud erfüllen zudem höchste europäische Sicherheitsstandards.
Neue Auswahlmöglichkeiten etablieren sich
Der Markt für europäische Cloud- und Colocation-Dienste wächst schnell. Speziell auf die Bedürfnisse europäischer Unternehmen zugeschnitten, bieten EU-Anbieter inzwischen leistungsstarke Alternativen zu US-Hyperscalern. Diese werden ausschließlich in Europa gehostet und entsprechen den besonderen Sicherheits- und Servicebedürfnissen hiesiger Unternehmen. Wie bereits erwähnt, spielt auch die Nutzung von Open-Source-Technologie eine zentrale Rolle beim Aufbau unabhängiger Cloud-Infrastrukturen. Sie ermöglicht es, autark zu handeln, und verhindert die Zwangsbindung an einen Anbieter. Diese offenen Technologien fördern nicht nur die Unabhängigkeit, sondern unterstützen auch europäische Initiativen.
Noch dominieren Hyperscaler wie Amazon, Microsoft und Google über 70 Prozent des europäischen Cloud-Markts. Mit dem EU-Projekt „8ra“ wird der Aufbau eines offenen, dezentralen Cloudund Edge-Ökosystems angestrebt, um Europas digitale Souveränität langfristig zu sichern. Allerdings zeigt der kürzlich angekündigte Rückzug des deutschen Softwareanbieters Nextcloud aus einem anderen Projekt – dem bisherigen Hoffnungsträger Gaia-X: Politisch motivierte Initiativen reichen nicht aus, wenn bürokratische Hürden fortbestehen, der politische Wille nicht langfristig und umfassend vorhanden ist und europäische Unternehmen allen Risiken zum Trotz weiter ausschließlich auf US-Lösungen setzen.
Gleichzeitig muss man feststellen: Für Unternehmen, die ihre Cloud-Strategie angesichts der großen Unsicherheiten im Hinblick auf die Hyperscaler hinterfragen, geht der Trend nicht „weg von“ der Cloud – sondern „hin zu“ differenzierten Modellen. Hybride und Multi-Cloud-Ansätze kombinieren die Flexibilität der Public Cloud mit der Sicherheit der Private Cloud oder der Kontrolle einer On-Premise-Lösung. Diese Strategien machen Unternehmen wesentlich anpassungsfähiger – und hier liefern europäische Anbieter mit Compliance-orientierten Cloud-Infrastrukturen überzeugende Alternativen.
Der Umstieg: Aufwand zahlt sich aus
Für Unternehmen mag der Umstieg auf europäische Anbieter zunächst unbequem erscheinen und Ressourcen binden. Doch die geopolitischen Realitäten machen diesen Schritt für eine zukunftsfähige Planung alternativlos. Die Frage ist nicht mehr, ob ein Umstieg erfolgen sollte, sondern wie dieser Prozess am effizientesten umgesetzt werden kann. Mit lokalem Hosting in deutschen Rechenzentren, ISO-27001-zertifizierten Infrastrukturen und einem Fokus auf Open-Source-Technologien bietet sich für Unternehmen die Grundlage für digitale Souveränität. Vernetzte Standorte ermöglichen zudem einen standortverteilten Serverbetrieb, der höchste Verfügbarkeit garantiert.
Betrachtet man die Gesamtlage, wird deutlich: Digitale Souveränität ist kein nettes, aber optionales „Nice-to-have“, sondern angesichts der aktuellen Entwicklungen eine strategische Notwendigkeit. Wer heute in unabhängige europäische Cloud- und Colocation-Lösungen investiert, sichert nicht nur seine Daten, sondern auch die langfristige Geschäftsfähigkeit und Resilienz seines Unternehmens. Der Weg zu echter digitaler Souveränität mag herausfordernd sein – doch er ist unumgänglich für Unternehmen, die in unsicheren Zeiten handlungsfähig bleiben wollen.