Prof. Dr. Alexander Sauer, Fraunhofer IPA Umfassende Nachhaltigkeit in der Ultraeffizienzfabrik

Der gebürtige Rheinländer Alexander Sauer absolvierte ab 1997 ein Doppel-Studium Maschinenbau und BWL an der RWTH Aachen, wo er 2005 auch promovierte. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZL, zuletzt als Oberingenieur, wechselte Sauer 2006 als Mitglied der Geschäftsleitung zur Hoerbiger Automotive Komfortsysteme GmbH. Anfang 2011 folgte er dem Ruf an die Hochschule für angewandte Wissenschaften München als Professor für Fertigungstechnik. Anfang 2015 wurde er als Universitätsprofessor an das EEP der Universität Stuttgart gerufen und übernahm parallel dazu immer mehr Leitungsaufgaben am Fraunhofer IPA. Sauer ist Erfinder des Energieeffizienz-Index der Industrie, Leiter der Ultraeffizienzfabrik und Sprecher des Kopernikus-Projekts SynErgie, einem der größten wissenschaftlichen Projekte im Rahmen der Energiewende.

Bild: Fraunhofer IPA
26.10.2022

Ultraeffizienz – das ist die Vision einer symbiotisch-verlustfreien Produktion in einer lebenswerten Umgebung. In der Ultraeffizienzfabrik geht es also nicht um eine punktuelle industrielle Optimierung. Auch nicht um die Optimierung einzelner Technologien. Angestrebt wird vielmehr die ganzheitliche Verbesserung eines Systems. Denn nur so ist es möglich, das gesteckte Ziel zu erreichen: Mass Sustainability, also eine umfassende, alle drei Dimensionen umfassende Nachhaltigkeit über alle Handlungsfelder der Ultraeffizienz hinweg: Energie, Material, Emissionen, Mensch und Organisation.

Die Ultraeffizienzfabrik ist definiert als ein Ansatz, um effizient mit so wenig Material und Energie wie nötig effektiv zu produzieren. Material und Energie fließen im geschlossenen Kreislauf und dienen immer wieder als Ausgangspunkt der Produktion. Die anpassungsfähige, emissionsfreie Fabrik sichert ein ökologisches und soziales Umfeld, integriert in eine lebenswerte Umgebung.

Es reicht nicht mehr aus, nur über Energie- und Ressourceneffizienz nachzudenken. Wenn wir zusätzlich über Effektivität reden, heißt das mit Blick auf die Energieversorgung beispielsweise, dass so viel erneuerbare Energie eingesetzt werden muss, wie irgend möglich. Das hieße nämlich, die „richtigen Dinge zu tun“ – und genau darum geht es bei der Effektivität. Analog hieße das Diktum in der Materialwirtschaft, je mehr abbaubare oder bio-basierte Materialien Verwendung finden, desto „richtiger“ ist das.

Der neuartige Ansatz bringt Effizienz und Effektivität also miteinander in Einklang und entwickelt sie weiter zur Ultraeffizienz. Damit steht nicht mehr nur die Produktion im Fokus der Betrachtung, sondern auch ihr Umfeld. Der gesamtheitliche Ansatz verfolgt das Ziel, auf technisch höchstem Niveau effizient und effektiv zu produzieren, dabei die Umweltbelastung zu minimieren oder zu vermeiden und die dabei zwangsweise auftretenden Zielkonflikte zu lösen. Was wird dabei konkret angestrebt? Zum Beispiel verschwendungsfrei zu produzieren, Synergien mit dem urbanen Umfeld herzustellen, Ressourcen ökonomisch, ökologisch und sozial einzusetzen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und über Bestehendes hinauszudenken.

Zur ganzheitlichen Verbesserung eines Systems ist interdisziplinäres Wissen gefragt. Es ist ein übergreifender Austausch zwischen angewandter Forschung und Unternehmen nötig. Innovative Unternehmen sind immer auf der Suche nach neuen Marktchancen. Mittelständische Unternehmen zeichnen sich durch Risikobereitschaft, Weitblick, Elan und Kreativität aus. Dennoch müssen innovationsfreund­liche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn Unternehmen benötigen eine Orientierung, wie sie den langen Weg der ultraeffizienten Produktion gehen können. Aus meiner Sicht sind deshalb Anlaufstellen von größter Wichtigkeit, in denen Unternehmen mit Forschungspartnern zusammenarbeiten und Lösungsansätze entwickeln können. Die zentralen Stichworte lauten Kompetenzzentren, Transferzentren, Leistungszentren oder ganz konkret „Centrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit Schwarzwald“, kurz: Campus Schwarzwald. Unsere Idee ist es, KMU Expertenwissen zur Verfügung zu stellen und einen einfachen Einstieg zu ermöglichen. Zusammen mit einem Forschungsinstitut können KMU Wissen und Erfahrungen sammeln und auf diese Weise innovative Ideen auf Basis des Ultraeffizienz-Konzepts entwickeln.

Jede Branche hat ihre eigenen Anforderungen und je eigene Technologien im Einsatz. Daher braucht es individuelle Beratung. Unternehmen müssen branchen- und unternehmensbezogen technologische, organisatorische und operative Kompetenzen aufbauen. Kompetenzzentren bündeln Know-how sowie vorhandene Forschungs- und Entwicklungsressourcen und wirken als Innovationstreiber und Transferschnittstelle zwischen den Partnern.

Unser Ziel lautet, die Kompetenzen der Unternehmen zu stärken, um auf diese Weise neues Wissen und interdisziplinäre Lösungen zu entwickeln. Für eine symbiotisch-verlustfreie Produktion in einem lebenswerten Umfeld.

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