Messtechnik & EMV Von Vorteil:verteilte Messknoten

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16.03.2015

Klassische Datenerfassungsysteme bauen auf einer zentralisierten Architektur auf, die für das Messsystem allerdings hohe Kosten und hohe Komplexität mit sich bringen kann. Verteilte Systeme stellen eine Alternative mit einigen Vorteilen dar. Welche das sind und was man beim Aufbau eines solchen verteilten Messsystems beachten sollte, ist hier zu lesen.

Als Folge ständig komplexerer Anwendungen lassen sich selbst entwickelte Ansätze zur Verdrahtung von Sensoren immer schwerer und nur mit deutlich höheren Kosten umsetzen. Die Kosten für das Verlegen von Sensorkabeln können häufig der größte Kostenpunkt bei der Einrichtung neuer Datenerfassungssysteme sein. Das ist vor allem der Fall, wenn neben den reinen Kapitalkosten auch die Personalkosten für die Verkabelung berücksichtigt werden. Ein alternativer Ansatz bei klassischen zentralisierten Datenerfassungssystemen besteht darin, die Datenerfassungsgeräte um die Anwendung zu verteilen und ein einziges, für Industrienetzwerke geeignetes Kabel für den Datentransfer zurück zum Server- oder Kontrollraum zu verlegen.

Zentral oder dezentral?

Klassische Datenerfassungssysteme nutzen eine zentralisierte Architektur mit großen Schaltschränken für die Messhardware und Rechner in einem zentralen Kontrollraum. Die Vorteile dieser Systeme: Sie befinden sich für gewöhnlich nicht in der rauen Testumgebung und sie lassen sich leichter warten. Allerdings können sie für das Messsystem auch überhöhte Kosten und zusätzliche Komplexität bedeuten.

Bei verteilten Systemen wird die Datenerfassungshardware um den Prüfling herum platziert, oft in der Testumgebung und so nah wie möglich an den Messsensoren. Sie interagieren lokal mit dem Prüfling. Von einem zentralen Server, dem Standort des Bedieners, erhalten sie Befehle und versenden Nachrichten oder Daten für die Protokollierung. Eine solche Architektur kann im Vergleich zu einem zentralisierten System Vorteile bieten. Wird das große zentralisierte System in verteilte kleinere Systeme aufgeteilt, entstehen wiederum kleinere, kostengünstigere Untersysteme, die sich bei Ausfällen leichter ersetzen und warten lassen. Die Kosten für Kabel lassen sich ebenfalls reduzieren, indem ein einziges Kommunikationskabel zu den verteilten Untersystemen verlegt wird. Diese Verringerung der Kabelmenge erhöht die Messgenauigkeit, da die kürzeren Sensorkabel zu den verteilten Systemen weniger anfällig gegenüber Rauschen, Störungen und Signalverlust sind.

Schließlich kann ein verteiltes System eine Verlagerung der Verarbeitung von einem Hauptzentralrechner unterstützen. Etliche verteilte Datenerfassungssysteme verfügen auch über integrierte dezentrale Intelligenz, die man für Analysen oder für das Reduzieren von Daten auf Schlüsselwerte einsetzen kann, bevor diese ins zentrale System hochgeladen werden. Das entlastet den Zentralrechner, wodurch zentrale Ressourcen für andere Aufgaben frei werden.

Bei der Auswahl von Datenerfassungshardware für ein verteiltes Messsystem sind bestimmte Voraussetzungen zu beachten. Dezentrale Signalkonditionierung und Datenerfassung sind allein aufgrund der Art des Systems erforderlich. Andere Merkmale, wie die Fähigkeit, Messungen an allen verteilten Knoten zu synchronisieren, Robustheit sowie integrierte Verarbeitung können entsprechend der Anwendungsanforderungen notwendig sein. Das für die Verteilung und Kommunikation mit den Knoten gewählte Netzwerk kann, je nach Anwendung und ihren jeweiligen Anforderungen, ebenso eine wichtige Entscheidung bedeuten.

Signalkonditionierung

In einem verteilten Messsystem befinden sich die Sensorsignalkonditionierung und die Datenerfassung innerhalb der Knoten nahe der Sensoren, mit denen die Messungen erfolgen. Die Signalkonditionierung kann außerhalb der Datenerfassungsgeräte erfolgen oder ein Teil von ihnen sein. Durch die Integration der Signalkonditionierung in die Datenerfassungsgeräte lassen sich Systemkomplexität und -kosten reduzieren. Der Erwerb integrierter Signalkonditionierung bedeutet, dass der Anbieter dem Anwender Integration, Tests und Zertifizierung abnimmt. Entwicklung und Einsatz des Testsystems sind so viel einfacher. Häufig werden auch die Gesamtsystemkosten durch Kauf von Komponenten mit integrierter Signalkonditionierung verringert, da Anbieter in einer viel wirtschaftlicheren Größenordnung produzieren können.

Robustheit

Verteilte Systeme befinden sich in der Regel in denselben Testumgebungen wie die Prüflinge, damit sie so nah wie möglich bei den Sensoren sind. Dadurch kann die Datenerfassungsausrüstung aber auch rauen und anspruchsvollen Bedingungen ausgesetzt sein, unter denen die übliche Desktopausstattung falsche Daten liefern oder komplett ausfallen würde. Wenn dafür gesorgt ist, dass die Signalkonditionierungs- und Datenerfassungsausstattung in der Testumgebung bestehen kann, trägt das dazu bei, gleich bei der ersten Messung genaue Daten zu erhalten. Kostspielige erneute Test werden dadurch überflüssig.

Zwar ist es möglich, Gehäuse für jedes beliebige Datenerfassungssystem zu erstellen, die diese Anforderungen an Robustheit erfüllen. Oft jedoch ist es günstiger, ein bereits geprüftes und zertifiziertes System zu kaufen, das diesen Bedingungen standhält. Bei der Entwicklung und Integration eigener, auf Robust-
heit ausgelegter Lösungen können sich die Kosten für Entwicklung, Material, Tests und Verträglichkeit schnell summieren. Hersteller können diese Kosten über Tausende von Einheiten amortisieren, also dieselben Vorteile zu einem geringeren Preis bieten.

Synchronisation

Einfach ausgedrückt bezeichnet Synchronisation das zeitliche Aufeinanderabstimmen von Vorgängen, was gewöhnlich über gemeinsame Takt- und Triggersignale geschieht. Sie wird häufig für große Messsysteme gefordert, damit Daten, die im Laufe eines Tests erfasst wurden, richtig in Beziehung gesetzt und analysiert werden können. Ohne angemessene Synchronisation lässt sich nicht feststellen, ob zwei Messungen simultan erfolgten oder auf welchen Stimulus, im Fall eines Stimulus-Antwort-Tests, eine Messung reagierte. Bei zentralisierten Messsystemen ist die Synchronisation relativ unkompliziert, weil sich die meisten Systeme im selben Chassis befinden. Ein verteiltes System bringt eigene Schwierigkeiten mit sich, die bei der Sychronisation von Systemen über manchmal große Entfernungen überwunden werden müssen. Für die Synchronisation bei verteilten Systemen bieten sich die folgenden drei Optionen an:

Softwaresynchronisation setzt auf Datenerfassungssoftware für das Senden eines Starttriggers an alle Geräte zur selben Zeit. Das ist die einfachste, aber auch ungenaueste Umsetzung von Synchronisation. Da kein Informationsaustausch zwischen verteilten Untersystemen stattfindet, kann es bei ihren internen Takten im Laufe der Zeit zu Abweichungen kommen. Dadurch verringert sich die Synchronisation im Verlauf der Messung.

Zeitbasierte Synchronisation stellt Systemkomponenten eine gemeinsame Referenz für die Zeit von einer bekannten Taktquelle zur Verfügung. Dann lassen sich Ereignisse, Trigger und Takte auf Basis dieser gemeinsamen Referenzzeit erzeugen. Für große Entfernungen lassen sich eine Reihe von Zeitreferenzen verwenden, etwa GPS, IEEE 1588 und IRIG-B, um Messungen überall auf der Welt mit absolutem Timing zu korrelieren und zu synchronisieren, ob mit oder ohne direkter Verbindung zwischen den Messsystemen. Diese Synchronisation wird zumeist eingesetzt, um keine oder nur wenig Kabel für die Synchronisation verlegen zu müssen. Stattdessen werden bestehende Netzwerkkabel genutzt oder drahtlose Synchronisationstakte wie GPS.

Signalbasierte Synchronisation verbindet Takte und Trigger zwischen Untersystemen physikalisch miteinander. Dies ermöglicht in der Regel die Synchronisation mit der höchsten Genauigkeit, macht aber auch Signalverbindungen erforderlich, die die Untersysteme zum Austausch der Synchronisationssignale miteinander verbinden. Hier kann es zu Laufzeitunterschieden und Unsicherheiten aufgrund von Routingverzögerungen auf der physikalischen Signalverbindung kommen.

Integrierte Intelligenz

Zwar sind sie für das Erstellen eines verteilten Systems nicht erforderlich, doch können Datenerfassungsknoten mit integrierter Intelligenz Vorteile für das System bieten. Durch die Verlagerung der Intelligenz in die Knoten können sie Datenanalysen verteilen und möglicherweise auch die Untersysteme steuern, sodass dies nicht mehr vom Zentralrechner übernommen werden muss. Verteilte Datenanalysen tragen dazu bei, die Datenmenge zu verringern, die über das Netzwerk an den Hauptrechner geschickt wird. Die unbearbeiteten gemessenen Signalverläufe müssen so nicht über das Netzwerk weitergegeben werden. Stattdessen kann die Analyse lokal erfolgen. Anschließend werden nur Ergebnisse an den Zentralrechner zur Speicherung oder Integration in größere Analyse- und Entscheidungsfindungsprozesse übergeben. Natürlich können auch weiterhin unbearbeitete Signalverläufe über das Netzwerk geschickt werden. Die integrierte Intelligenz kann in ihrer Komplexität und Flexibilität stark variieren. Je nach Hardware können unterschiedliche Hard- und Softwaretechnologien zum Einsatz kommen.

Hinsichtlich der Software ist Windows das bekannteste System. Da Microsoft weiterhin in sein Windows-Embedded-System investiert, gibt es nur wenige Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit, wenn es bei Messanwendungen eingesetzt wird. Echtzeitbetriebssysteme werden häufiger in verteilten Messsystemen eingesetzt, da sie eine hohe Zuverlässigkeit und hohen Determinismus bieten. Sie gewährleisten, dass Befehle und Messungen innerhalb bestimmter Zeitbeschränkungen ausgeführt werden.

FPGAs bieten bezüglich Flexibilität und Anpassbarkeit nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für verteilte Systeme. Diese Chips sind genauso flexibel wie Software, die auf einem Prozessor ausgeführt wird. Ihre Leistungsfähigkeit wird jedoch nicht von der Anzahl der verfügbaren Prozessorkerne eingeschränkt. Im Unterschied zu Prozessoren bieten FPGAs echte Parallelität, sodass verschiedene Verarbeitungsoperationen nicht auf die gleiche Ressource angewiesen sind. Da zudem der Programmcode in Hardware geschrieben ist, kann ein FPGA Daten viel schneller messen, analysieren und dann wieder ausgeben als ein prozessorbasiertes System.

Netzwerk

Das Netzwerk, mit dem das System verteilt wird, ist ebenso entscheidend wie die Hardware, die verteilt wird. Je nach Anforderungen an Entfernung, Datenbandbreite, Synchronisation und Determinismus stehen verschiedene Netzwerke zur Auswahl. Neben Kommunikationsnetzwerken, die auf seriellen Technologien basieren, existieren auch Ethernet-basierte Technologien, die mehr Vorteile bieten als die serielle Kommunikation. Die gängigsten Ethernet-basierten Netzwerke für verteilte Messsysteme sind: Ethernet (UDP), Ethernet (TCP/IP), OPC (OLE for Process Control), Modbus, Ethernet/IP, Profinet und EtherCAT.

Bildergalerie

  • Modularität ist Trumpf: das Mess-, Steuer- und Regelsystem NI-cRIO-9033 (im Vordergrund) und das Datenerfassungssystem NI-cDAQ-9134 (im Hintergrund)

    Modularität ist Trumpf: das Mess-, Steuer- und Regelsystem NI-cRIO-9033 (im Vordergrund) und das Datenerfassungssystem NI-cDAQ-9134 (im Hintergrund)

    Bild: National Instruments

  • Mit den Controllern der CompactDAQ- und Compact-
RIO-Plattformen lassen sich verteilte Messsysteme direkt vor Ort visualisieren, beispielsweise auch mit einem Touch-Bildschirm.

    Mit den Controllern der CompactDAQ- und Compact-
    RIO-Plattformen lassen sich verteilte Messsysteme direkt vor Ort visualisieren, beispielsweise auch mit einem Touch-Bildschirm.

    Bild: National Instruments

  • CompactDAQ-Chassis mit erweitertem Temperaturbereich ermöglichen Messungen auch in rauen Umgebungen.

    CompactDAQ-Chassis mit erweitertem Temperaturbereich ermöglichen Messungen auch in rauen Umgebungen.

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