Igor Stolz, Namur Wie automatisiert sind unsere Engineeringprozesse?

Seit Anfang des Jahres ist Igor Stolz Vorstandsmitglied der Namur. Weiterhin ist er VP Electrical & Process Control im Bereich Engineering der Evonik. Er studierte Elektrotechnik an der TU Berlin mit Auslandsstationen in Frankreich und den USA. Bei Evonik begleitete er zahlreiche meist internationale Investitionsprojekte und verbrachte viele Jahre in den USA und China.

Bild: Namur
10.11.2021

Prozessanlagen sind meist gut bis sehr gut automatisiert. Prozessleitsysteme, höhere Regelstrategien bis hin zur Real Time Optimierung, Feldbusse, Gateways – diese Welt ist gut vernetzt. Aber Hand aufs Herz: Wie sieht es in der Planung selbst aus?

Auch in der Planung nutzen wir bereits seit vielen Jahren datenbankgestützte CAE-Systeme für die Ausgestaltung der Automatisierungsfunktionen unserer Anlagen. Wie sieht es aber an den Schnittstellen aus? Wie bekomme ich die Verfahrensdaten in das Planungssystem hinein und wie die Planung weitergereicht an die nachgelagerten Systeme?

Namur bietet hier Hilfestellung und hat mit den Empfehlungen NE150, NE159 sowie dem MTP-Ansatz standardisierte Schnittstellen für diesen Datenaustausch definiert. Eine weit verbreitete Implementierung und Nutzung dieser Standards lassen aber noch auf sich warten. Aber nur so können wir unsere Engineeringabläufe effektiver gestalten und den bidirektionalen Datenaustausch zwischen Planungstool und Produktionssteuerung realisieren. Dies würde manuelle Datentransfers vermeiden, damit erheblich Engineering-Ressourcen sparen und Übertragungsfehler vermeiden.

Sehr deutlich wird dies am Beispiel des Beschaffungsprozesses. Die Anzahl der zu beschaffenden Equipments in einem mittelgroßen Investitionsprojekt geht schnell in die Tausende. Gerade haben wir noch schnell privat im Internet ein paar Dinge bestellt und die Auftragsbestätigung ließ nicht lange auf sich warten. Schon am nächsten Tag kommt die E-Mail mit dem Trackingcode für die Sendung und ich kann direkt mitverfolgen, wo sich meine Sendung gerade befindet.

Ich komme zurück auf die tausend Feldgeräte, die ich für mein aktuelles Projekt benötige. Viele Anrufe mit Kollegen im Einkauf und zahlreichen Lieferanten und etliche Emails später sind die Bestellungen auf den Weg gebracht. Welchen Weg die bestellten Equipments nehmen, ob ich alle pünktlich erhalten werde, ob sie genau dem entsprechen, was ich ursprünglich spezifiziert habe: Diese Fragen werden mich die nächsten Wochen und Monate immer wieder beschäftigen.

Aber es gibt auch hier Standards, die die aktuellen Abläufe verbessern helfen können. Mit der NE100 hatte die Namur schon im Jahr 2010 den Grundstein gelegt für einen Asset Life Cycle auf Basis eines einheitlichen Datenmodells. Die dort definierten Merkmalleisten sind mittlerweile Teil der ECLASS-Spezifikationen geworden und es gibt eine Entsprechung in der IEC 61987. Damit ist die Grundlage für einen Beschaffungsprozess ohne beziehungsweise mit weniger Medienbrüchen vorhanden.

Gelingt es nun auch, Gerätedaten und -parameter strukturiert und automatisiert in die Engineering- und Betreibertools zu übernehmen, ist ein großer Schritt auf dem Weg zur Industrie 4.0 getan. Es braucht also mehr kompatible Tools, das starke Bekenntnis von Anwendern und Lieferanten und konkrete Absprachen zum standardisierten Datenaustausch, um die weitere Verbreitung und einfachere Nutzung der vorhandenen Standards zu ermöglichen und damit deutliche Effizienzen im Engineeringprozess zu heben.

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