Lapp stellt seit über 60 Jahren zuverlässige Kabel, Leitungen sowie Steckverbinder und Schleppketten her. Jeden Tag entstehen bei dem Stuttgarter Unternehmen tausende km verschiedener Leitungstypen. Allein im größten Werk von Lapp in Forbach, Frankreich, werden jährlich 130.000 km Kabel produziert. Das Stuttgarter Kabelwerk konzentriert sich hauptsächlich auf Anschluss- und Steuerleitungen mit größerer Vielfalt und geringerem Volumen. Ceam in Italien spezialisiert sich auf Datenleitungen, während Lapp Muller in Frankreich sich auf das Projektgeschäft und Marineanwendungen konzentriert. Die beiden Produktionswerke in Indien produzieren hauptsächlich Datenleitungen und Infrastrukturkabel in großen Volumina und mit hoher Vielfalt. In Korea liegt der Fokus auf strahlenvernetzten Leitungen, während in den USA wiederum Anschluss- und Steuerleitungen im Mittelpunkt stehen.
Hochindividuelle Produktion
Aber wie genau kommen wir nun zum Endergebnis, einem beständigen und flexiblen Kabel? „Zuerst einmal werden die richtigen Rohstoffe für die zu fertigende Leitung ausgewählt“, erklärt Joachim Schmid, Geschäftsführer der Stuttgarter Kabelwerke. „Mit ihnen rüsten wir dann die Anlage.“ Je nach geplantem Endergebnis werden die vorgeschriebenen Parameter an den Maschinen eingestellt. Die Kabelproduktion ist hochindividuell – Kunststoffe können unterschiedlich auf Hitze, Kälte oder Luftfeuchtigkeit reagieren. Daher sind bereits bei diesem ersten Schritt Feingefühl und Know-how bei den Maschinen- und Anlagenbediener:innen essenziell.
Ebenso wichtig sind die Kupferlitzen. Kupfer ist ein hervorragender und beständiger Leiter. Die weiche Beschaffenheit macht es außerdem zu einem gut verarbeitbaren, widerstandsfähigen und dehnbaren Metall. Bevor die fertigen Litzentrommeln in Stuttgart eingeliefert werden, müssen zunächst Kupferblöcke über Zugmaschinen gezogen werden. Mit Diamantzieheisen werden die Blöcke in dünne Drähte geschliffen, die bei Lapp weiterverarbeitet werden können. Beim sogenannten Verlitzen können dabei verschiedene Litzenklassen definiert werden. Diese bedingen die Flexibilität des Kabels. In der Produktion in Forbach verfügt Lapp über einen eigenen Kupferzug. Das spart Kosten bei der Herstellung und sorgt dafür, dass auch dieser Fertigungsschritt den hohen Qualitätsstandards der Produkte entspricht.
Kunststoff für Isolation und Mantel
Der erste Produktionsschritt beginnt an den Aderlinien. Zunächst werden Kunststoff- und Farbgranulate sowie etwaige Zusatzstoffe, um den Kunststoff später beispielsweise vor Wärmeeinflüssen zu schützen, in Trichter gefüllt, danach übernimmt der Einschnecken-Extruder den nächsten Schritt. Im Innern des Extruders rotiert eine Plastifizierschnecke – man kann sich die Anlage ein wenig wie einen beheizten Fleischwolf vorstellen. Entlang dieser Schnecke werden die Granulate erst aus dem Trichter beigemengt und verdichtet, anschließend geschmolzen und in der dritten Phase zu einer homogenen Masse verarbeitet. Je nachdem, welche Kunststofftypen verwendet werden, können die Temperatur im Extruder bis zu 240° C, in manchen Fällen sogar 300 °C betragen.
Die homogenisierte Schmelze wird am Ende der Schnecke im Extruder hin zum Extruderkopf befördert. Dort läuft die Kupferlitze durch das passende Werkzeug und die Schmelze wird um diese herum ausgeformt. Nachdem die Litze ihre isolierende Kunststoffschicht erhält, kühlt sie in einem Wasserbad ab. Die heiße Isolation wird nun bis auf den Kern der Ader heruntergekühlt. Damit kann Lapp ausschließen, dass die Adern beim Aufwickeln auf die Eisenspulen miteinander verkleben. Bei Innen- und Außenmantelextrusion ist dieser Vorgang fast identisch.
Nach der Aderextrusion werden die einzelnen Adern in der Verseilerei zu einem flexiblen Aderbündel verseilt. Die einzelnen Adern werden an den Verseilmaschinen der Reihe nach Farbe oder nummerisch oder alphanummerisch eingesetzt. Wenn der:die Anlagenbediener:in die Verseilanlage nach dem Rüsten startet, führt diese die einzelnen Adern mit einer Drehbewegung automatisch zusammen, sodass eine Art Kordel entsteht. Das fertige Produkt wird im Fachjargon als Aderbündel, Verseilung oder Kabelseele bezeichnet. Seit kurzem verfügen die Stuttgarter Kabelwerke für diesen Produktionsschritt über einen neuen Rohrverseiler, der mit 50 m Länge der größte und auch modernste seiner Art ist. „Diese Anschaffung war notwendig, um unseren Output von mehr als 35.000 km an Kabeln pro Jahr gemäß unserer Strategie 2027 im Kabelwerk erreichen zu können. Mit ihm steigern wir unsere Kapazität enorm“, so Schmid.
Hohe Standards für alle Typen
Zu den zahlreichen Verbindungslösungen von Lapp gehören auch Kabel und Leitungen, die unterschiedlichen Bedingungen und Umgebungen genügen müssen. Servo- oder Steuerleitungen, die vor elektromagnetischen Einflüssen oder vor mechanischen Belastungen geschützt werden sollen, erhalten vor der Außenmantelisolation beispielsweise zusätzlich ein Geflecht. Nach Lapp Standard hat dieses Geflecht aus verzinntem Kupfer einen Bedeckungsgrad von 80 bis 85 Prozent. Bei Datenleitungen, die nur vor elektromagnetischen Einflüssen geschützt werden sollen, werden spezielle Folien eingesetzt. Damit das Geflecht die Kabelseele nicht verletzt, wird je nach Produkt ein Innenmantel zwischen der Seele und dem Geflecht ergänzt.
Zu guter Letzt bekommt das Kabel einen schützenden Außenmantel aus Kunststoff – dieser Vorgang läuft analog zur Aderisolation ab. Eine separate Vliesbewicklung, die unter dem Mantel liegt, verhindert, dass die Kabelseele mit dem Außenmantel zusammenklebt. Nun kann die Leitung bedruckt werden – dafür hat Lapp eine eigens festgelegte Drucklegende. Diese dient diversen rechtlichen und normativen Vorgaben. So gewährleistet sie beispielsweise die Rückverfolgbarkeit der Kabel und nennt diverse Spezifikationen, die für Elektriker: innen relevant sein können.
Hochspannungsprüfung bildet Abschluss
Im letzten Schritt des Fertigungsprozesses erfolgen Hochspannungsprüfungen in speziellen Faraday’schen Käfigen, wobei Ader-gegen-Ader oder Ader-gegen-Schirm getestet wird. Hierbei werden künstliche Kurzschlüsse mit bis zu 6.000 Volt an der Leitung simuliert, um deren elektrische Isolationsfähigkeit und Spannungsfestigkeit zu prüfen. Sobald die Leitung ihre Robustheit und Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hat, wird sie von der Eisentrommel auf Vollholz- oder Sperrholztrommeln umgespult und anschließend in die Logistiklager und Verteilzentren geliefert.
Schmid erklärt: „Die Produktionsreste werden dann gesondert gelagert. Die Kunststoffe kommen in den Kunststoffbehälter und die Kupferlitzen in die Kupferboxen.“ Kunststoffabfall und überschüssige Kupferlitzen können in der Kabelherstellung nicht mehr aufgeschmolzen und wiederverwendet werden. Um den hohen Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht zu werden, verkauft Lapp diese Produktionsabfälle, um sie recyceln und an anderer Stelle wieder einsetzen zu können.