Fluids im Flow Wie sich Ringpolymere bewegen

Ringpolymere zeigen unter Scherung unerwartete Bewegungsmuster.

Bild: Reyhaneh A. Farimani
04.04.2024

Es kommt auf die Verknüpfung an: Ein internationales Forschungsteam hat durch Berechnungsergebnisse das Verhalten von Ringpolymeren unter Scherkräften untersucht und festgestellt, dass Ringpolymere unter Scherung unerwartete Bewegungsmuster zeigen.

Ein internationales Forschungsteam erregt mit Berechnungsergebnissen über das Verhalten von Ringpolymeren unter Scherkräften die Aufmerksamkeit der Fachwelt: Reyhaneh Farimani von der Universität Wien und ihre Kollegen zeigten, dass für Ringpolymere die Art der Verknüpfung – chemisch gebunden versus mechanisch verknüpft – tiefgreifende Auswirkungen auf die dynamischen Eigenschaften unter kontinuierlicher Scherung hat. In diesen Fällen ergeben sich neue rheologische Muster.

Die Scherung von Flüssigkeiten – das heißt das Gleiten von Flüssigkeitsschichten übereinander unter Scherkräften – ist ein wichtiges Konzept in der Natur und in der Rheologie, der Wissenschaft, die das Fließverhalten von Materie, einschließlich Flüssigkeiten und weicher Feststoffe, untersucht. Scherkräfte sind seitliche Kräfte, die parallel zu einem Material wirken und eine Verformung oder ein Gleiten zwischen seinen Schichten bewirken. Scherexperimente an Flüssigkeiten ermöglichen die Charakterisierung wichtiger rheologischer Eigenschaften wie Viskosität (Widerstand gegen Verformung oder Fließen) und Thixotropie (Abnahme der Viskosität unter dem Einfluss von Scherung), was für Anwendungen von industriellen Prozessen bis hin zur Medizin wichtig ist.

In den letzten Jahren wurden bereits Studien über das Scherverhalten viskoelastischer Flüssigkeiten durchgeführt, die durch Einbringen von Polymeren in Newtonsche Flüssigkeiten entstehen. Ein neuer Ansatz in der aktuellen Forschung ist jedoch die Berücksichtigung der Polymertopologie – der räumlichen Anordnung und Struktur der Moleküle – durch die Verwendung von Ringpolymeren. Ringpolymere sind Makromoleküle, die aus sich wiederholenden Einheiten bestehen, die geschlossene Schleifen ohne freie Enden bilden.

Eine Frage der Verknüpfung

Erstautorin Farimani erklärt: „Für unsere Computersimulationsexperimente unter Scherung haben wir zwei ähnliche Arten von verbundenen Ringpaaren betrachtet: Eine, bei der die Verknüpfung chemisch ist, genannt Bonded Rings (BRs), und eine, bei der die Verknüpfung mechanisch über eine Hopf-Verknüpfung ist, genannt Polycatenane (PCs).“ Besonderer Wert legten die Forschenden auf die Berücksichtigung hydrodynamischer Wechselwirkungen durch geeignete Simulationstechniken, was sich als entscheidend erwies, da die entstehenden Muster durch ein empfindliches Zusammenspiel zwischen fluktuierender Hydrodynamik und Topologie bestimmt werden.

Die Ergebnisse waren überraschend: Zum einen war die Reaktion der beiden Komponenten, BRs und PCs, sehr unterschiedlich – und zum anderen unterschied sie sich deutlich von der verschiedener anderer Polymertypen wie linear, sternförmig oder verzweigt. Insbesondere ist das bei anderen Polymeren dominierende dynamische Muster unter Scherung („vorticity tumbling“, deutsch: „um die Wirbelachse Taumeln“) bei diesen topologisch modifizierten Polymeren entweder unterdrückt (BRs) oder praktisch nicht vorhanden (PCs).

Unerwartete Arten des Taumelns

„Was wir entdeckt haben“, sagt Christos Likos, Mitautor der Studie, „sind völlig unerwartete dynamische Muster in beiden Ringpolymer-Typen, die wir als Gradient-Tumbling und Slip-Tumbling bezeichnen.“ Aufgrund eines Zusammenspiels zwischen Hydrodynamik und Ringtopologie taumeln die BR-Moleküle um die Gradientenrichtung, die senkrecht zu den Wirbel- und Strömungsachsen verläuft. Die BRs befinden sich unter Scherung in einer kontinuierlichen Gradienten-Taumelbewegung. Im Gegensatz dazu werden PCs dünn, orientieren sich nahe an der Strömungsachse und behalten unter Scherung eine feste, gestreckte und nicht taumelnde Konformation bei. Stattdessen zeigen PCs aufgrund ihrer besonderen Form der mechanischen Verbindung eine intermittierende Dynamik mit gelegentlichem Austausch der beiden Ringe, während sie durcheinander gleiten, ein Muster, das die Autor*innen der Arbeit als Slip-Tumbling bezeichnen.

Diese unerwarteten Bewegungsmodi, die die Topologien der Polymerverbindungen eindeutig kennzeichnen, unterstreichen die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen Hydrodynamik und Polymerarchitektur: Die Forschenden fanden nämlich in ihren Simulationen heraus, dass die Unterschiede zwischen BRs und PCs verschwinden, wenn die Rückströmungseffekte künstlich ausgeschaltet werden. Diese dynamischen Modi wirken sich auch spürbar auf die mechanischen Eigenschaften der Lösung aus, da BRs interne Spannungen durch Taumeln freisetzen, während PCs Spannungen dauerhaft speichern, was im letzteren Fall zu einer viel höheren Viskosität führt.

Dies führt zu der Hypothese, dass die unterschiedlichen Taumelbewegungen und Strukturen von PC und BR die Scherviskosität – den Widerstand einer Flüssigkeit gegen das Fließen unter Scherung, der die innere Reibung und die Fähigkeit zur Verformung widerspiegelt – von hochkonzentrierten Lösungen oder Polymerschmelzen dieser Moleküle beeinflussen könnten. Weitere experimentelle und theoretische Studien sind erforderlich, um diese Hypothese zu überprüfen. Die aktuelle Studie wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation zwischen der Universität Wien, der Sharif University of Technology im Iran und der International School of Advanced Studies (SISSA) in Italien durchgeführt.

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