Seit Frühjahr 2023 sind Sie Chairman von PI. Worauf konzentrieren Sie Ihre Arbeit?
Seit den Anfängen von PROFIBUS begleite und unterstütze ich die Entwicklung der PI-Technologien, zuletzt als WG-Leiter und Mitglied im Beirat. Mein Fokus lag und liegt auf Profinet und Digitalisierung. Und daraus ergibt sich die Hauptaufgabe, wir wollen die Standardisierung und Zertifizierung unseres schlagkräftigen Technologieportfolios weiter vorantreiben. Dazu gehört, optimale Rahmenbedingungen für unsere vielen aktiven Arbeitsgruppen zu schaffen. Denn die wichtigste Basis für die Entwicklung und Verbreitung der PI-Technologien ist und bleibt die PI-Community. Sie bringt sich in allen Phasen des Entstehungsprozesses ein, definiert gemeinsame Standards und etabliert diese sehr erfolgreich am Markt. Deswegen ist die Pflege dieser Community für mich der Schlüssel, um weiterhin solides Wachstum und zukunftssichere Lösungen zu gewährleisten. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat außerdem gezeigt, dass sich viele Anwendungsfälle gut in Kooperationen mit anderen Organisationen lösen lassen. Daher werden wir auch in Zukunft mit unterschiedlichsten Organisationen und Gremien in bewährter Offenheit zusammenarbeiten.
Die Zahl der Arbeitsfelder, die auf der diesjährigen PI-Konferenz vorgestellt wurden, ist gewachsen. Was macht PI, um die Komplexität für den Anwender zu vereinfachen?
Wir bringen ja nicht neue Technologien auf dem Markt, weil sie machbar oder hip sind, sondern weil die Anwender einen bestimmten Use Case haben, für den sie eine Lösung brauchen. Hier haben wir bei PI eine bewährte Vorgehensweise, damit Lösungen entwickelt werden, die zum einen praxisnah sind und zum anderen verlässlich. Im Laufe des Entwicklungsprozesses werden zum Beispiel viele Gespräche mit Anwendern geführt. Immer wieder wird sich über Proof-of-Concepts bei Anwendern und Herstellern rückversichert, was eigentlich wichtig, nötig und auch umsetzbar ist. Derzeit wird zum Beispiel in verschiedenen Proof-of-Concept-Tests untersucht, wie das Zusammenspiel von Profinet und PROFIsafe mit 5G funktioniert. Dabei ist es hilfreich, nicht nur offen in Bezug auf technologische Schnittstellen zu bleiben, sondern auch über den unternehmenseigenen Tellerrand zu schauen und aktiv in Kooperationen und Gremien mitzuarbeiten. Um eine hohe Qualität zu erhalten, sind umfangreiche Testverfahren ebenso nötig, wie die anschließende Zertifizierung und die internationale Standardisierung.
Warum befinden sich so viele verschiedene Technologien unter dem Dach von PI?
Es wirkt nur auf den ersten Blick wie eine Holding, die Technologien verwaltet. Aber Sie haben recht, dass die Zahl der Technologien zugenommen hat. Dies liegt aber auch daran, dass sich die starren Strukturen in der Automatisierung auflösen und neue Use Cases mit neuen PI-Technologien lösen lassen. PI bietet hier ein gemeinsames Dach, um Technologien voranzutreiben, diese in die Praxis und in die internationale Standardisierung zu überführen. Dabei haben sich gemeinsame Prinzipien bewährt, etwa die Grundlagenarbeit in den Working Groups, die Offenheit und der hohe Qualitätsanspruch. Die Anwender, unabhängig von der Branche und davon, ob es sich um eine bewährte oder neue Technologie handelt, schätzen dieses Vorgehen sehr.
Wie funktioniert die Arbeit?
Der Beirat und die regionalen PI Associations (RPAs) stimmen die Strategie ab, die technische Zusammenarbeit wird innerhalb der PI-Organisation geregelt. Übergreifende Standards und Tests können einfacher erstellt werden, weil keine organisationsübergreifende Abstimmung, etwa bei Verträgen, notwendig ist. Auch für Endanwender wird es einfacher, da es nur einen Ansprechpartner gibt.
Und wie gelingt Ihnen die Durchgängigkeit bei den Technologien?
Unser Erfolgsrezept ist, dass wir uns auch um die Details kümmern, damit die Kommunikation vom Stecker bis zur Abbildung in der Cloud sicher funktioniert. Manche Anwender unterschätzen, dass hierfür auch das dazugehörige Ökosystem stimmen muss, wie etwa die internationale Standardisierung, die Qualitätssicherung, Richtlinien für den Aufbau sicherer Netzwerke oder der Umgang mit Security-Anforderungen.
Verhindert eine Standardisierung nicht den Fortschritt?
Auf den ersten Blick ist eine Standardisierung sehr zeit- und arbeitsaufwändig und eine lokale Lösung ist immer einfacher und schneller umzusetzen. Aber für die Durchsetzung einer Lösung am Markt, für die Verlässlichkeit und die langfristige Verfügbarkeit ist eine Standardisierung unumgänglich. Und im Endeffekt profitieren nicht nur Anwender sondern auch Hersteller davon.
Wie motivieren Sie die PI-Community?
Wie heißt es so schön, die Zukunft kann man am besten voraussagen, indem man sie selbst gestaltet. Und daher ist es von Vorteil, in den technischen Working Groups frühzeitig mitzuarbeiten, wenn man neue Standards setzen will und Trends mitbestimmen möchte. Allerdings gilt: In der Gemeinschaft werden tolle Lösungen entwickelt, aber die Kuchenstücke muss sich jeder selbst erkämpfen. Der Erfolg gibt uns recht, mittlerweile arbeiten über 600 Leute in den Working Groups, in den Testlaboren oder bei Plugfesten mit. Die PI-Community ist einfach eine tolle Gemeinschaft!