Energy 2.0: Herr Kampwirth, Schwarmintelligenz - das fasziniert die einen und lässt die anderen an einen Horrorfilm denken. Was hat es damit genau auf sich?
Ralph Kampwirth: Als wir uns Schwarmstrom als Begriff überlegt haben, haben wir natürlich nicht an Frank Schätzings Thriller „Der Schwarm“ gedacht. Die Idee ist, dass wir eine sehr alte Art der Energieproduktion nutzen, nämlich Blockheizkraftwerke. Diese laufen das ganze Jahr etwa 5000 bis 6000 Stunden durch und sorgen dafür, dass es im Gebäude warm ist. Der Strom, der dabei produziert wird, wird wahlweise im Haus genutzt oder blind ins Netz eingespeist, bedarfsunabhängig. Wir haben das einen Schritt weiterentwickelt: Lichtblick stellt Blockheizkraftwerke in Kellern von Gebäuden auf und daneben große Wärmespeicher. Die produzierte Wärme wird darin gespeichert und der Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Diese Anlagen sollen aber nicht 5000 oder 6000 Stunden im Jahr laufen, sondern 1000, 2000 oder 3000 Stunden. Diese Stunden verteilen wir dann so, dass der Strom immer dann produziert wird, wenn er im Netz gebraucht wird. „Schwarmstrom“ nennen wir das, weil wir von diesen kleinen Kraftwerken 100.000 vernetzen wollen, die eine Leistung von zwei Atomkraftwerken haben. Diese können wir binnen 60 Sekunden an- oder abfahren, wie einen intelligenten Schwarm, und damit die Lücken in der Stromerzeugung füllen.
100.000 dieser Zuhause-Kraftwerke wollen Sie in den nächsten Jahren installieren. Wie viele sind es denn bereits?
Natürlich wollen wir letztlich auf sehr große Stückzahlen kommen. Wir sind aber im Moment in der ersten Phase der Markteinführung. Wir haben angefangen in Hamburg, wo auch unser Unternehmenssitz ist, und haben bisher 450 Anlagen überwiegend dort laufen, aber auch schon in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen. Demnächst gehen wir nach Stuttgart, sodass wir das langsam aufbauen.
Und bis wann denken Sie, dass Sie die Hundertausend geschafft haben?
Das ist die Lieblingsfrage aller Journalisten an uns. Ich sage immer: Sobald wie möglich. Aber wenn man sieht, wie die Energiewende voranschreitet, dann werden wir sicherlich spätestens 2020 diesen Bedarf am Markt haben und bis dahin wollen wir auf jeden Fall schon einen ganz großen Schritt vorangekommen sein.
Sie wollen mit Schwarmstrom die schwankenden erneuerbaren Energien ausgleichen. Wie viele solcher Kraftwerke sind denn nötig, um einen spürbaren Effekt zu erzielen?
100.000 dieser Anlagen würden 2000 MW Stromleistung ergeben, das ist schon erheblich. Das Gute bei unseren Anlagen ist, dass sie dezentral sind, das heißt, dass man den Strom nicht mehr über weite Strecken von Nord nach Süd, von Ost nach West transportieren muss, sondern er da erzeugt wird, wo er verbraucht wird. Insgesamt braucht man natürlich erheblich mehr, um auf die Mengen zu kommen. Lichtblick war dabei Pionier im Markt. Inzwischen haben andere Unternehmen, wie Vattenfall, RWE und jetzt auch die Telekom, angekündigt, mit ähnlichen Projekten in den Markt zu gehen.
Ist denn ein Zuhause-Kraftwerk auch für Einfamilienhäuser sinnvoll? Mit einer Leistung von 20 kW ist es für einen Normalverbraucher doch etwas zu viel.
Nein, für ein Einfamilienhaus lohnt es sich nicht. Es geht los mit 300 m 2Grundfläche. Aber nochmal zurück zu den 20 kW elektrisch. Wir laufen ja nur 1500 bis 3000 Stunden im Jahr, das heißt wir erzeugen in weniger Zeit die gleiche Menge Energie, die man auch in einer kleineren Anlage erzeugen würde und sichern uns so die Flexibilität. Das ist ein völlig neues Konzept: Blockheizkraftwerke ganz anders eingesetzt, und deswegen haben wir diese relativ hohen Leistungen. Aber es bleibt dabei: Einfamilienhaus geht derzeit nicht. Wir überlegen aber mit Volkswagen eine Anlage zu entwickeln, die eine Nummer kleiner ist, wo man auch kleinere Wärmebedarfe absenken kann.
Wie kam es zu der Kooperation mit Volkswagen?
Der Kern eines Blockheizkraftwerks ist ein Motor. Und wenn man dann überlegt, wer kann Motor, wer kann Serie, dann bleiben einem natürlich nur noch die Autokonzerne übrig. Dann haben wir uns umgeschaut, und wie der Zufall so will, hatte VW völlig unabhängig von uns unter dem Motto der Diversifizierung schon angefangen BHKWs zu entwickeln. Dann haben wir uns zusammengesetzt. Und VW hat heute schon eine richtige Serienfertigung im Werk Salzgitter aufgebaut. Das ist sicherlich so einmalig in Deutschland.
Lichtblick steuert die Geräte mittels Ferndiagnose. Muss der Kunde denn dann Angst haben, dass ihm im Winter plötzlich die Heizung abgeschaltet wird?
Nein! Für den Kunden ist es eigentlich eine normale Gasheizung, mit dem Vorteil, dass er sich um nichts kümmern muss. Er vermietet Lichtblick seinen Keller, Lichtblick betreibt da das Zuhause-Kraftwerk und garantiert vertraglich eine hundertprozentige Wärmeversorgung. Wir steuern die Anlagen von Hamburg aus per Mobilfunk, egal ob sie in Berlin, Essen oder Stuttgart stehen. Dabei werfen wir die Anlage dann an, wenn der Strommarkt den Strom braucht, die Wärme geht in die Pufferspeicher und kann abgenommen werden. Aber wir schauen natürlich immer, dass die Speicher genug Energie vorhalten, sodass der Kunde es jederzeit wohlig warm hat.
Ihrem Ruf als Ökostromanbieter der ersten Stunde werden Sie mit den Zuhause-Kraftwerken aber nicht mehr gerecht, denn das Gas kommt ja nicht aus regenerativen Quellen.
Wir haben lange diskutiert, was denn eigentlich die Brücke ins erneuerbare Zeitalter sein soll. Atom ist es sicher nicht. Gas ist es. Warum? Weil Gaskraftwerke hocheffizient betrieben werden können. Unser Kraftwerk nutzt das eingesetzte Gas zu über 90 Prozent, wandelt es in Wärme und Strom. Sie haben kaum Verluste, das ist das Eine. Das zweite ist: Gas verbrennt mit dem halben CO 2-Ausstoß von Kohle. Ein normales, altes Kohlekraftwerk hat einen Wirkungsgrad von 30 Prozent, die neueren vielleicht 45 Prozent, selbst ein gutes großes Kraftwerk mit Wärmeauskopplung kommt nur auf 60 Prozent. Ein kleines Blockheizkraftwerk ist mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent deutlich besser und darum ist dieser Strom auch von den Umweltverbänden und von der Bundesregierung als Ökostrom anerkannt. Sie haben aber Recht, es ist kein Ökostrom im klassischen Sinne. Aber wir liefern mit Schwarmstrom saubere und innovative Energie, und darum können wir das wunderbar vertreten.
Das Gespräch führte Katrin Alber, Energy 2.0