Dr. Jochen Malinowski ist mit diesem Beitrag im E&E-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Elektronikwelt vertreten. Alle Beiträge des E&E-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.
Das Thema Agilität ist in aller Munde. Während im vergangenen Jahrzehnt der Fokus auf einer Agilisierung des Software-Entwickungsprozesses lag, haben viele Unternehmen erkannt, dass dies nur eine Seite der Medaille ist. Ist das Ziel eine schnellere und kostengünstigere Erstellung von Produkten oder Services, so ist agile Softwareentwicklung lediglich eine Basis.
Zuerst einmal muss klar definiert werden, wo das Problem liegt und was erreicht werden soll. Das klingt banal, ist aber – wie oft bei Hype-Themen – ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Agilität sollte niemals das Ziel an sich sein, sondern im Fokus sollte immer ein konkreter Geschäftszweck stehen (zum Beispiel eine Reduzierung der Time-to-Market für neue Produkte, individuellere Kundenlösungen in kürzeren Zyklen und so weiter).
Zum zweiten muss das Thema ganzheitlich betrachtet werden. Nicht nur der Software-Entwicklungsprozess, sondern auch Bereiche wie IT-Architektur, Technologien wie Cloud, aber auch Organisation, Betriebsmodell, Talent- und Skill-Management, Kultur, Führung, Budgetierung und weitere Bereiche gilt es zu betrachten. Eine agile Softwareentwicklung führt eben nicht notwendigerweise zu einer Verkürzung der Time-to-Market, etwa wenn die Systeme große Monolithen mit langwierigen Regressionstests sind. Gleichzeitig können ein traditioneller jährlicher Budgetierungsprozess oder stark getrennt operierende Fach- und IT-Abteilungen Hindernisse darstellen.
Empfehlungen für Geschäftsagilität
Auch erfordert Geschäftsagilität eine andere Unternehmenskultur und andere Bewertungsmodelle. Dies bedeutet für viele Unternehmen jedoch eine Abkehr von traditionellen Führungs- und Hierarchiemodellen.
Ein Beispiel: Studien zeigen, dass bis zu 80 Prozent der Unternehmen ihre gesetzten Kosten- und Effizienzziele durch Einführung von Cloud-Technologien nicht vollständig erreicht haben. Als Grund wird hier insbesondere der fehlende kulturelle und organisatorische Wandel genannt, der mit der technischen Umstellung Hand in Hand gehen muss.
Aus den Erfahrungen zahlreicher agiler Transformationsprojekte lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten: Das Thema Geschäftsagilität muss ganzheitlich betrachtet werden, sowohl notwendige Anpassungen an IT-Systemen und Architekturen als auch Änderungen an der Gesamtorganisation, dem Betriebsmodell, der Führungskultur und dem Talent-Management sind notwendig.
Weiterhin ist die Einführung einer produktbasierten Organisation mit gemeinsamen Teams aus Fach- und IT-Abteilung oft ein zielführender Ansatz. Hier bedarf es einer klaren Strategie. Änderungen an der IT-Architektur (Microservices, Decoupling) sowie der Einsatz von Technologien wie Cloud und Automatisierung sind zwingende Voraussetzungen. Und: Die damit einhergehenden Kulturänderungen in Bezug auf Skills, Prozesse, Verantwortung und Führung müssen Teil der Transformation sein.
Mit einer klaren Vision und klaren Leitlinien kann Unternehmensagilität ein wichtiger Baustein sein, um die Innovationskraft des Unternehmens nachhaltig und sicher zu stärken.