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11.10.2013

LNG-Schiffe aus Amerika werden für Wirbel auf dem Markt für petrochemische Produkte sorgen. Fleißig fördern die USA Shale Gas, und der Anlagenbau bekommt die Auswirkungen des Booms bereits zu spüren. Mit dem Erschließen eigener Vorkommen zaudert Europa noch. Die verarbeitende petrochemische Industrie bemüht sich, durch Kooperationen und Investitionen in die Infrastruktur wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch der Markt steht vor einer Konsolidierung.

In der Petrochemie herrscht Goldgräberstimmung - Schiefergas sei Dank. Das in Tonsteinen gespeicherte Erdgas eröffnet völlig neue Perspektiven und bringt zahlreiche Marktbeobachter dazu, einen Umbruch der gesamten Gas-Weltmärkte zu prognostizieren. Doch wie bei jedem Goldrausch muss ins Ausland gehen, wer sein Glück sucht. Denn in Deutschland ist die Stimmung verhalten, was den großen Hoffnungsträger angeht. Denn die Förderung von Schiefergas ist alles andere als trivial. Trotz sicherer Vorkommen im Norden der Republik wird daher in Deutschland noch verhandelt, während die Amerikaner sich zum Gas-Exporteur wandeln. Das bringt volle Auftragsbücher für viele - aber nicht für alle. Teils ist die Konjunktur infolge neuer Explorationen schon wieder vorbei, weiß Dr. Detlef Markmann, Unternehmenssprecher für Thyssen Krupp Uhde. So zum Beispiel, wenn es um Düngemittel geht, eines der bedeutendsten petrochemischen Produkte. „In den USA ist aufgrund stark gestiegener Bau- und Montagekosten allmählich ein Rückgang der Investitionen bei Düngemittelanlagen zu verzeichnen“, meint Markmann. Davon würden kurzfristig vor allem Länder mit günstigen Erdgasvorkommen profitieren, etwa in Nahost, denn sie erwarten Investitionen. Über Umwege kommen so auch deutsche Anlagenbauer und Technologielieferanten wie Uhde zum Zug. Der Konzern hat das sogenannte Zweidruck-Verfahren entwickelt, das eine im Vergleich zu übrigen Verfahren effizientere Produkion von Ammoniak ermöglicht. Erst kürzlich wurde das Verfahren von der Saudi Arabian Mining Company für eine neue Anlage am Arabischen Golf ausgewählt, die zur Fertigstellung in drei Jahren mit einer Tageskapazität von 3.300Tonnen zu den größten ihrer Art weltweit gehören soll.

Wachstum in Nordamerika

Durch technologische Fortschritte werden die Anlagen größer - auch in anderen Bereichen der Petrochemie. „Die Unternehmensgröße ist hier ein entscheidender Faktor, um bei der Auftragsvergabe punkten zu können“, erklärt Markmann. Das betreffe neben Ammoniak-Anlagen auch Ethylen-Cracker und Polyolefin-Anlagen. Im Bereich der Polyethylene und Polypropylene sei derzeit aber noch kein eindeutiger Trend hin zu Großprojekten erkennbar. Außerhalb der USA haben Schiefergas-Funde noch nicht so starke Auswirkungen nach sich gezogen. In Argentinien sieht Markmann einen stark regulierten Markt, der Investitionen wenig unterstützt. In China dagegen sei die geografische Lage bestimmend, die hohe Explorationskosten bedingt. In Mexiko wiederum sind die Gaspreise niedrig, was eine nur langsame Entwicklung der Gasindustrie bewirke. Einen signifikanten Markt erwartet der Uhde-Sprecher dort frühestens in fünf bis acht Jahren. „Auch in Polen ist der Zugang zu Schiefergas-Vorkommen schwierig und entsprechend mit hohen Kosten verbunden“, meint Markmann. „�?hnlich verhält es sich in Südafrika.“

Konsolidierung bei den Raffinerien

Betrachtet man den gesamten petrochemischen Markt, wird es zu Veränderungen kommen, da sind sich Marktbeobachter sicher. „Bei den Raffinerien wird es noch zu einer Konsolidierung kommen“, meint dazu Martin Karges, Geschäftsführer für Turnarounds und On-Site Services bei Voith. Der Geschäftsbereich Industrial Services profitiert von bislang stabilen und gewinnbringend wirtschaftenden Raffinerien in Europa, bleibt bei der Entwicklung in den USA aber bislang Beobachter. „Für einen aktiven Eintritt in den nordamerikanischen Markt fehlt uns der lokale Footprint“, erklärt Karges, und ergänzt: „Wir sind bislang vor allem in Europa breit aufgestellt.“ Die Auswirkungen der Shale-Gas-Förderung verfolgt er dennoch gespannt: „Durch neue Vorkommen und Methoden wird sich der Markt verändern - zumal die Preissituation sich dramatisch verändert hat.“ In der Alten Welt sind die Probleme zuweilen ganz andere. Die Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau des VDMA hatte schon bei der Vorstellung ihres Lageberichts 2012/2013 beklagt, die nachlassende Qualität der bundesdeutschen Verkehrsinfrastruktur stelle die Branche vor immer größere Herausforderungen. Denn der Großanlagenbau ist „in erheblichem Maße auf die Durchführung von Großraum- und Schwerguttransporten angewiesen“. In Deutschland seien aber viele Autobahnen und besonders Brücken marode oder aus Sicherheitsgründen abgelastet und damit auf Jahre hinweg nicht für Transporte nutzbar. Für Anlagenbauer heißt das: Umwege über Landstraßen, höhere Kosten und längere Projektdauer. Das trifft auch auf Anlagenbauer für den petrochemischen Markt zu. So beklagt die Mineraloelraffinerie Oberrhein den Ausfall der Rheinquerung, betont viele Kilometer Umweg und gefährdete Wettbewerbsfähigkeit. Ob die Branche sich in diesem Punkt nach der Bundestagswahl Hoffnungen auf politisches Entgegenkommen machen kann, bleibt vorerst abzuwarten. Forderungen der Industrie nach Nachbesserungen beim EEG stehen in der Wahrnehmung derzeit höher.

Kooperationen in Europa

Betreiber, deren Anlagen bereits gebaut sind, haben dagegen mehr Möglichkeiten, ihr infrastrukturelles Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Dass sie das auch tun, zeigt die jüngste Inbetriebnahme der Ethylen-Pipeline Süd. Eine beträchtliche Zahl von Unternehmen hat sich zusammengeschlossen, um die Versorgung mit der wichtigen Grundchemikalie sicherzustellen. Als Teil eines europäischen Ethylen-Netzes ermöglicht die 370Kilometer Pipeline zukünftig einen Transport zwischen Rotterdam, Köln, Frankfurt und Burghausen. Das Bayerische Chemiedreieck entkommt damit der Isolation - wichtig ist das vor allem in Zeiten von Bedarfsspitzen bei den Verbrauchern (BASF, Borelais, Clariant, Wacker und andere), nützlich ist es bei Überschüssen bei den Produzenten OMV, BASF und Lyondell Basell. „Wer Infrastruktur säht, wird Wachstum ernten“, prognostizierte Dr. Günter von Au, Vorsitzender der Bayerischen Chemieverbände und Mitglied des Verwaltungsrats der Clariant anlässlich der Inbetriebnahme. Ergänzen kann man mit Blick auf sich ändernde Weltmärkte, dass gerade europäische Teilnehmer am Petrochemie-Markt nur im Verbund weiter Erfolg haben werden. Denn der Preisdruck wächst: Wenn die USA sich zum Gas-Exporteur gewandelt haben und vermehrt LNG-Tanker die Weltmeere kreuzen, entsteht ein wirklich internationaler Gas-Markt, wo vorher noch einzelne Inseln unabhängig voneinander existierten konnten.

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