Das erste und gleichzeitig bekannteste Metallocen ist das „Ferrocen“, welches ein Eisenatom enthält. Heutzutage sind solche Sandwich-Komplexe aus vielen Bereichen der Chemie nicht mehr wegzudenken. Man findet sie in vielen Lehrbüchern der Anorganischen Chemie, und Chemiestudenten lernen sie schon im Bachelorstudium kennen. Eingesetzt werden Sandwich-Moleküle beispielsweise in den Materialwissenschaften zur Synthese besonderer metallhaltiger Kunststoffe sowie in Katalyseprozessen in der chemischen Industrie.
Heterobimetallische Dimetallocene entdeckt
Niemand weiß ganz genau, wie viele Sandwich-Moleküle es heutzutage gibt, aber es sind sicherlich tausende. Was sie fast alle gemeinsam haben: Ein einzelnes Metallatom zwischen den beiden flachen Ringen aus Kohlenstoffatomen. Das war der Stand des Wissens bis 2004. Dann erregte die Entdeckung einer Arbeitsgruppe an der Universität Sevilla großes Aufsehen. Den Wissenschaftlern aus Spanien war es gelungen, ein Sandwich-Molekül mit zwei statt nur einem Metallatom zu synthetisieren.
Lange Zeit blieb dieses sogenannte „Dimetallocen“, welches zwei Zinkatome besitzt, das einzige Beispiel seiner Art, bis es im Jahr 2023 einer Arbeitsgruppe aus Großbritannien gelang, ein ganz ähnliches Molekül mit zwei Berylliumatomen zu synthetisieren. Nun ist Inga Bischoff aus der Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. André Schäfer ein besonderes Kunststück gelungen: Die Chemikerin hat weltweit erstmalig ein Dimetallocen mit zwei unterschiedlichen Metallatomen im Labor hergestellt.
Metallisches Tandem
Schon kurz nach der Entdeckung des ersten Dimetallocens im Jahre 2004 wurden Vorhersagen gemacht, dass derartige Sandwich-Moleküle nicht notwendigerweise zwei identische Metallatome aufweisen müssen, sondern der Komplex auch mit zwei unterschiedlichen Metallatomen stabil sein müsste. Diese Vorhersagen stützten sich auf quantenchemische Berechnungen und Modellierungen mit leistungsstarken Computern. Jedoch blieben alle Versuche, ein solches Molekül im Labor zu erschaffen, bis zum jetzigen Durchbruch von Bischoff erfolglos.
„Es ist unglaublich spannend und aufregend, wenn man realisiert, was man da in den Händen hält! Für das bloße Auge sieht es einfach aus wie ein weißes Pulver. Aber ich kann mich noch genau erinnern, wie wir zum ersten Mal die experimentell bestimmte Molekülstruktur am Computer gesehen habe und wussten, dass es ein Sandwich-Molekül mit zwei unterschiedlichen Metallatomen ist“, erzählt Dr. Schäfer.
„Die Frage, wie genau die Ringe aus Kohlenstoffatomen auszusehen haben, spielt eine ebenso große Rolle wie die Frage, welche Metallatome man miteinander kombiniert und einbaut. Diese müssen nämlich in ihrer elektronischen Struktur zueinander passen”, erläutert Bischoff. „Wir haben in unserem ‚heterobimetallischen Dimetallocen‘ die beiden Metalle Lithium und Aluminium eingebaut. Es gab Berechnungen, die vorhersagten, dass sie in einem solchen Molekül gut zusammen passen würden, weil ihre elektronische Struktur in gewisser Weise der von zwei Zinkatomen ähnelt, von denen wir ja schon wussten, dass sie ein stabiles Dimetallocen-Molekül bilden können.“
Was einfach und simpel klingt, war jedoch die Arbeit vieler Monate. Das Molekül ist außerdem so reaktionsfreudig, dass man es nur unter einer reinen Stickstoff- oder Argonatmosphäre herstellen, lagern und untersuchen kann. Wenn es mit normaler Luft in Kontakt kommt, zerfällt es. An den Untersuchungen der Eigenschaften dieses neuen Moleküls war letztlich ein ganzes Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes beteiligt. Sie publizierten ihre Entdeckung jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Chemistry.
Neue Klasse von Sandwich-Komplexe
„Unser heterobimetallisches Dimetallocen stellt quasi eine völlig neue Klasse von Sandwich-Molekülen dar”, erläutert Dr. Schäfer. „Vielleicht schafft es das Molekül irgendwann mal in ein Lehrbuch. Erstmal müssen wir es aber noch weiter erforschen. Aktuell verstehen wir seine Struktur schon ganz gut, über die Reaktivität wissen wir aber noch recht wenig. In Zukunft könnte es auch möglich sein, weitere solcher Dimetallocen-Moleküle mit anderen Metallatomen zu synthetisieren, wenn wir weitere passende Kombinationen von Metallen finden.“
Die enorme Bedeutung dieser Molekülklasse erkennt man auch daran, dass der deutsche Chemiker Ernst Otto Fischer gemeinsam mit seinem britischen Kollegen Geoffrey Wilkinson 1973 den Nobelpreis für Chemie für „bahnbrechenden, unabhängig voneinander durchgeführten Arbeiten über die Chemie der organometallischen Sandwich-Verbindungen“ erhielten.