Nachhaltigkeit ist längst kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen weltweit stehen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle klimafreundlicher zu gestalten und ihren CO2e-Fußabdruck zu minimieren. Hier kommt Wasserstoff ins Spiel: Er verspricht, die Industrie zu dekarbonisieren, erneuerbare Energien effizienter zu nutzen und sogar den Verkehrssektor revolutionieren zu können. Ist Wasserstoff die Lösung, auf die wir gewartet haben, oder nur ein weiterer Hype?
Insbesondere in Branchen wie der Chemie-, Stahl- und Zementindustrie, die große Mengen an CO2 emittieren, wird dringend nach alternativen Energiequellen gesucht. Ein zentraler erster Schritt in diesem Prozess ist die Erstellung eines CO2e-Fußabdrucks oder einer Treibhausgasbilanz, die nicht nur CO2, sondern auch andere klimaschädliche Gase wie Methan und Lachgas berücksichtigt. Diese Bilanzierung erfolgt in verschiedenen Scopes: Scope 1 umfasst direkte Emissionen aus eigenen Prozessen, Scope 2 betrifft indirekte Emissionen durch den Einkauf von Energie, und Scope 3 umfasst alle vor- und nachgelagerten Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich Lieferanten und Kunden. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien, wie zum Beispiel Solar- oder Windenergie, kann der CO2e-Fußabdruck eines Unternehmens deutlich reduziert werden. Doch das reicht oft nicht aus. Und genau hier liegt das Potenzial von Wasserstoff.
Erste Projekte und Unternehmen zeigen, dass sich dieses Potenzial in der Praxis nutzen lässt: Ein Beispiel ist die Firma Hörmann, Hersteller von Türen und Toren. An ihrem Standort in Thüringen erzeugt sie Wasserstoff durch die Elektrolyse von Wasser mit Hilfe einer Photovoltaikanlage. Dieser grüne – da mit erneuerbaren Energien gewonnene – Wasserstoff wird dann in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Erzeugung von Wärme und Strom genutzt. Das Projekt hat ein Investitionsvolumen von 2 Millionen Euro und konnte mit dem Modul 4 der Bundeförderung Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) gefördert werden . Es wurde innerhalb eines Jahres realisiert und zeigt, wie mittelständische Unternehmen vom Wasserstoff profitieren können. Vielversprechend ist aber auch der Einsatz in der Schwerindustrie. Die schwedische Firma Hybrit hat ein Pionierprojekt gestartet und setzt bei der Stahlproduktion Wasserstoff statt Koks ein. Damit könnte Schweden seine CO2-Emissionen um 10 Prozent senken. Ein kleiner Schritt mit großer Wirkung!
Obwohl Wasserstoff als potenziell wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung betrachtet wird, zögern einige Unternehmen noch, ihn zu nutzen. Wasserstoff ist leicht und diffusionsfreudig, was spezielle Materialien und Techniken für seine Lagerung und seinen Transport erfordert. Zudem wird der Großteil des Wasserstoffs, der sogenannte graue Wasserstoff, derzeit aus Erdgas gewonnen – und ist damit alles andere als klimafreundlich. Um wirklich klimaneutral zu sein, muss Wasserstoff mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energiequellen durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden, was jedoch derzeit noch teuer ist.
Die Welt retten kann man mit dem Einsatz von Wasserstoff sicher nicht. Wie er in Zukunft genutzt werden kann, hängt zudem stark von den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Förderungen und Investitionen sind dafür zwingend erforderlich. Darüber hinaus müssen klare Standards und Zertifizierungen etabliert werden, um die Herkunft des Wasserstoffs nachvollziehen und seine Klimafreundlichkeit garantieren zu können.
Sollen Unternehmen schon heute auf Wasserstoff setzen? Wasserstoff sollte nicht als kurzfristiger Trend, sondern vielmehr als langfristige Zukunftsinvestition angesehen werden. Denn die Einführung von Wasserstofftechnologien kann ein wichtiger Baustein in der Gesamtstrategie zur Reduktion von Treibhausgasemissionen sein. Allerdings muss jedes Unternehmen individuell prüfen, ob und wie der Einsatz von Wasserstoff sinnvoll ist. Dabei kann eine Machbarkeitsstudie inklusive CO2-Bilanzierung des Unternehmens, wie sie das BFE Institut für Energie und Umwelt mit seinen Industriekunden umsetzt, wertvolle Ansatzpunkte liefern.
Insgesamt zeigt sich, dass Wasserstoff ein enormes Potenzial hat, zur Dekarbonisierung der Industrie beizutragen. Von der chemischen Industrie über die Stahlproduktion bis hin zu Energieversorgungslösungen hat der Wasserstoff vielfältige Einsatzmöglichkeiten und könnte in Zukunft eine zentrale Rolle in einem nachhaltigen Energiesystem spielen. Wie wird sich die Technologie weiterentwickeln? Welche neuen Anwendungsfelder werden sich eröffnen? Die Zukunft ist noch nicht abzusehen. Sicher ist aber: Wasserstoff ist eine vielversprechende Lösung auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft.