Seit einigen Jahren ist unsere Energieversorgung in einem Prozess der Evolution. Das zunehmende Anbinden dezentraler, meist regenerativer Energieerzeugungsanlagen in die Stromnetze eröffnet ein hohes Potenzial für den Umweltschutz und die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Es birgt jedoch auch Gefahren für die Versorgungssicherheit, denn die zusätzliche dezentrale Einspeisung führt immer häufiger zur Umkehrung der Lastflussrichtung und zu kritischen Netzzuständen durch unzulässige Spannungsanhebungen. Heutigen Energienetze sind noch immer auf eine einseitige Einspeisung von wenigen Großkraftwerken zu vielen Verbrauchern ausgelegt und können die Einspeisung „von unten“ nur begrenzt aufnehmen. Besonders Photovoltaik-Anlagen (PV) verursachen an sonnigen Tagen einen starken Anstieg der Stromproduktion, auf den die Netze nicht vorbereitet sind. Andererseits kann es bei geringer Einspeisung und falscher Netzeinstellung Spannungsunterschreitungen und Stromausfällen geben.
Häufig spricht man in diesem Zusammenhang davon, die Stromnetze in der Bundesrepublik auszubauen, damit sie unter anderem mehr Strom aufnehmen können. Klassischerweise bedeutet dies, neue Freileitungen oder Kabeltrassen zu bauen. Da kritische Netzzustände wie Erzeugungsspitzen sehr kurzfristig auftreten, erweist sich diese Option als unverhältnismäßig teuer und aufwendig. Der Netzausbau, insbesondere der Bau von Hochspannungsstrecken zwischen Nord und Süd, ist sicher eine notwendige Maßnahme in Deutschland. Zumindest im Bereich der Verteilnetze (regionale Netze) stellt sich jedoch oft die Frage, ob durch intelligente Steuerung des bestehenden Netzes der selbe Effekt sehr viel kostengünstiger erreicht werden kann. Als sinnvolle erweist sich der Aufbau intelligenter Stromnetze, die jederzeit wissen, wie viel Strom erzeugt und verbraucht wird, um auf Erzeugungs- und dadurch hervorgerufene Spannungsschwankungen schnell reagieren zu und sie durch optimierte Netzeinstellungen ausgleichen zu können.
Dies lässt sich bewerkstelligen, indem man die vorhandenen Mittel- und Niederspannungsnetze dafür mit Sensoren und Kommunikationstechnik ausstattet. Dazu gehören insbesondere Messtechnik an kritischen Netzausläufern, zur Blindleistungsregelung fähige Wechselrichter sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). IKT ist der Schlüssel, um aus einem Energienetz ein „intelligentes“ Netz - ein Smart Grid - zu machen. Sie ermöglicht den Datenaustausch und so die Übertragung von Mess- und Steuerdaten. Erst IKT macht die permanente Überwachung und Echtzeitsteuerung der Mittel- und Niederspannungsnetze möglich und sorgt dafür, dass kritische Netzzustände nicht auftreten. So kann der Energieversorger, dem das Smart Grid gehört, Über- oder Unterspannungen detektieren sobald diese auftreten und adäquat reagieren, um etwa Blackouts zu verhindern - soweit die Theorie.
Das Projekt NetzQ
Im Projekt NetzQ in Fürth, das vom Bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wird, wurde ein Smart Grid aufgebaut und getestet, um zu untersuchen, ob sich der herkömmliche Netzausbau minimieren lässt. Fünf Partner - Unternehmen und Hochschulen - erprobten mit neuester Technik, inwieweit sich die Netzaufnahmefähigkeit und Spannungsqualität mit Blindleistungsbereitstellung in Echtzeit verbessern lässt. Das Projekt setzt gezielt und effizient auf im Netz verteilte Installationen, um dessen zusätzlichen Ausbau zu minimieren. Erreicht wird dies durch den Einsatz von verteilter Messtechnik, einer intelligenten Ansteuerung von Leistungselektronik und IKT zur Netzregelung. Im Testnetz war die Einspeiseleistung der angeschlossenen PV-Anlagen von Anfang an höher als die mittlere Netzlast, sodass an sonnigen Tagen regelmäßig in das übergelagerte Mittelspannungsnetz zurückgespeist wurde. Die Projektergebnisse beschränken sich aber nicht nur auf PV-Anlagen: Bei den dezentralen Installationen kann es sich um verschiedene Energieerzeuger handeln und es besteht die Möglichkeit der späteren Einbindung weiterer Netzdienstleistungen wie intelligenter Ortsnetzstationen und intelligent gesteuerter Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Für die Partner war die Datenübertragung in Echtzeit eine notwendige Bedingung, da nur so rechtzeitig die Grenzwerte in der Netzspannung identifiziert und die nötigen Regelungsmaßnahmen, vor allem die Blindleistungskompensation, ergriffen werden können. Zunächst wurden die mess- und regelungstechnisch relevanten Stationen mit GPRS-Routern ausgestattet, um frühzeitig eine Kommunikation untereinander zu ermöglichen. Für eine Performanz-Steigerung bis zur Echtzeit-Kommunikation erfolgte später die Umrüstung auf die BPL-Technik (Breitband-Powerline) von Power Plus Communications. Sie nutzt vorhandene Stromkabel zur breitbandigen Echtzeit-Datenübertragung und ist überall im Netz verfügbar, wo eine Kommunikationsanbindung gebraucht wird.
Im Projekt wurde Nieder- und Mittelspannungs-BPL eingesetzt. Neben vier Ortsnetzstationen, die über die 20-kV-Kabel datentechnisch verbunden wurden, umfasst das Gebiet zwei BPL-Niederspannungszellen mit allen Geräten und Verbindungen für die kommunikative Anbindung der PV-Anlagen auf der Niederspannungsebene. Die im Niederspannungsnetz (230V/ 400V) eingebauten Powerline-Geräte bilden eine vermaschte Kommunikationsinfrastruktur, die durch die typischen Redundanzen auch bei plötzlichen �?nderungen der Netzcharakteristiken datenübertragungsfähig bleiben. Die Bandbreite und die Nutzung des weltweiten Standardprotokolls TCP/IP ermöglichen zudem eine Echtzeit-Netzüberwachung und das Netz bleibt erweiterbar für zusätzliche Anwendungen wie intelligente Zählerfernauslesung (Smart Metering) oder El-Mobilität.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Das Projekt zeigt: Der Netzausbau in Deutschland lässt sich durch den Einsatz entsprechender Technik minimieren. Die im Feldtest eingesetzte Technik bestand hauptsächlich aus Messgeräten, regelungsfähigen Wechselrichtern und performanter IKT in Form von BPL zur Datenübertragung, die im Projekt die Zuverlässigkeit und Qualität der Niederspannungsnetze erhöhte. Die gewährleistete Spannungsstabilität ermöglicht zugleich eine höhere Anbindung dezentraler volatiler Energieerzeugungsanlagen als vorher. Da keine zusätzlichen Leitungen gelegt werden mussten und die Kommunikationsinfrastruktur auf bestehende Netze aufgebaut wurde, bleiben die Ausbaukosten minimal. Die Ergebnisse zeigen, dass BPL-Technik für die Kommunikation im künftigen Smart-Grid-Umfeld geeignet ist. Die Kombination mit Regelungstechnik unter anderem zur Blindleistungsbereitstellung kann dazu beitragen, die Energienetze intelligent zu machen und den Netzausbau in Deutschland zu reduzieren.