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Dr. Oliver Vietze, Baumer Die Digitalisierung beginnt beim Sensor

Dr. Oliver Vietze führt als CEO und Chairman in zweiter Generation die Sensorspezialistin Baumer Group. Das internationale Familienunternehmen gehört mit 2700 Mitarbeitern in 19 Ländern zu den Pionieren und Innovationstreibern auf dem Gebiet der Sensorik für die Fabrik- und Prozessautomation.

Bild: Baumer
10.11.2021

Ohne die präzise Abbildung der Maschinenrealität lässt sich keine Smart Factory aufbauen. Vernetzte intelligente Sensoren bieten enorme Möglichkeiten. Die steigende Komplexität ist aber auch eine Herausforderung und verlangt eine neue Art der Zusammenarbeit der Partner über den ganzen 
Wertschöpfungsprozess.

Das Gedankengut von Industrie 4.0 und Smart Factories basiert unter anderem darauf, Geräte, Maschinen und Anlagen und selbst das zu produzierende Gut miteinander zu vernetzen. Es gilt viele Daten zu sammeln, diese zu Information zu verdichten und dann sinnvoll zu nutzen. Die Bedeutung von Sensoren als Daten- und Informationslieferant der Maschinenrealität nimmt dabei massiv zu – sie sind geradezu ein Schlüssel dazu.

Die Miniaturisierung von Mikroprozessoren schafft immer höhere Leistungsfähigkeit. Wir Sensorhersteller können nun auch kleinste Sensoren „smart“ machen. IO-Link ermöglicht die bidirektionale Kommunikation bis in die unterste Feldebene. Sensoren können für unterschiedliche Messaufgaben flexibel und online parametriert werden. Daten und Informationen von ganz „unten“ werden kostengünstig nutzbar. Moderne „Connected Smart Sensoren“ haben ein enormes Chancenpotential für die wirtschaftlich abbildbare Optimierung von Produktionsequipment bezüglich OEE, TCO und Flexibilität.

Aber nicht alles, was nun technisch möglich wird, macht auch kommerziell Sinn. Mit zusätzlichen Daten einen wirklichen Kundenutzen zu erreichen, ist nicht immer einfach und kostet erst mal Geld. Viele Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema intensiv, aber noch selten kann ein vernünftiger ROI realisiert werden. Wie lange können wir uns das leisten?

Was macht das Thema Digitalisierung in der industriellen Produktion so schwierig? Im Gegensatz zum Consumer Markt mit Millionen von Nutzern mit ähnlichen Anforderungen, ist in der Industrie jede Applikation, jede Maschine, jeder Sensormesspunkt anders. Den millionenfach produzierten universellen Smart Sensor, den man wie ein Smartphone im Webshop kaufen kann und dann mit einer geeigneten App alle Sensoraufgaben einfach löst, wird es auch in Zukunft nicht geben.

In der Industrie gilt es Vieles zu berücksichtigen: unterschiedlichste Messphysik am Frontend, Echtzeitanforderungen zum Steuern und Regeln, präzise und zuverlässige gut/schlecht Aussagen, die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen – im Maschinenumfeld oft gesetzlich vorgegeben.

Weiter gibt es eine Vielzahl von Steuerungen, Schnittstellen und Protokollen. Altbestandsanlagen müssen aktualisiert werden und neues Equipment sollte eine lange Nutzungsdauer haben. Die industrielle Automation braucht sehr viel unterschiedliches Domänenwissen. Und die Komplexität steigt weiter und schneller. Die Features von Smarten Sensoren lassen sich nicht mehr in einem einfachen Datenblatt beschreiben.

Wir müssen unsere Stärke der Vergangenheit – die Innovationsgeschwindigkeit – gerade bei der Digitalisierung wieder stärken. Wir können nur schneller werden, wenn wir partnerschaftliche, unkomplizierte Zusammenarbeit wieder lernen. Echte Innovation entsteht nur, wenn wir das Wissen über die technischen Möglichkeiten moderner Sensoren als Daten- und Informationslieferant mit dem Applikationswissen über die zu realisierenden Produktionsprozesse zusammenführen. Die Kernfrage über den wirklichen Nutzwert von Daten und Informationen muss frühzeitig zusammen mit dem Endanwender geklärt werden. Alle Partner der Wertschöpfungskette müssen im Innovationsprozess zusammenarbeiten, unkompliziert und offen. Es gilt zu Experimentieren – mutig zu sein.

Ohne ein Umdenken bleibt die Vision der wettbewerbsfähigen Smart Factory eine Illusion.

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