Wenn jede Sekunde zählt Embedded-KI findet Fehler frühzeitig

Damit ein menschlicher Hörer Fehler im Geräuschmuster beispielsweise eines Motors erkennen kann, ist meist langjährige Erfahrung notwendig. Dieses Erfahrungswissen droht durch den demographischen Wandel zunehmend zu verschwinden.

Bild: iStock, Xavier Arnau
16.10.2024

Zeit ist Geld und zu spät erkannte Fehler bei der EOL-Prüfung (End of Line Testing) können teuer werden. Ein PKW-Motor, dessen Fehlerhaftigkeit erst nach dem Einbau in das Fahrzeug erkannt wird, verursacht leicht Kosten in Höhe von fünf- bis zehntausend Euro für Ausbau, Reparatur und daraus resultierende Lieferverzögerungen. Mit dem Einsatz einer Embedded-KI-Ultraschallsensorik können Hersteller deutlich mehr Fehler frühzeitig erkennen und diese beheben.

Beim EOL-Testing von Teilkomponenten in der Automobilindustrie werden verschiedene Tests durchgeführt, um zu verhindern, dass eine fehlerhafte Komponente ins Fahrzeug eingebaut wird. Geprüft wird beispielsweise auf Produktionsfehler, Vollständigkeit und fester Sitz von Verschraubungen, richtige Einstellung von Ketten, Zahnrädern und Dichtungen und vieles mehr.

„Fällt der Fehler erst nach dem Einbau – oder noch schlimmer: beim Kunden – auf, entstehen hohe Kosten, die es zu vermeiden gilt. So geht man davon aus, dass der Ausbau eines PKW-Motors einen Zeitaufwand von 460 Minuten bedeutet, Sach- und Folgekosten (zum Beispiel durch eine entstehende Lieferverzögerung) hinzugerechnet, kann sich der Gesamtaufwand schnell auf einige Tausend Euro summieren“, geht Viacheslav Gromov, Geschäftsführer vom KI-Spezialisten AITAD ins Detail.

Klassische EOL-Testverfahren nutzen bei Kalt- (extern bewegt), Heiß- (selbst bewegend) und Leistungstests bereits Sensorik, beispielsweise Temperatur-, Winkel-, Vibrations- und Drucksensoren, um Abweichungen vom Idealzustand der jeweiligen Komponente zu erkennen. Auch Akustiksensoren kommen zum Einsatz, in deren Daten nach abweichenden Spektrum-Wichtungen gesucht wird. Am Ende, spätestens nach Montage ins Endprodukt, steht dann oft ein Mensch, der Fehler der Komponente im Testbetrieb „hört“, also an bestimmten Geräuschmustern erkennt, ob das Bauteil in Ordnung oder nicht ist. Trotz dieser Maßnahmen kommt es immer wieder dazu, dass Fehlteile unerkannt bleiben oder viel zu spät entdeckt werden.

Damit ein menschlicher Hörer Fehler im Geräuschmuster beispielsweise eines Motors erkennen kann, ist meist langjährige Erfahrung notwendig. Dieses Erfahrungswissen droht durch den demographischen Wandel zunehmend zu verschwinden. Ein Szenario, das durch den Mangel an Fachkräften noch verstärkt wird. Der Druck, neue, präzisere und vergleichbare Lösungen für das EOL-Teile-Testing zu finden, ist also aus personellen und auch finanziellen Gründen hoch.

Daten auswerten und Fehler frühzeitig erkennen

Hier kommt die Entwicklung von Embedded-KI Sensoren ins Spiel. Solche Sensoren nutzen KI, um Sensordaten auszuwerten. Da sich KI und Sensor miteinander verschmolzen auf einer Platine befinden, können die Daten nicht nur in Echtzeit (was bei den zum Teil sekundenschnellen Prüfzyklen von großem Vorteil ist), sondern auch viel tiefer ausgewertet werden.

So entstehen beispielsweise an einem Ultraschallsensor, der mit Hunderten Kilohertz Samplingrate und einer vertikalen Auflösung von beispielsweise 32 Bit Signale erfasst, schon ab geringer Anzahl mehrere Terabyte an Rohdaten pro Tag – eine Datenmenge, die über herkömmliche Netzwerkverbindungen nicht praktikabel übertragen werden könnte und was auch in der Werkinfrastruktur und -taktung immer eine größere Herausforderung darstellt.

Embedded-KI aber kann sich die Sensorrohdaten Byte für Byte „ansehen“ und so Dinge sichtbar machen, die vorher unsichtbar waren. Nach der Auswertung werden die Daten gelöscht, das Embedded-KI-Modul gibt nur noch die aus ihnen gewonnenen Informationen weiter. Das macht diese Systeme zusätzlich sicher vor Datenmanipulation oder -raub der sensiblen Produktions-Knowhow-Daten.

Embedded-KI im EOL-Testing

Die besonderen Fähigkeiten der Embedded-KI können für das EOL-Testing verwendet werden und versprechen eine viel höhere Fehlererkennungsrate, als dies mit den herkömmlichen EOL-Testständen mit ausschließlich „klassischer“ Sensorik oder Akustik erreichbar wäre. Dazu müssen die Teststrecken nicht ersetzt, sondern können mit Embedded-KI-Modulen kostengünstig nachgerüstet werden.

„Im oben skizzierten Fall bietet sich eine hochauflösende Ultraschallsensorik-Lösung an, um frühzeitig Fehler zu erkennen und die durch Fehlteile verursachten Kosten möglichst niedrig zu halten. Da es sich um eine datengetriebene Entwicklung handelt, sind verschiedene Entwicklungsschritte erforderlich, bis ein funktionsfähiges „EOL-Frühwarnsystem“ zum Einsatz kommen kann“, so Gromov weiter.

Dazu müssen zunächst an den verschiedenen Test-Stationen mit Hilfe einer mit verschiedenen Sensortypen bestückten Akquise-Hardware Daten gesammelt, mit den auf herkömmlichem Wege gefundenen Fehlern korreliert und in eine Datenbank übertragen werden. Die Datascience untersucht diese Daten und entwickelt auf dieser Basis ein ML-Modell (Machine Learning Modell), das im ersten Schritt auf Anomalieerkennung trainiert, später aber durch Klassifizierung auch viel feiner (Fehlerart und Lokalisation) eingestellt werden kann. Parallel dazu läuft die Weiterentwicklung der endgültigen Sensorhardware, auf die das KI-Modell aufgespielt wird.

Systeme mit hoher Erkennungsquote

Die Fehlererkennungsquote eines solchen Systems ist hoch, denn die KI analysiert komplexe Muster, die für den Menschen nicht sichtbar wären. „Wir konnten mit einer speziell entwickelten Ultraschall-Sensorik-Lösung bei einem Automobilhersteller eine Erkennungsquote von über 95 Prozent schon früh in der EOL-Testingkette erzielen, was wiederum zu hohen Einsparungen beitrug“, weiß Gromov konkrete Erfolge zu berichten.

Nicht zuletzt kann die KI sich auch das Erfahrungswissen eines menschlichen Hörers aneignen und dieses objektivieren, wodurch Fehlteile – zum Beispiel schon verbaut im Endprodukt – noch besser selektiert werden. Auch bei Produkt- und Lieferteiländerungen ist diese Lösung hilfreich, denn geänderte Produkte weisen häufig noch hohe Fehlerquoten auf. Durch schnelles Datensammeln und ein Update des KI-Modells kann beim Produktionsanlauf deutlich schneller reagiert werden.

Für viele Branchen interessant

Eine KI-basierte, hochauflösende Ultraschall-Sensorik für den EOL-Test eignet sich für viele Branchen: Von Automobil, LKW über Maschinenbau sowie Schiffs- und Flugzeugbau kann die frühzeitige Selektion von Fehlteilen erheblich Kosten einsparen. Besonders interessant dürften solche Lösungen für den Schiffs- und Flugzeugbau sein, da Motoren in diesen Branchen besonders kostspielig und nach Einbau oft kaum noch wieder auszubauen sind.

Gerade bei Zulieferer-Teiländerungen, neuen Produktionsanläufen oder Montageänderungen kann das System die Risiken und Schäden minimieren. „Je nach Use Case kann eine Embedded-KI-Ultraschall-Sensorik schon ab circa. 100.000 Euro entwickelt, trainiert und integriert werden. Kosten, die sich schnell bezahlt machen“, nennt Gromov die Entwicklungskosten für ein solches System als einen weiteren Vorteil.

Bildergalerie

  • Beim EOL-Testing in der Automobilindustrie werden kritische Parameter wie Produktionsfehler, der Sitz von Verschraubungen und die richtige Einstellung von Bauteilen überprüft, um fehlerhafte Komponenten frühzeitig zu erkennen und hohe Folgekosten zu vermeiden.

    Beim EOL-Testing in der Automobilindustrie werden kritische Parameter wie Produktionsfehler, der Sitz von Verschraubungen und die richtige Einstellung von Bauteilen überprüft, um fehlerhafte Komponenten frühzeitig zu erkennen und hohe Folgekosten zu vermeiden.

    Bild: AITAD/dietzefotografie

  • Schematischer Aufbau eines Embedded-KI Ultraschall-Sensorik-Systems für die Kalt- und Heißtests bei der Motorenproduktion.

    Schematischer Aufbau eines Embedded-KI Ultraschall-Sensorik-Systems für die Kalt- und Heißtests bei der Motorenproduktion.

    Bild: AITAD

  • Viacheslav Gromov, Geschäftsführer von AITAD: Embedded-KI-Sensoren bieten im EOL-Testing eine präzisere Fehlererkennung und helfen, Kosten durch defekte Bauteile zu reduzieren.

    Viacheslav Gromov, Geschäftsführer von AITAD: Embedded-KI-Sensoren bieten im EOL-Testing eine präzisere Fehlererkennung und helfen, Kosten durch defekte Bauteile zu reduzieren.

    Bild: AITAD/dietzefotografie

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel