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Entwicklungs-Tools & Prototyping EMV richtig geplant

Bild: ESD
29.02.2016

Auch beim Thema EMV gilt: Probleme am besten gar nicht erst entstehen lassen, anstatt sie nachher zu lösen. Dazu muss die EMV im gesamten Entwicklungsprozess berücksichtigt werden. Das ist zwar mühsam, lohnt sich aber. Diese Tipps helfen Ihnen, das Thema EMV richtig anzupacken.

1. Planen Sie EMV bei Projektbeginn:

Die EMV-Eigenschaften einer elektronischen Baugruppe werden durch eine Vielzahl von Parametern bestimmt. Neben den verwendeten Bauteilen und möglichen Arbeitsfrequenzen spielen Lagenaufbau, Layout, Steckverbinder, räumliche Anordnung und viele andere Dinge eine wesentliche Rolle. Bei Projektberatungen zeigt sich viel zu häufig, dass über EMV erst nach der nicht bestandenen EMV-Prüfung nachgedacht wird. Das ist viel zu spät! In diesem Projektstadium ist nahezu alles bereits festgelegt und jede Änderung schwierig oder gar unmöglich. Viele Konzepte lassen sich in dem Fall ohne ein vollständiges Redesign gar nicht mehr umsetzen. Oft muss dann auf „quick-fixes“ zurückgegriffen werden, die höhere Stückkosten als nötig hervorrufen. Die EMV sollte deshalb bereits zu Beginn eines Projekts eingeplant werden. Zu diesem Zeitpunkt besteht die größte Freiheit, die Weichen im Sinne der EMV zu stellen.

2. Betrachten Sie das Design durch die EMV-Brille:

Der Schaltplan zeigt die Aufgabe der Baugruppe. Die Ursachen für bestimmte EMV Probleme sind allerdings im Schaltplan oft nur schwer oder gar nicht erkennbar. Neben der gewünschten Funktion haben die meisten Bauteile auch noch unerwünschte Nebeneffekte. Dies gilt für aktive Bauteile ebenso wie für passive. Während aktive Bauteile oft Signale oder Signalkomponenten erzeugen, die für die Funktion nicht benötigt werden, verfügen passive Komponenten immer auch über parasitäre Eigenschaften. Dadurch weicht ihr Verhalten mitunter nachhaltig von der ursprünglichen Idee ab. Auch die räumliche Anordnung der Leiterzüge und Komponenten hat teilweise massiven Einfluss auf das EMV-Verhalten. Daher sollte man bereits beim Design der Schaltung darauf achten, welche Teile der Schaltung problematisch sein könnten und dort ein besonderes Augenmerk auf die „Dreckeffekte“ legen.

3. Überlegen Sie, was schiefgehen könnte:

Den meisten Ingenieuren sollte es leicht fallen, sich in die Situation einer nicht bestandenen EMV-Prüfung hineinzudenken. Machen Sie das bereits früh im Projekt. Auf diese Weise können Sie geeignete Gegenmaßnahmen bereits im ersten Hardwarestand prophylaktisch vorsehen. Die fortschreitende Miniaturisierung und die zunehmend höhere Arbeitsgeschwindigkeit erschweren es immer mehr, nachträglich Gegenmaßnahmen in eine Baugruppe hineinzufriemeln. Die dafür oft nötigen Fädeldrähte führen dazu, dass die Wirksamkeit der Maßnahme geringer ist, als wenn sie korrekt in der Leiterplatte realisiert wäre. Das erschwert die Arbeit deutlich.

4. Planen Sie geeignete Messpunkte:

Um EMV-Problemen auf die Schliche zu kommen, muss oft messtechnisch nach der Quelle gesucht werden. Dazu ist eine geeignete Kontaktierungsmöglichkeit zwingend erforderlich. Die üblichen Testpunkte reichen dafür oft nicht aus, da sie selbst zu viele parasitäre Eigenschaften mitbringen, eine HF-taugliche Kontaktierung nicht möglich ist oder andere Gründe ein zuverlässiges Messergebnis verhindern. Überlegen Sie deshalb frühzeitig, welche Parameter später interessant werden könnten und welche Vorkehrungen Sie auf der Leiterplatte treffen müssen, um mit vertretbarem Aufwand verlässliche Messergebnisse zu erhalten.

5. Bitte nur einen GND:

Wenn Lagenaufbau und Layout richtig gemacht werden, ist fast immer ein einzelnes niederimpedantes GND-System die beste Wahl. Die häufig anzutreffende Vielzahl an GND-Systemen, wie Digital-, Analog-, Shield-, Chassis-, PWR-GND und andere, vergrößert die Komplexität und schwächt die Leistung des GND-Systems. Häufig führt sie außerdem zu neuen Problemen im Hinblick auf Emission und Störfestigkeit. Bei einer seriösen physikalischen Betrachtung zeigt sich oft, dass der vermeintliche Nutzen von verteilten GND-Strukturen, gar nicht gegeben ist. Mit einer solchen Betrachtung lässt sich auch feststellen, ob im Einzelfall ausnahmsweise von dieser Regel abgewichen werden sollte.

6. Kein Leiterplatten-Lego:

Erfahrungsgemäß ist es am günstigsten, die Baugruppe auf einer einzelnen Leiterplatte zu realisieren. Baugruppen, die aus mehreren zusammengesteckten Komponenten bestehen, neigen dazu, zusätzliche EMV-Probleme auszulösen. Dabei spielen eine ganze Reihe von Effekten eine Rolle; an erster Stelle wiederum das GND-System. Dieses lässt sich in solchen Konstruktionen in aller Regel nicht niederimpedant umsetzen. Außerdem entstehen zwischen den verschiedenen Teilen des Systems parasitäre Kopplungen, die zusätzliche Störphänomene auslösen können.

7. Verwenden Sie geeignete Steckverbinder:

Der Einsatz billiger Steckverbinder kann teuer werden. In einem Steckverbinder, der für größere Bandbreiten ausgelegt ist, steckt in der Regel einiges Know-how. Vor der Auswahl des Steckverbinders sollte daher überlegt werden, welche Bandbreite das fragliche Signal haben wird. Entscheidend ist die Bandbreite, nicht die Taktfrequenz. Handelt es sich um ein differenzielles Signal, muss besonders auf eine möglichst gute Symmetrie geachtet werden. Beim Einsatz von geschirmten Kabeln gewinnt die Qualität des Steckverbinders nochmals an Bedeutung. Sie bestimmt die Qualität der Schirmanbindung und ist damit für die EMV besonders wichtig.

8. Optimieren Sie das Layout der Schaltregler:

Nahezu jede Energieversorgung basiert heutzutage auf einer Switch-Topologie. Die zugehörigen Schaltflanken generieren großzügig Oberwellen, die sehr häufig zu Emissions-Problemen führen. Neben der Wahl einer günstigen Schaltregler-Topologie, sinnvoller Positionierung, geeigneter Filterung und etlichen anderen Aspekten spielt das Layout des Schaltreglers eine zentrale Rolle. Aufgrund der sehr dynamischen Spannungs- und Stromänderungen im Bereich der Schalter entstehen sehr starke Kopplungen in benachbarte Schaltungsbereiche. Von dort führt dann häufig ein Weg aus dem Schaltregler heraus. Durch ein sorgsam optimiertes Layout des Schaltreglers können erhebliche EMV-Vorteile gewonnen werden. Moderne Schaltregler ermöglichen teilweise sehr hohe Schaltfrequenzen. Das erlaubt den Einsatz kleinerer Bauteile und reduziert dadurch den Footprint der Schaltregler-Baugruppe. Kleinere Leiterbildstrukturen in diesem Bereich verbessern tendenziell die EMV. Daraus ergibt sich die nicht unbedingt intuitive Aussage: Schnelle Regler können EMV-mäßig die bessere Wahl sein!

9. Definieren Sie einen sinnvollen Lagenaufbau:

Der billigste Lagenaufbau ist nicht der mit den besten EMV-Eigenschaften. Prepreg-Dicke und Anordnung der Lagen im Lagenstapel haben erheblichen Einfluss auf die EMV-Eigenschaften der späteren Baugruppe. In mehrlagigen Leiterplatten treten die verschiedensten Kopplungseffekte auf. Davon sind manche bei weitem nicht so offensichtlich wie das Nebensprechen zwischen zwei benachbarten Leiterbahnen. Diese Kopplungen können Eigenstöreffekte hervorrufen und damit die Systemfunktion beeinträchtigen. Teilweise werden auch baugruppeninterne Signale auf Leitungen gekoppelt, die die Baugruppe verlassen. Dadurch verwandeln sich die Leitungen praktisch in Sende-Antennen. In der Regel verbessert sich die EMV spürbar, wenn die Leiterplatte mindestens eine durchgehende GND-Plane enthält.

10. Machen Sie EMV selbst:

Mit EMV will man sich eigentlich nicht beschäftigen. Die Effekte sind schwer durchschaubar; was einmal hilft, ist beim nächsten Mal falsch. EMV heißt frustrierendes Herumprobieren. Tatsächlich ist EMV sehr anspruchsvoll. Oft ist es schlicht ein Versuch, der einen zufällig ans Ziel bringt. Je mehr man jedoch die Effekte, die sich hinter den EMV-Problemen verbergen, versteht, desto gezielter kann man die Probleme angehen. Es empfiehlt sich dabei, möglichst strukturiert vorzugehen: Erst eine These erstellen, wie der Störmechanismus vermutlich funktioniert, dann diese messtechnisch verifizieren und zum Schluss eine, hoffentlich serientaugliche, Gegenmaßnahme entwickeln. Dieses Vorgehen ist zu Beginn etwas mühsamer, schafft aber ein zunehmend besseres Verständnis der typischen EMV-Probleme. Das so aufgebaute Know-how hilft künftige Probleme entweder schon im Vorfeld zu vermeiden oder zumindest gezielter und schneller zu lösen. Ein Elektronikdesign, das beabsichtigt EMV-Probleme weitestgehend zu vermeidet, ist letztlich der billigste Weg zu guter EMV.

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