Mit dem neu in Betrieb genommenen kryogenen On-Wafer-Prober möchten Forschende des Fraunhofer IAF die Funktionsweise von Quantenbauelementen besser verstehen, die auf Halbleiter-Quantenpunkten und -Quantentöpfen sowie Supraleitern basieren. Das Gerät kann Wafer in Industriegrößen (200 mm und 300 mm) und hohen Stückzahlen (bis 25 Wafer hintereinander) vollautomatisch bei Tiefsttemperaturen unter 2 K (‑271,15 °C) charakterisieren.
Die gewonnenen Datenmengen reduzieren die Abhängigkeit von Zufallstreffern, wie sie für reine Einzelmessungen kennzeichnend ist, erheblich. Auf diese Weise trägt die Steigerung der Messkapazitäten am Institut dazu bei, eine verlässliche Fertigung von qualitativ hochwertigen Qubits zu entwickeln, die in Quantencomputern und Quantensensoren zum Einsatz kommen können.
Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme ist die Anlage weltweit die fünfte, in Europa die zweite und in Deutschland die erste ihrer Art. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte die Beschaffung und Inbetriebnahme des Wafer-Probers im Rahmen des Projekts „KryoproPlus – Bereitstellung und Verifizierung eines kryogenen On-Wafer-Probers“.
Know-how für die industrielle Qubit-Fertigung aufbauen
„Durch den On-Wafer-Prober gewinnen wir bundesweit einzigartige neue Fähigkeiten in der kryogenen Charakterisierung“, betont Prof. Dr. Rüdiger Quay, „KryoproPlus“-Projektkoordinator und kommissarischer Institutsleiter des Fraunhofer IAF. „Mit ihm werden wir unsere Partner aus Forschung und Industrie beim Aufbau einer europäischen Lieferkette für Materialien und Produktionsprozesse für Festkörper-Qubits unterstützen. So können wir einen wichtigen Beitrag zur technologischen Souveränität Deutschlands und Europas leisten“, blickt Quay voraus.
„Der Wafer-Prober stellt uns erstmals statistisch relevante Datenmengen zur Verfügung, mit denen wir die Herstellung von Qubit-Bauelementen systematisch optimieren und skalieren können“, erklärt Nikola Komerički, der das „KryoproPlus“-Projekt im Rahmen seiner Promotion zur Charakterisierung von Quantencomputing-Bauelementen betreut.
Komerički hat die Installation und Inbetriebnahme der Anlage koordiniert und führt bereits erste Messungen durch. „Wir möchten besser verstehen, wie wir zu guten, homogenen Qubits kommen, um die Skalierung und industrielle Produktion von Qubits in Deutschland und Europa zu ermöglichen“, ergänzt Komerički. „Dafür ist es nötig, den qualitativen Blick um die quantitative, statistische Perspektive auf das Verhalten der Bauelemente zu erweitern“.
Bessere Daten durch automatisierte Messung
Qubits auf Basis von Halbleiter-Quantenpunkten und -Quantentöpfen sowie Supraleitern funktionieren bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (‑273,15 °C), da diese die Störeinflüsse der Umgebung minimieren, Supraleitung aktivieren und so die Formung und Verschränkung der Qubits ermöglichen.
Für die Prüfung, Optimierung und Skalierung von Qubits spielt es demnach eine wesentliche Rolle, dass sie möglichst bei ihrer Betriebstemperatur charakterisiert werden und eine statistisch auswertbare Messdatenmenge erfasst wird. Der kryogene On-Wafer-Prober schließt diese Charakterisierungslücke.
Die automatisierte Messung ganzer 200-mm- und 300-mm-Wafer bei Temperaturen unter 2 K mit geringer Wechselzeit erhöht die Menge der verfügbaren Daten um ein Vielfaches. Mit ihnen verfügen Forschende und Ingenieurinnen und Ingenieure über die nötige Basis, um gezielte Verbesserungen von Bauelementen zur Qubit-Formung vorzunehmen und die Skalierbarkeit zu erhöhen.
Charakterisierung von Qubit-Bauelementen in mehreren Projekten
Durch die vollständige Inbetriebnahme des Wafer-Probers ist das Projekt „KryoproPlus“ abgeschlossen. Die ersten Einsätze hat die Anlage im Rahmen der Projekte „MATQu – Materialien für das Quantencomputing“, „QUASAR – Halbleiter-Quantenprozessor mit shuttlingbasierter skalierbarer Architektur“ und „QLSI – Großskalige Quantenintegration mit Silizium“.
Für „MATQu“ charakterisiert und analysiert Komerički (Niobium-)Josephson-Kontakte, die Bauelemente für Transmon-Qubits darstellen. Für „QUASAR“ und „QLSI“ erfolgen Charakterisierungen von Feldeffekttransistoren (FETs) für Einzelelektronentransistoren (SETs) basierend auf Silizium-Quantentöpfen und im Anschluss von SETs, die als Bauelemente für Spin-Qubits dienen.