Messtechnik „Es geht hier nicht um eine tolle Technologie, sondern um die Anforderungen des Marktes.“


Jonathan Borrill, Director of Market Strategy, Anritsu

28.04.2012

Mit LTE steht eine völlig neue Generation von Mobilfunk zur Verfügung. Jonathan Borrill, Director of Market Strategy bei Anritsu, erläutert im Gespräch mit E&E-Chefredakteur Michael Brunn, was wirklich hinter LTE steckt, welche Vorteile es bringt und worauf man als Entwickler achten muss.

Womit beschäftigt sich Anritsu im Bereich LTE?

Für Anritsu ist derzeit LTE Advanced besonders interessant, eine neue Funk- und Netzwerk-Technologie, die als Erweiterung zu LTE eingeführt wurde. LTE als die nächste Generation von Mobilfunk-Technologie wurde vor etwa drei Jahren in Skandinavien eingeführt, in Deutschland gingen die ersten Netze vor etwa einem Jahr online. Es ist also eine sehr neue Technologie, die gerade ausgerollt wird, echtes mobiles Breitband mit hohen Datenraten und hohen Kapazitäten. Sie eignet sich gut für Smartphones, für Internet und sie erlaubt den Netzbetreibern, besonders wirtschaftliche mobile Datennetzwerke zu betreiben. LTE Advanced ist schon der nächste Schritt und bringt einige fundamental neue Funk- und Netzwerk-Technologien mit sich. Dazu gehört beispielsweise die so genannte Carrier-Aggregation. Dabei werden zwei verschiedene Funk-Signale verbunden, um höhere Datenraten durch eine höhere Bandbreite zu erreichen. Das klingt zunächst sehr einfach, ist aber sehr komplex, da die Datenraten sehr hoch sind. Wir haben auf dem MWC in Barcelona Datenraten von 300 MBit/s gezeigt, das ist schon ganz schön hoch und zeigt, was künftig mit LTE noch möglich sein wird.

Warum gibt es so schnell schon einen Nachfolger für LTE? Ist die Technologie nicht gut genug?

LTE ist gut genug, das Problem sind die Frequenzen, die den Netzbetreibern zur Verfügung stehen. Als GSM startete, war das sehr einfach, da alle Netzbetreiber 900- oder 1.800-MHz-Lizenzen hatten. Es gab genug Bandbreite und genug Kapazitäten. Und selbst bei 3G gab es noch ausreichende Kapazitäten. Und jetzt stellen die Netzbetreiber fest, dass sie nicht über genug Bandbreite verfügen, die Kapazitäten sind auf verschiedene Bänder verteilt. Sie müssen die Übertragung auf verschiedene Frequenzen verteilen und zu einer effektiven Datenverbindung zusammenfassen. Dieses Problem adressieren wir mit der Carrier-Aggregation.

Bringt die Carrier aggregation dann tatsächlich eine Verdopplung der Bandbreite?

Sie erreichen die gleiche Datenrate wie mit zwei individuellen Signalen. Und es ist auch fast wie bei zwei individuellen Signalen, sie werden auf einer sehr hohen IP-Ebene verbunden. So verdoppelen Sie sehr effizient die Kapazität. Es klingt sehr einfach, ist aber für die RF-Designer eine echte Herausforderung. Denn es reicht nicht aus, individuelle Empfänger für jedes Band zu haben, denn es werden unter Umständen Bänder simultan genutzt. Daher müssen sowohl die Low-Noise- als auch die Leistungsverstärker über eine Bandbreite von 100MHz verfügen. Die neue Generation wurde für LTE mit einer Bandbreite von 20 MHz gemacht. Aber jetzt können plötzlich mehrere Signale irgendwo in diesem 100-MHz-Spektrum auftauchen. Daher sind die Anforderungen an das Verstärker-Design sehr hoch. Es ist einfach, ein Layout auf ein Blatt Papier zu schreiben - aber es ist viel schwerer, das in einem Halbleiter umzusetzen. Und auch das Test-Equipment muss den neuen Anforderungen gerecht werden. Daher verfügen unsere neuen Testgeräte über eine Bandbreite von mindestens 120 MHz.

Was bedeutet Fixed Mobile Conversion (FMC)?

Bei Fixed Mobile Conversion geht es darum, die mobilen und stationären Netze in einer einzigen Technologie zusammenzuführen. Ein Netzbetreiber hat in der Regel viele verschiedene Technologien: Festnetze, Telefonnetze, mobile Netze, Breitband-Netze. Dort besteht ein großes Interesse daran, diese verschiedenen Technologien in einer zusammenzuführen. Dazu müssen sie zunächst alles auf ein IP-basiertes Netzwerk umstellen.

Bedeutet das, dass die Provider ihre gesamte Infrastruktur erneuern müssen?

Das müssen sie nicht, aber wenn sie wechseln, können sie ihr Netz leichter skalieren. 3G in seiner ersten Ausbaustufe beispielsweise nutzte dedizierte Datenverbindungen. Um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, mussten mehr dedizierte Verbindungen zur Verfügung gestellt werden. Bei einem vollständig IP-basierten Netz müssen die Kapazitäten zwar auch erweitert werden - die Ressourcen können dann aber auf die verschiedenen Teilnetze verteilt werden, je nach Bedarf.

Derzeit gibt es in Europa noch sehr unterschiedliche Infrastrukturen. Wird es durch LTE zu einer Vereinheitlichung der Netze kommen?

Mittelfristig sicher, aber das ist von Land zu Land unterschiedlich. In den Wachstumsmärkten in Osteuropa beispielsweise gibt es sehr wenig Infrastruktur, hier bauen die Netzbetreiber alles neu auf. Und dafür wollen sie natürlich die aktuelles, günstigste und zukunftssicherste Technologie, die sie bekommen können. In den gesättigteren Märkten in Westeuropa haben die Netzbetreiber vor 15 oder 20 Jahren umfangreiche Kupfernetzwerke aufgebaut, die inzwischen vollständig abgezahlt und abgeschrieben sind. Die Netze verursachen nur noch geringe Kosten und sorgen für einen hohen Umsatz. Daher stellt sich die Frage, wie schnell diese Provider von der alten zur neuen Technologie wechseln werden. Die neue Technologie hat eine große Zukunft, aber die alte Technologie zahlt heute die Rechnungen. Auf Dauer werden die alten Netzwerke aber nicht mehr ausreichen.

Was sind die wichtigsten Aspekte, die ein Entwickler bei LTE im Hinterkopf haben sollte?

Der Wechsel von 3G zu LTE wurde vor allem von der Fixed Mobile Conversion vorangetrieben. Diese Technologie ermöglicht den Nutzern eine übergangslose Nutzung von Diensten - unabhängig davon, wo sie sich aufhalten. Die Nachfrage nach dieser übergangslosen Nutzung ist die Motivation hinter LTE. Es geht hier nicht um eine tolle Technologie, sondern um die Anforderungen des Marktes. Hinzu kommt, dass LTE für die Netzbetreiber eine kostengünstige Lösung darstellt, da sie die gleiche Infrastruktur nutzen können wie für andere IP-Netzwerke. LTE bringt einige neue Technologien mit sich wie beispielsweise OFDM und die Carrier-Aggregation. Daher bietet LTE Entwicklern zahlreiche Möglichkeiten.

Was sind die Herausforderungen beim Testen von LTE?

Die Haupt-Schnittstelle von LTE ist die OFDM-Technologie. Die Datenraten sind sehr viel höher, als sie es in der Vergangenheit waren. Dadurch ändert sich die Art, wie diese Datenraten gemessen werden. Es reicht nicht mehr aus, einen PC zu nutzen und einfach eine Datei aus dem Netzwerk herunterzuladen. Es besteht ein Bedarf an komplexen IP-Messinstrumenten. Hinzu kommt, dass sich durch die Art und Weise, wie LTE funktioniert, einige neue Herausforderungen bei der Planung eines Netzwerkes ergeben. Die Art und Weise, wie LTE mit Interferenzen umgeht, ist anders. Daher gibt es hier einige neue Tools, die sicherstellen, dass es keine Interferenz-Probleme gibt.

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