Nach Jahren der Euphorie macht die Wasserstoffbranche hauptsächlich mit Negativschlagzeilen von sich reden. Wo Deutschland auf dem Weg zu einer „grünen“ Wasserstoffwirtschaft steht, zeigen aktuelle Onlinekarten des Leibniz-Instituts für Länderkunde.
Bis aus erneuerbaren Energien gewonnener „grüner“ Wasserstoff eine wirtschaftliche Alternative darstellt, wird noch mindestens eine Dekade vergehen, prognostiziert Benedikt Walker von der Universität Bonn. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Bonner Geographischen Institut nimmt der Wirtschaftsgeograf im „Nationalatlas aktuell“ des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) die deutsche Wasserstoffwirtschaft unter die Lupe.
Norddeutschland als Zentrum der Wasserstoffproduktion
Im Mittelpunkt des Beitrags stehen online abrufbare Deutschlandkarten, die einen Überblick der bestehenden und geplanten Anlagen zur Wasserstoffelektrolyse einschließlich der beteiligten Unternehmen bieten. Ausgewiesen sind auf den teils interaktiven Karten zudem die potenziellen Großabnehmer und die Standorte neuer Forschungsinstitute, die an neuen Lösungen für kostengünstigere Wasserstofftechnologien arbeiten.
Die Karten zeigen, dass „grüner“ Wasserstoff zukünftig vor allem in Norddeutschland produziert wird. Dort trifft das Potenzial zur Erzeugung von Windenergie auf eine im Vergleich zu Süddeutschland geringere Energienachfrage. Aufgrund von Netzengpässen kann der Strom zudem nicht von Nord- nach Süddeutschland transportiert werden. Kleinere Anlagen zur Produktion von „grünem“ Wasserstoff, sogenannte Elektrolyseure, sind dagegen in ganz Deutschland in Planung. Ob diese auf längere Sicht im Wettbewerb bestehen können, ist nach Walkers Einschätzung allerdings fraglich.
Finanzierungslücken und politische Herausforderungen auf dem Weg zu 2030
Über zehn Milliarden Euro hat die Bundesregierung seit 2020 für die Entwicklung von Wasserstoffprojekten bereitgestellt. Dennoch besteht laut einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln eine jährliche Finanzierungslücke zwischen zwei und zehn Milliarden Euro, um die für 2030 gesetzten Ziele der deutschen Wasserstoffstrategie zu erreichen.
Doch gebe es auch „vereinzelt positive Nachrichten“, so Walker. Immerhin einige Projekte zur industriellen Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff befänden sich im Bau. Im Oktober 2024 genehmigte die Bundesregierung zudem den Entwurf zur Entwicklung eines Wasserstoff-Pipelinenetzes, das bis 2032 große Wasserstofferzeuger und -abnehmer miteinander verbinden soll. Geplant sind außerdem Großprojekte zur Speicherung von Wasserstoff in Kavernen, um Zeiten ohne Wind und Sonne zu überbrücken.
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Mit Blick auf die in vielen Bereichen mit Kostensteigerungen verbundene Nutzung von „grünem“ Wasserstoff hält Walker eine Überprüfung der politischen Ziele für unumgänglich. Die Revision dürfe jedoch nicht dazu führen, die klimapolitischen Ambitionen zu reduzieren.