Alle drei Jahre verdoppelt sich das Wissen in der Medizintechnik. Eine innovative Branche, in der laut Branchenverband Spectaris derzeit rund 92000 Menschen in Deutschland arbeiten, die einen Gesamtumsatz von 21,4Milliarden Euro im Jahr 2011 erwirtschafteten. Und die Prognosen stehen weiterhin auf Wachstum. Bis 2020 soll der weltweite Gesundheitsmarkt laut einer Studie von Bain & Company um dreiBillionen Euro wachsen. Daran wird die Medizintechnik mit ihren Innovationen Anteil haben. Zum Beispiel werden Therapien immer spezifischer, Bilder aus dem Inneren des Körpers lassen selbst Mediziner staunen und auch für effiziente Arbeitsabläufe und die allgemeine Patientenversorgung kommen stets neue Ideen auf den Markt.
Personalisierte Medizin
Einen immer größer werdenden Stellenwert nimmt die personalisierte Medizin ein. Hierbei werden Medikamente für Personengruppen mit gleichen Merkmalen entwickelt, deren Profile anhand von Diagnostik-Verfahren erstellt werden. Die Herausforderung dabei ist, Biomarker aus tausenden von genetischen Unterschieden zu finden, die eine Erkrankung anzeigen. Automatisierte Laborgeräte haben diese Arbeiten beschleunigt. Gleichzeitig müssen diese Biomarker in Körperflüssigkeiten wie Blut oder Urin zu finden sein, um sie einem Test auch zugänglich zu machen. So hat sich zum Beispiel Roche auf die personalisierte Medizin eingestellt und entwickelt auf Profile abgestimmte diagnostische Tests und die entsprechenden Medikamente dazu. Mitte Februar wurde zum Beispiel für Melanom-Patienten mit einer bestimmten Mutation ein von Roche entwickelter sensitiver Test und ein lebensverlängerndes Medikament europaweit zur Behandlung zugelassen.
Kombinierte Aufnahmetechnik
Tumore und Metastasen im Körper lassen sich auch mit Bildgebungstechniken immer deutlicher sichtbar machen, zum Beispiel mit Computertomographie (CT) oder der Magnetresonanztomographie (MRT), die auch Kernspintomografie genannt wird. Die räumliche Auflösung dieser Verfahren hat sich in den vergangen Jahren enorm verbessert wie Prof. Dr. Goyen, Clinical Development Director bei GE Healthcare, bekräftigt: „Vor zehn Jahren hätte man es noch nicht für möglich gehalten, dass mit der Computer- oder Kernspintomographie der gesamte Körper mit einer so hohen Bildqualität in einem Rutsch abgebildet werden kann. Patienten müssen heute nicht mehr fünfmal in die Röhre, um festzustellen ob und wo ein bekannter Tumor im Körper Metastasen gebildet hat.“ Während CT und MRT die Anatomie darstellt, werden Aktivitäten oder Zellstoffwechsel-Vorgänge von Tumoren und Metastasen mit Positronen-Emissionstomographen (PET) bildlich dargestellt. So musste früher ein Patient zusätzlich auch diese Untersuchung über sich ergehen lassen. Ein genaues übereinanderlegen der so erhaltenen Informationen ist dabei kaum möglich und erschwert die Diagnose.Daher wird die Kombination dieser Verfahren weiter entwickelt. Fast schon etabliert haben sich PET/CT-Geräte. Mit dieser Kombination sind die aussagekräftigen Bilder nun perfekt übereinander und der Mediziner sieht schnell, wo aktive Stellen sind. Eine mögliche Diagnose zum Beispiel bei einem Schilddrüsenkarzinom könnte laut Goyen lauten: „An der Schilddrüse am Unterpol auf der rechten Seite gibt es vermehrt Aktivitäten.“ Obwohl das Verfahren schon zehn Jahre auf dem Markt ist, wurde es vor kurzem erst für einige Indikationen vom Gemeinsamen Bundesausschuss als Kassenleistung anerkannt. Ein wissenschaftlicher Durchbruch wie Goyen hervorhebt: „Wenn die gesetzliche Kasse etwas bezahlt, dann ist der wissenschaftliche Wert der Methode absolut evaluiert.“
Mehrwert in Aussicht
Ein bedeutender Fortschritt im Hybrid Imaging ist die Kombination der beiden Aufnahmetechniken PET und MRT in einem Gerät. Hierbei ist der morphologische Bildgebungsteil noch exzellenter, schwärmt Goyen, da die MRT einen höheren Weichteilkontrast hat als die CT. „Aber es ist noch völlig unklar, was künftige Indikationen mit der PET/MRT sein könnten“, sagt er und ist gespannt, welchen Mehrwert diese Methode gegenüber bisherigen Methoden bringen wird.Das bisher einzige vollintegrierte molekulare MR-Ganzkörpersystem mit simultaner MR- und PET-Aufnahmetechnik hat Siemens Ende 2010 auf den Markt gebracht. Die ersten Biograph-mMR-Systeme werden seitdem in Deutschland und den USA an Universitätskliniken evaluiert. 2011 wurde das Gerät von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde Food an Drug Administration (FDA) zugelassen und die CE-Kennzeichnung hat das Bildgebungsverfahren ebenfalls erhalten. Einsatzgebiete dieser Bildgebung sieht Siemens in der Onkologie, Neurologie und Kardiologie. Die erwartete höherer Präzision der Diagnose könnte aber auch als Basis einer personalisierten Therapie dienen.
Mobile Patientenakte
Völlig konträr zu diesen High-End-Geräten mit immer aussagekräftigeren Bildern geht ein anderer Trend zu immer kleineren und auch mobilen Geräten, die entsprechend günstiger sind und dennoch qualitativ gute Bilder machen. Zum Beispiel MRT-Geräte mit denen nur Gelenke oder der Kopf gescannt werden und die in einen 20m 2großen Raum passen. Oder mobile Ultraschall-Geräte in der Größe von Smart-Phones und Tablet-PCs. „In Afrika oder Indien können sie damit übers Land fahren und Schwangerschaften beurteilen oder einfach mal den Bauch anschauen“, beschreibt Goyen den Nutzen für Menschen, die in ihrem Leben bisher noch keine Chance auf eine solche Untersuchung hatten.
Mit Smartphone und Tablet-PC zur Visite
Nicht nur die bildgebenden Verfahren machen immer bessere und umfassendere Aufnahmen. Auch die Darstellung der darin erhaltenen digitalen Informationen regt zu Entwicklungen von Befundungs-Software und Applikationen für Smart-Phones und Tablet-PCs an. So brachte Siemens Ende 2009 die Bildbefundungs-Software Syngo.via auf den Markt. Diese bereitet Aufnahmen unter anderem von CT, MR, PET/CT und PET/MR nach krankheitsspezifischen Kriterien auf. Zum Beispiel entfernt beim Aufruf eines Kardio-CT-Falles die dazu passende Applikation die Rippen aus den Aufnahmen und stellt sie in einem entsprechenden Kardio-Layout dar. Der vom Arzt erstellt Befund wird dann zur Aufnahme auf einem zentralen Server des Krankenhauses abgelegt. Nun hat der Healthcare-Division-Sektor des Konzerns zu dieser Befundungs-Software mobile Applikationen (Apps) für das iPhone oder iPad entwickelt. Mit diesen kann und darf zwar bisher kein Befund erstellt werden, aber der behandelnde Arzt muss den Patienten zum Besprechen der Diagnose nicht mehr in sein Büro bitten. Denn er kann bei der Visite am Krankenbett via iPad dem Patienten Befund, Therapieplan und Heilungserfolge erläutern. Eine zweite Anwendung ist der Zugriff auf die Bilddaten oder Berichte über einen gesicherten Zugang. So kann zum Beispiel ein überweisender Arzt mit der App Bilder und Diagnose des Radiologen über einen sicheren Internetzugang anschauen. Auch die Diskussion unter Kollegen vereinfacht sich, wenn die Daten mobil verfügbar sind.
Mobile Patientenakte
Dass Apps für die Visite keine Zukunftsmusik mehr sind zeigt auch das Projekt mit Tablet-PCs der Berliner Charité. Für dieses Projekt hat SAP eine App für das Krankenhausinformationssystem entwickelt. Damit haben Ärzte eine mobile Patientenakte und Zugang zu allen Informationen. Ein Geschäft, in dem sich auch die Telekom mit einem Komplettangebot engagieren möchte. Mehr auf medizinische Anwendungen ausgelegt ist eine App für QCare von HIM (Health Information Management). Diese App hilft Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern zum Beispiel in Intensivstationen und Anästhesie beim alltäglichen Dokumentieren. In die Dokumentation eingebunden werden unter anderem Überwachungsmonitore, Infusionssysteme und andere bettseitige Geräte. Von den Innovationen profitieren Patienten ebenso wie das ganze Patientenmanagement, das damit effizienter wird.