Windräder werden immer höher und stärker. Anfang der 2000er-Jahre kamen die ersten Anlagen der 2-MW-Klasse auf den Markt, die Strom für umgerechnet etwa 3.000 Haushalte lieferten. Heute haben die höchsten und stärksten Anlagen rund 15 MW. In wenigen Jahren sollen es sogar 20 MW sein. Damit will die Europäische Union die Stromproduktion auf See, die sogenannte Offshore-Windkraft, massiv ausbauen. Derzeit stehen in den europäischen Gewässern Windräder mit einer Gesamtleistung von 28 GW, was rund 50 Kernkraftwerksreaktoren entspricht. Bis zum Jahr 2050 sollen es 300 GW sein.
Untersuchungen ergaben: Große Anlagen nehmen weniger Einfluss
Angesichts dieses enormen Wachstums haben Wissenschaftler vom Hereon jetzt untersucht, wie sich die künftigen Windparks aus 15-MW-Giganten auf ihre Umgebung auswirken könnten – sowohl auf die Meeresoberfläche als auch auf benachbarte Windparks. Die Ergebnisse, die das Hereon-Team um den Klimaforscher Dr. Naveed Akthar veröffentlicht hat, überraschen: Windparks aus 15-MW-Anlagen beeinflussen ihre Umgebung weniger stark als solche aus den deutlich kleineren 5-MW-Anlagen.
Dabei gehen die Forscher in ihrer Studie davon aus, dass auf einem Quadratkm Windparkfläche künftig vergleichsweise wenige 15-MW-Windräder stehen werden. Statt vieler kleiner Anlagen wie bisher, wird es in einem Windpark einige Große geben. Der Grund: Für die Meeresgebiete in der Europäischen Union ist reglementiert, wie viele MW Windkraft-Leistung auf einem Quadratkm installiert werden dürfen. Mit einigen wenigen großen Anlagen ist dieses Limit schneller erreicht als mit kleinen.
Räumliche Veränderungen der Windfelder machen Probleme
Dass Windparks ihre Umgebung beeinflussen, liegt daran, dass durch die Drehbewegung der Rotoren Luft verwirbelt wird. Dadurch treten hinter einem Windpark Turbulenzen auf. Außerdem ist dort die Windgeschwindigkeit geringer. Für einen Windpark, der hinter einem anderen liegt, bedeutet das eine geringere Stromausbeute. Wie Naveed Akhtar und seine Kollegen schon vor zwei Jahren in einem Fachartikel beschrieben haben, beeinflussen Windanlagen auch das Leben im Meer. Durch Modellrechnungen am Computer konnten sie zeigen, dass vor allem das Wachstum von Planktonalgen verändert wird.
Hinter einem Windpark kann es um bis zu zehn Prozent geringer als in anderen Meeresgebieten sein. Die Ursache ist der abnehmende Wind und die erhöhte Turbulenz hinter den Windenergieanlagen. Die übertragene Energie in den Ozean nimmt in diesen Regionen durch die Verringerung der Windgeschwindigkeit ab. Durch die räumlich ungleichförmigen Windfelder in der Nähe der Wasseroberfläche werden zudem Ausgleichsbewegungen im Ozean erzeugt, die zu Vertikaltransporten- sogenanntes Up- und Downwelling führen und die Planktonproduktion entweder verstärken oder verringern können.
Wie die aktuellen Modellrechnungen des Hereon-Teams zeigen, sind Veränderungen des Windfeldes an der Wasseroberfläche bei einem Windpark mit 15-MW-Anlagen geringer. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen stehen die Anlagen weniger dicht zusammen. Zum anderen sind sie höher. Der Rotor kommt der Meeresoberfläche damit nicht so nah wie bei kleinen Anlagen. „Was die Meeresumwelt angeht, sind das gute Nachrichten für den Ausbau der Offshore-Windenergie in den europäischen Gewässern“, sagt Naveed Akhtar.
Und auch für die Stromerzeuger sind die größeren Anlagen von Vorteil. Windparks mit wenigen hohen Anlagen stören die Luftströmung weniger als viele kleine Anlagen. Die Bremswirkung eines Windparks und die Turbulenzen fallen geringer aus. „Alles in allem kann sich damit die Stromausbeute in den Windparks um zwei bis drei Prozent erhöhen.“
Einzigartiger Blick auf die ganze Nordsee
Die Studie der Hereon-Forscher ist besonders, weil sie die Situation für die gesamte Nordsee darstellt. „Für gewöhnlich wird bei derartigen Berechnungen lediglich der Einfluss einzelner Windräder oder nur eines Windparks berücksichtigt“, sagt Naveed Akhtar. „Angesichts des starken Ausbaus in weiten Bereichen der Nordsee muss man aber das gesamte Gebiet betrachten. Windparks haben eine Fernwirkung, die 60 bis 70 km weit reichen kann. Um all das zu erfassen, muss man die ganze Nordsee im Blick haben.“