Energieeinsatzplanung in den Betrieben optimieren Klärwerke als Dienstleister: Mit KI die Energieflexibilität steigern

Um im Rahmen der Energiewende ein flexibles städtisches Energieversorgungssystem mithilfe von KI auf- und auszubauen, wurde das Projekt „FlexAqua“ entwickelt.

Bild: DALL·E / publish-industry
02.08.2024

Um die Energiewende weiter und effizienter voranzutreiben, müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden: Mit dem neu gestarteten Projekt „FlexAqua“ wollen Forschende der Bergischen Universität Wuppertal das bisher ungenutzte Potenzial der Abwasserwirtschaft für ein nachhaltiges und flexibles Energiesystem erschließen. Dabei setzen sie auf die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz, um einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele bis 2045 zu leisten.

Städtische Abwasserbetriebe benötigen zur Aufbereitung von Schmutzwasser viel Energie – häufig gehören die Kläranlagen zu den größten kommunalen Einzelverbrauchern. Sie sind ebenso Orte der nachhaltigen Strom- und Wärmeerzeugung: Das in den sogenannten Faulbehältern der Anlagen entstehende Klärgas gilt beispielsweise als äußerst ergiebiger und erneuerbarer Energieträger mit großem Potenzial, einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende zu leisten. Darüber hinaus ermöglichen neue Betriebsweisen eine zeitliche Verschiebung des Energiebezugs und immer mehr Betreiber gehen dazu über, Kläranlagen als Standorte für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu nutzen. All diese Potenziale ermöglichen einen energieflexiblen Betrieb der Kläranlage als Dienstleistung für das Energiesystem.

Flexibilitäten nur unter Zeit- und Ingenieursaufwand prognostizierbar

Damit würde die Anlage des Projektes „FlexAqua“ zum Herzstück des im Rahmen der Energiewende angestrebten Auf- und Ausbaus eines flexiblen städtischen Energieversorgungssystems. Durch eine gezielte zeitliche Verschiebung von Energiebezug und -verbrauch kann beispielsweise mehr Strom bezogen werden, wenn viel Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. In Zeiten mit wenig Wind und Sonne kann weniger Energie bezogen oder sogar überschüssige Energie in das System eingespeist werden.

Allerdings: „Um diese Potenziale auch nutzen zu können, müssen die Betreibenden der Anlage in der Lage sein, Verbrauch und Erzeugung besser einschätzen zu können, um sie auf die prognostizierte Situation des Energiesystems und des Stromnetzes abstimmen zu können. Aktuell sind solche Flexibilitäten nur unter erheblichem Zeit- und Ingenieursaufwand prognostizierbar“, erklärt Prof. Markus Zdrallek, Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik an der Bergischen Universität und Projektkoordinator.

Gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln AöR, dem IT-Dienstleister EnFlex.IT und der Universität Duisburg-Essen untersucht das Team um den Wissenschaftler daher nun Lösungsansätze, mit denen die Energieeinsatzplanung in den Betrieben optimiert werden kann. Dabei setzen die Beteiligten auf die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz: Mit Methoden des maschinellen Lernens (Machine Learning) sollen Prognosen für relevante Einflussgrößen generiert werden, mit denen sich die Flexibilitätspotenziale von Abwasseranlagen erkennen, analysieren und bestmöglich nutzen lassen. Dazu gehören beispielsweise Prognosen, zu welchen Zeitpunkten welche Mengen an zu reinigendem Wasser in der Kläranlage ankommen, abhängig von Regenmengen, Verbrauchsverhalten der Haushalte und Verhalten der Industrie.

Praxistests und Prüfung der Übertragbarkeit

Durch einen optimierten Betrieb erhielten die Abwasserbetriebe also nicht nur die Möglichkeit, CO2-Emissionen und die eigenen Energiekosten zu senken, sondern selbst zusätzliche Einnahmen aus der Vermarktung der Energieflexibilität zu erzielen. „In FlexAqua werden wir mit unseren Partnern zunächst verschiedene Lösungsansätze simulieren und testen. In einem späteren Schritt gehen wir in die Praxis, um die gefundenen Lösungen auch unter realen Bedingungen anzuwenden“, erklärt Zdrallek das Vorgehen.

Das Projekt ist darauf ausgerichtet, prototypische Lösungsansätze zu entwickeln, die für einen produktiven Einsatz im Regelbetrieb weiterentwickelt werden können. Die Erkenntnisse aus dem Praxistest sollen insbesondere hinsichtlich der Übertragbarkeit auf weitere Wasserwirtschafts- und auch Industriebetriebe analysiert werden. Gefördert wird das Vorhaben „FlexAqua“ in den kommenden drei Jahren vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit insgesamt rund 1,1 Millionen Euro. Dabei beträgt der Anteil der Bergischen Universität rund 270.000 Euro.

Bildergalerie

  • Kläranlagen und ihr Potenzial für die Energiewende stehen im Fokus des nun an der Bergischen Universität gestarteten Forschungsprojekts „FlexAqua“.

    Kläranlagen und ihr Potenzial für die Energiewende stehen im Fokus des nun an der Bergischen Universität gestarteten Forschungsprojekts „FlexAqua“.

    Bild: iStock, herraez

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