Strom aus erneuerbaren Energien trägt heute wesentlich zur Energieversorgung in Europa bei. Dieser Anteil wird voraussichtlich in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen. Wind hat sich als vielversprechende erneuerbare Energie erwiesen. Allerdings wird die Windstromproduktion stark von den vorherrschenden Wetter- und Klimabedingungen beeinflusst und unterliegt damit sowohl kurzzeitigen Schwankungen als auch dem Klimawandel.
Wie sich die Windgeschwindigkeiten und damit das Potenzial der Windkraft in Europa bis Ende dieses Jahrhunderts entwickeln werden, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Regionales Klima und Wettergefahren“ am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Universität zu Köln nun anhand regionaler Klimaprojektionen untersucht.
Änderungen von bis zu 20 Prozent bei mittlerer Windstromerzeugung
Für ihre Studie nutzten die Forscher ein räumlich und zeitlich hochaufgelöstes Modellensemble, das auf Simulationen des europäischen Klimamodellierungsprojekts Euro-Cordex basiert. Bei Cordex handelt es sich um den regionalen Beitrag zum IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Die räumliche Auflösung beträgt zwölf Kilometer, die zeitliche Auflösung drei Stunden, was eine genauere Quantifizierung der Windstromproduktion auf der regionalen Skala ermöglicht. Für die Berechnungen wird eine typische Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 100 Metern angenommen.
Die Auswertung zeigt, dass zum Ende des 21. Jahrhunderts für den gesamten europäischen Kontinent nur geringfügige Änderungen bei der mittleren Windstromerzeugung zu erwarten sind. Diese Änderungen liegen im Bereich von plus/minus fünf Prozent. Jedoch einzelne Länder können mit deutlich größeren Änderungen im Bereich von bis plus/minus 20 Prozent rechnen. Zudem können die Änderungen starken saisonalen Schwankungen unterliegen.
Optimale Windgeschwindigkeiten für Stromproduktion werden weniger
Wie die Studie ergab, ist für große Teile von Nord-, Mittel- und Osteuropa mit einer erhöhten Variabilität der Windstromerzeugung auf unterschiedlichen Zeitskalen zu rechnen – sowohl zwischen einzelnen Tagen als auch einzelnen Jahren. Zu erwarten ist, dass Windgeschwindigkeiten, die für die Stromproduktion optimal sind, über den Meeren etwas seltener auftreten. Zugleich sind häufigere Schwachwindphasen mit Windgeschwindigkeiten unter drei Metern pro Sekunde über dem europäischen Kontinent zu erwarten. Dies ist insoweit problematisch, weil dadurch die Volatilität der Windstromproduktion weiter erhöht wird.
Große Herausforderungen für die Windenergienutzung
Den Projektionen nach wirkt sich der Klimawandel in verschiedenen Gebieten unterschiedlich auf die Windkraft aus. Im Baltikum und in der Ägäis könnte die Windstromerzeugung künftig von den Klimaänderungen profitieren. Für Deutschland, Frankreich und die Iberische Halbinsel dagegen sind eher nachteilige Auswirkungen zu befürchten. Alles in allem sehen die Forscher in den projizierten Änderungen große Herausforderungen für die Windenergienutzung in Europa. Geeignete Gegenmaßnahmen, wie der dezentrale Ausbau der Windenergie und der Ausbau des europäischen Stromverteilnetzes, könnten den Einfluss des Klimawandels auf die Windkraft aber abschwächen.