Elektrofahrzeuge Kostengünstiges Batteriekonzept für die E-Mobilität

Schnell und energetisch: Ein Konsortium aus namhaften Firmen hat ein gemeinsames, standardisiertes Batteriekonzept entwickelt, das bereits erfolgreich auf Serientauglichkeit getestet worden ist.

Bild: iStock, novielysa
07.05.2021

Obwohl weltweit bereits mehrere Millionen Elektroautos und Plug-in-Hybride verschiedener Hersteller auf den Straßen unterwegs sind, existieren für die einzelnen Komponenten noch keine allgemeingültigen Standards beispielsweise bei der Materialwahl oder der Lebensdauer. Ein Konsortium aus namhaften Firmen hat deshalb ein gemeinsames, standardisiertes Batteriekonzept entwickelt.

Ein Hauptaugenmerk liegt dabei aktuell auf der Vergrößerung der Reichweite der Fahrzeuge. Diese kann durch eine Verbesserung der Speicherkapazität der Batterien und eine effiziente Energierückgewinnung realisiert werden.

Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Gewichtsreduktion der einzelnen Fahrzeugkomponenten, um die nötige Energie zur Überwindung der Fahrwiderstände (Reifenrollen, Steigung, Beschleunigung) zu reduzieren. Der Effekt der Leichtbaumaßnahmen auf die Effizienz des Antriebs ist dabei abhängig von der Betriebsstrategie des elektrifizierten Fahrzeugs.

Ein Konsortium bestehend aus den Unternehmen Forward Engineering, Evonik, Lion Smart, Lorenz Kunststofftechnik und Vestaro hat dazu eine vielversprechende und effiziente Lösung entwickelt, um mithilfe des innovativen Leichtbaus eine Effizienzsteigerung zu erreichen.

So entsteht ein Batteriegehäuse

Ende 2019 begannen die Arbeiten an einer markenunabhängigen, kostengünstigen Batteriegehäuselösung in verschiedenen Größen für Elektrofahrzeuge. Das Ergebnis der Kooperation war eine deutliche Gewichtsreduktion der Batterie um circa zehn Prozent im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Materialkombinationen, während bei den mechanischen Eigenschaften keine Einbußen zu verzeichnen waren.

Darüber hinaus erfüllt das speziell für das Batteriegehäuse entwickelte glasfaserverstärkte Epoxid-SMC alle Vorgaben im Hinblick auf Feuerfestigkeit und ist auch bei komplexen Geometrien leicht zu verarbeiten. Das gesamte Konzept wurde erfolgreich auf Serientauglichkeit in der Produktion und Sicherheit selbst unter Extrembedingungen getestet.

Obwohl die E-Mobilität verglichen mit der langen Entwicklungshistorie von Antrieben mit Verbrennungsmotoren noch „in den Kinderschuhen steckt“, drängen global sehr viele Hersteller mit diversen Fahrzeugtypen auf den Markt. Diese Fahrzeuge unterscheiden sich nicht nur in Design und Ausstattung, auch die konstruktive und technische Ausführung ist sehr variantenreich. Dies führt zu einer großen Bandbreite an verwendeten Materialien und unterschiedlichen Komponentenauslegungen.

Derzeit gibt es aber Bestrebungen, einzelne Baugruppen der Fahrzeuge zu vereinheitlichen und einen marktübergreifenden Komponentenstandard zu etablieren. „Unter Leitung der Vestaro haben wir uns 2019 einer Kooperation aus Forward Engineering, Evonik und Lion Smart angeschlossen, um ein serientaugliches Batteriekonzept für BEV-Modelle zu entwickeln“, berichtet Peter Ooms, Geschäftsführer von Lorenz Kunststofftechnik. „Unser Hauptaugenmerk lag dabei auf der Rezeptur für ein glasfaserverstärktes Epoxid-SMC, das allen Vorgaben im Hinblick auf Sicherheit und Verarbeitbarkeit entspricht und das auch wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden kann.“

Entwicklung eines Epoxid-SMCs aus Glasfaser

Komponenten, die im Leichtbau für Hybrid- und Elektrofahrzeuge zum Einsatz kommen, wie beispielsweise Batteriegehäuse, müssen sich nicht nur durch geringes Gewicht, sondern auch durch besonders hohe Steifigkeits- beziehungsweise Festigkeitswerte auszeichnen. Dafür können unter anderem karbonfaserverstärkte SMC-Materialien verwendet werden, die jedoch sehr teuer und kaum recyclingfähig sind. Darüber hinaus war das Angebot an Materialien mit den notwendigen Eigenschaften bisher sehr gering, da diese entweder zu schwer waren oder nicht die erforderlichen mechanischen Eigenschaften besaßen.

„Für die Herstellung des Batteriegehäuses haben wir unter Einsatz des Epoxidhärteres Vestalite S von Evonik ein neues SMC mit einer Dichte zwischen 1,5 und 1,7 g/cm3 entwickelt“, erläutert Ooms. „Dieses verfügt über hervorragende Eigenschaften wie eine Biegefestigkeit von > 350 MPa, ein Biege-E-Modul von > 18.500 MPa und eine Schlagzähigkeit von > 150 kJ/m2.“

Durch die Verwendung des Epoxidharzes an Stelle des üblichen Polyesterharzes konnten auch andere Probleme, die bei der Weiterverarbeitung glasfaserverstärkter SMC-Materialien üblicherweise sonst auftraten, behoben werden. „Mit Vestalite-S-Epoxid-Lorenz-SMC lassen sich mit der Pressmasse auch komplizierte Geometrien realisieren, ohne am Werkzeug zu verkleben“, sagt Ooms. Die neue Formulierung ermöglicht im Vergleich mit gängigen SMC-Materialien eine höhere mechanische Leistung und zeichnet sich durch einen sehr guten Faserverlauf im Formprozess aus. Darüber hinaus hat Lorenz ein etabliertes Verfahren zum Recycling von glasfaserverstärkten SMC-Materialien – im Hinblick auf Nachhaltigkeitsanforderungen der Automobilindustrie ein wichtiges Argument.

Unterkonstruktion und Batteriemodule

Für die Bodenkonstruktion des Batteriegehäuses griffen die Kooperationspartner auf Aluminium als typischen Leichtbauwerkstoff zurück. Insgesamt war das Ziel für die Bodenstruktur die Realisierung einfacher Geometrien und, damit einhergehend, die Reduzierung der Fertigungskosten.

„Die Bodenplatte als Basis der gesamten Batteriekonstruktion wurde mit Querträgern versehen, um die Batteriemodule darauf befestigen zu können. Auch die Trägerplatte für das Batteriemanagementsystem wurde auf der Aluminiumbasis fixiert“, erklärt Philipp Taschner, Project Engineer bei Vestaro. Darüber hinaus sorgen zwei Aluminium-Deformationselemente für die nötige Seitenaufprallsicherheit durch Absorption. Die Modulausrichtung der Batteriezellen erlaubt die Trennung der elektrischen Pole, was im Falle eines Crashs eine höhere Sicherheit gewährleistet und eine einfache Kühlung ermöglicht.

Bei der Bestückung mit Batterien fand das Superzellenkonzept von Lion Smart Verwendung. „Die Konstruktion dieser Zellen ist durch die Verwendung einer geringen Anzahl an Bauteilen bereits auf eine vollautomatisierte, kosteneffiziente Produktion ausgelegt“, erklärt Taschner. „Um eine möglichst hohe Sicherheit der Batterien zu gewährleisten, wird ein nicht brennbares dielektrisches Kühlmittel verwendet, das die Zellen komplett umschließt.“ Auf diese Weise konnte nicht nur eine verbesserte Sicherheit, sondern auch eine reduzierte Zellenalterung erzielt werden, da sich die Durchschnittstemperatur innerhalb der Batterie konstant in einem niedrigen Bereich befindet.

Der modulare Aufbau der Batterie in Form einer Reihenschaltung ermöglicht außerdem eine flexible Anpassung der Anzahl der Module, die sich durch ihre geringe Höhe von 90 mm auszeichnen.

Validierung des gesamten Batteriekonzepts

„Um die Sicherheit und Alltagstauglichkeit des Konzepts unter realen Bedingungen zu testen, wurde es durch die Experten von Forward Engineering, Abteilung Computer Aided Engineering (CAE), im Rahmen struktureller und sicherheitsrelevanter Simulationen ausgiebig geprüft“, berichtet Taschner. Die Tests umfassten dabei eine Simulation der Gesamtsteifigkeit in Biegung und Torsion ebenso wie einen seitlichen Polaufprall mit bis zu 350 kN und die Kurzdruckfestigkeit bei thermischem Ausreißen, die alle ohne Beanstandung absolviert wurden.

Dabei konnte die limitierte mechanische Performance der Bodenstruktur, bedingt durch deren bewusst simpel gehaltene Geometrie, dank des mithilfe der Design-Freiheiten optimierten Deckels aus GF-SMC wirkungsvoll kompensiert werden. „Die isolierenden Vorteile des Epoxid-SMC-Gehäuses kamen dabei vor allem im Rahmen der thermischen 2D-Simulation des Akkupacks zum Tragen“, erläutert Ooms. „Unser Material übersteht eine zehnminütige Hitzeeinwirkung von 800 °C ohne Durchbrennen und schützt andererseits durch seine isolierenden Eigenschaften die umgebenden Bauteile und Materialien vor Temperaturen über 300 °C.“ Da sich in der Vergangenheit glasfaserverstärkte SMC-Materialien als schwierig zu verarbeiten gezeigt hatten, wurde auch dieser Punkt intensiv getestet.

Serientauglichkeit unter Beweis

Lorenz fertigte dabei mehrere komplexe Hardware-Demonstratoren, um die Serientauglichkeit des Materials und des Fertigungsprozesses zu verifizieren. „Unter Verwendung des Diamin-basierten Epoxidhärters Vestalite S ist es uns gelungen, ein einfach und schnell zu verarbeitendes SMC-Material mit den erforderlichen mechanischen Eigenschaften herstellen“, sagt Ooms. „Bei unseren Versuchen ließen sich Aushärtungszeiten von drei Minuten erreichen, ohne dass die Werkstücke am Werkzeug verkleben.“

Hinzu kommt, dass SMC mit Vestalite S keine Styrol- sowie lediglich geringe VOC-Emissionen aufweist. Auf diese Weise haben die Kooperationspartner bereits verschiedene Konfigurationen ihres Batteriekonzepts realisiert.

„Aktuell bieten wir drei Energiekonfigurationen an, die im Hinblick auf Energiedichte, Sicherheit und Kosten mit den gängigen Batteriemodellen am Markt konkurrieren können oder diese sogar übertreffen“, resümiert Taschner. „Mit einem Gesamtgewicht von 412,1 kg bei 65 kWh, 527,3 kg bei 85 kWh und 789,2 kg für die Konfiguration mit 800 V bei 120 kWh sowie dem modularen und flexiblen Gesamtkonzept sehen wir uns für den Wettbewerb mit anderen Anbietern in diesem Bereich bestens gerüstet.“

Bildergalerie

  • Der modulare Aufbau der Batterie in Form einer Reihenschaltung ermöglicht eine flexible Anpassung der Anzahl der Module, die sich durch ihre geringe Höhe von 90 mm auszeichnen.

    Der modulare Aufbau der Batterie in Form einer Reihenschaltung ermöglicht eine flexible Anpassung der Anzahl der Module, die sich durch ihre geringe Höhe von 90 mm auszeichnen.

    Bild: Vestaro

  • Das Batteriekonzept des Konsortiums setzt sich aus einer flachen Aluminiumbodenplatte mit Querträgern zum Befestigen der Batteriemodule sowie einer Trägerplatte für das Management des Batteriesystems und dem dreidimensionalen Gehäusedeckel aus einem glasfaserverstärktem Epoxid-SMC zusammen.

    Das Batteriekonzept des Konsortiums setzt sich aus einer flachen Aluminiumbodenplatte mit Querträgern zum Befestigen der Batteriemodule sowie einer Trägerplatte für das Management des Batteriesystems und dem dreidimensionalen Gehäusedeckel aus einem glasfaserverstärktem Epoxid-SMC zusammen.

    Bild: Vestaro

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