Für die moderne industrielle Produktion bietet die Technik heute eine Fülle von Lösungsmöglichkeiten, von denen ich als junger Ingenieur nicht zu träumen gewagt hätte. Gleichzeitig entsteht teilweise der Eindruck, der Mensch als analoges Wesen, wird in der künftigen Digitalwelt nicht mehr benötigt. Internetbasierte Auswahlhilfen, Chatbots und eine vollautomatisierte vernetzte Produktion mit intelligenten selbstlernenden Robotern machen das schon. Und sollte doch noch menschliche Arbeit nötig sein, verlagern wir diese Tätigkeit weit nach Osten, denn da ist sie billiger. Doch stimmt das auch?
Nein. Bei hochlaufenden Stückzahlen und zunehmender Produktvariabilität kombiniert mit häufigen Umrüstungen ist die Verlagerung nach Asien nicht erfolgreich. Ganz aktuell zeigen uns die fragilen Logistikketten, wie vulnerabel und riskant diese Strategie ist. Unter Berücksichtigung wirklich aller Kosten ist eine lokale Produktion oftmals sinnvoller. Denn Qualitätsmängel oder Lieferengpässe können statt zu den erwarteten Kosteneinsparungen schnell zu Umsatz- und Ertragseinbußen oder sogar zum Verlust eines Kunden führen.
Mit modernen, digitalisierbaren Montagearbeitsplätzen bleiben komplexe manuelle Produktionsprozesse auch in Hochlohnländern bezahlbar. Für eine erfolgreiche Realisierung solcher Arbeitsplätze müssen zunächst sämtliche Arbeitsplatz-Anforderungen möglichst vollständig definiert werden. Reicht eine einfache Montage, arbeite ich mit geschultem Personal oder setze ich häufig Aushilfen ein? Muss ich die korrekte Montage permanent aktiv überwachen? Benötige ich einen zusätzlichen Roboter oder Cobot, weil der Konstrukteur einen Oktopus als Monteur vorausgesetzt hat? Anhand dieser Informationen kann ein kompetenter Anbieter eine Lösung empfehlen und gemeinsam mit dem Kunden realisieren.
In der Vergangenheit wurde in Seminaren empfohlen, das Wissen der Lieferanten stärker zu nutzen und diese in die Produktentwicklung beziehungsweise Produktionsoptimierung einzubinden. Durch die heute vielfach vorhandenen Internet-Konfiguratoren mit ihren mehr oder wenig begrenzten Möglichkeiten wird dieses, für mich nach wie vor sinnvolle, Vorgehen konterkariert. Niemand kann auf allen Gebieten bewandert sein und ich kann nicht nachvollziehen, warum ich als Kunde die Arbeit machen soll, für die ich den Lieferanten bezahle. Sofern ich mich nicht schon auf einen Partner festgelegt habe, möchte ich ja nicht nur eine Lösungsmöglichkeit sehen, sondern bereits am Angebot erkennen, ob der Lieferant ein kompetenter Lösungsanbieter oder ein Komponentenverkäufer ist. Ich möchte mich als Kunde nicht durch zwei, drei oder mehr Konfiguratoren quälen, was im Privaten eventuell interessant, im Geschäftsleben jedoch pure Zeitverschwendung ist.
Bei einer Entscheidung für eine lokale Montage sollte zusätzlich auch die soziale Verantwortung der Unternehmen berücksichtigt werden. Es gibt Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die wir mithilfe menügeführter Arbeitsstationen und unterstützender Systeme, wie beispielsweise dem Poka-Yoke-System, dennoch durchaus erfolgreich in die Produktionsprozesse einbinden können. Das Ergebnis ist gute Arbeit zu einem wettbewerbsfähigen Preis – bei Ihnen in der Nähe und nicht am anderen Ende der Welt. So kann aus einer klassischen Win-Win- eine Multi-Win-Situation entstehen, die belegt, dass der menschliche Einfallsreichtum, richtig eingesetzt, nach wie vor grenzenlos und künstlich nicht ersetzbar ist.