Saisonale Energiespeicherung Wie sich Wasserstoff günstig mit Eisen speichern lässt

Die ETH-Forscher Samuel Heiniger (links, mit einem Glas Eisenerz) und Prof. Wendelin Stark vor den drei Eisenreaktoren am Campus Hönggerberg der ETH Zürich

Bild: ETH Zürich
17.09.2024

ETH-Forschende haben eine neue Technologie entwickelt, um Wasserstoff saisonal zu speichern. Sie ist sicherer und günstiger als bestehende Lösungen und nutzt zudem eines der häufigsten Elemente der Erde: Eisen. Auch die Skalierbarkeit der Technologie fällt gut aus.

Bis 2050 soll Photovoltaik über 40 Prozent des Schweizer Strombedarfs decken. Gemäß der Energiestrategie des Bundes will die Schweiz die Winterstromlücke dabei mit einer Kombination aus Importen, Wind- und Wasserkraft sowie durch alpine Solaranlagen und Gaskraftwerke schließen. Eine Möglichkeit, den Anteil der Importe und von Gaskraftwerken im Winter möglichst klein zu halten, ist die Produktion von Wasserstoff aus günstigem Solarstrom im Sommer, der dann im Winter verstromt werden könnte.

Doch Wasserstoff ist hochentzündlich, extrem flüchtig und macht viele Materialien spröde. Um das Gas vom Sommer bis in den Winter zu speichern, sind spezielle Druckbehälter und Kühltechniken erforderlich. Diese benötigen viel Energie, und der Bau der Speicheranlagen ist aufgrund der vielen Sicherheitsvorkehrungen sehr teuer. Zudem sind Wasserstofftanks nie ganz dicht, was die Umwelt belastet und zusätzliche Kosten verursacht.

Forscher der ETH Zürich um Wendelin Stark, Professor für funktionale Materialien am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, haben nun eine neue Speichertechnik entwickelt, um Wasserstoff saisonal zu speichern. Diese Art der Speicherung soll viel sicherer und günstiger als bestehende Lösungen sein. Neben einer bekannten Technologie nutzen die Wissenschaftler dabei das vierthäufigste Element der Erde: Eisen.

Aufladen wie bei einer Batterie

Um Wasserstoff besser speichern zu können, stützen sich Stark und sein Team auf das Eisen-Dampf-Verfahren, das bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist. Wenn in den Sommermonaten zu viel Solarstrom vorhanden ist, kann damit Wasser aufgespalten werden, um Wasserstoff zu erzeugen. Dieser Wasserstoff wird dann in einen 400 °C heißen Edelstahlkessel geleitet, der mit natürlichem Eisenerz gefüllt ist. Dort entzieht der Wasserstoff dem Eisenerz – das chemisch nichts anderes ist als Eisenoxid – den Sauerstoff, wodurch elementares Eisen und Wasser entstehen.

„Dieser chemische Prozess gleicht dem Aufladen einer Batterie. So kann die Energie des Wasserstoffs fast verlustfrei über lange Zeit als Eisen und Wasser gespeichert werden“, erklärt Stark. Wird die Energie im Winter wieder benötigt, drehen die Forscher den Prozess um: Sie leiten heißen Wasserdampf in den Kessel, wodurch aus dem Eisen und Wasser wieder Eisenoxid und Wasserstoff entstehen. Der Wasserstoff kann dann in einer Gasturbine oder Brennstoffzelle in Strom oder Wärme umgewandelt werden. Um für den Entladevorgang möglichst wenig Energie zu brauchen, wird die Abwärme der Entladereaktion genutzt, um den Wasserdampf zu erzeugen.

Zehnmal günstiger als klassische Verfahren

„Der große Vorteil der Technologie ist, dass das Ausgangsmaterial Eisenerz einfach und in großen Mengen zu beschaffen ist“, sagt Stark. „Zudem müssen wir es nicht einmal aufbereiten, bevor wir es in den Kessel geben.“ Die Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass man weltweit große Eisenerzspeicher bauen könnte, ohne den Weltmarktpreis von Eisen substanziell zu beeinflussen.

Auch der Kessel, in dem die Reaktion stattfindet, muss keine besonderen Sicherheitsauflagen erfüllen. Er besteht aus nur 6 mm dicken Edelstahlwänden. Die Reaktion läuft unter normalem Druck ab, und die Speicherkapazität steigt mit jedem Zyklus. Der Kessel mit Eisenoxid kann für beliebig viele Speicherzyklen wiederverwendet werden, ohne dass das Eisenoxid ausgetauscht werden muss.

Ein weiterer Vorteil der Technologie ist, dass sich die Speicherkapazität leicht vergrößern lässt. Dazu sind größere Kessel zu bauen und mehr Eisenerz einzufüllen. Alle diese Vorteile sollen die Speichertechnologie rund zehnmal günstiger als bestehende Verfahren machen.

Die Verwendung von Wasserstoff hat jedoch auch einen Nachteil: Seine Herstellung und Umwandlung sind im Vergleich zu anderen Energieträgern ineffizient, da dabei bis zu 60 Prozent der Energie verloren geht. Wasserstoff ist daher als Speichermedium vor allem dann interessant, wenn genügend Wind- oder Solarstrom vorhanden ist und andere Optionen nicht infrage kommen. Dies ist vor allem bei industriellen Verfahren der Fall, die nicht elektrifiziert werden können.

Pilotanlage in Hönggerberg

Die technische Machbarkeit der Speichertechnologie haben die Forscher anhand einer Pilotanlage am Campus Hönggerberg demonstriert. Diese besteht aus drei 1,4 m3 großen Edelstahlkesseln, die mit jeweils 2 bis 3 t am Markt erhältlichem, unbehandeltem Eisenerz befüllt wurden.

„Die Pilotanlage kann langfristig rund 10 MWh Wasserstoff speichern. Je nachdem, wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus 4 bis 6 MWh Strom“, erklärt Samuel Heiniger, Doktorand in Starks Forschungsgruppe. Dies entspricht dem Strombedarf von drei bis fünf Schweizer Einfamilienhäusern in den Wintermonaten.

Aktuell läuft die Anlage noch mit Strom aus dem Netz und nicht mit dem auf dem Campus Hönggerberg gewonnenen Solarstrom. Das soll sich bald ändern: Bis 2026 wollen die Wissenschaftler die Anlage ausbauen und ein Fünftel des Strombedarfs des ETH-Campus Hönggerberg im Winter mit eigenem Solarstrom aus dem Sommer decken. Dafür wären Kessel mit einem Volumen von 2.000 m3 nötig, die rund 4 GWh grünen Wasserstoff speichern können. Nach seiner Umwandlung in Strom würde der gespeicherte Wasserstoff rund 2 GWh Strom liefern.

„Diese Anlage könnte als saisonaler Energiespeicher einen kleinen alpinen Stausee ersetzen. Zum Vergleich: Dies wäre etwa ein Zehntel der Kapazität des Pumpspeicherkraftwerkes Nate de Drance“, verdeutlicht Stark. Zudem würden bei der Entladung 2 GWh Wärme anfallen, die die Forscher in das Heizungssystem des Campus integrieren wollen.

Gute Skalierbarkeit

Doch würde die Technologie auch für die saisonale Energiespeicherung der gesamten Schweiz funktionieren? Das Forschungsteam hat dazu erste Berechnungen angestellt: Würde die Schweiz in Zukunft jedes Jahr rund 10 TWh Strom aus saisonalen Wasserstoffspeichern beziehen – was zugegebenermaßen sehr viel wäre – wären dafür etwa 15 bis 20 TWh grüner Wasserstoff und etwa 10.000.000 m3 Eisenerz notwendig. „Diese Menge an Eisen entspricht etwa zwei Prozent dessen, was Australien, der größte Produzent von Eisenerz, jedes Jahr abbaut“, erklärt Stark. Zum Vergleich: Das Bundesamt für Energie rechnet in seinen Energieperspektiven 2050 mit einem Gesamtstromverbrauch von rund 84 TWh im Jahr 2050.

Würden Tanks gebaut, die je etwa 1 GWh Strom speichern können, hätten diese ein Volumen von rund 1.000 m3. Dafür wird Bauland von etwa 100 m2 benötigt. Von diesen Speichertanks müsste die Schweiz rund 10.000 bauen, um im Winter zehn TWh Strom zu beziehen, was etwa einer Fläche von 1 m2 pro Einwohner entspricht.

Bildergalerie

  • Lade- und Entladeprozess der neuen Speichertechnologie

    Lade- und Entladeprozess der neuen Speichertechnologie

    Bild: ETH Zürich

  • Der 1,4 m3 große Edelstahlkessel am Campus Hönggerberg fasst 2 bis 3 t unbehandeltes Eisenerz.

    Der 1,4 m3 große Edelstahlkessel am Campus Hönggerberg fasst 2 bis 3 t unbehandeltes Eisenerz.

    Bild: ETH Zürich

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