Mit zunehmender Häufigkeit werden die Hersteller elektronischer Baugruppen mit Abkündigungen der von ihnen verwendeten Bauteile konfrontiert. Hierfür sind verschiedene Ursachen verantwortlich: In den meisten Fällen spielt das Auseinanderdriften der Bauteil-Lebenszyklen aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche eine erhebliche Rolle. Die Elektronikindustrie hat auf dem Weltmarkt die höchste Änderungsdynamik, wovon naturgemäß der Bereich der elektronischen Bauelemente erheblich betroffen ist. Es werden immer die Bauteile hergestellt, welche der sich schnell ändernde Markt benötigt. Dadurch haben viele Teile eine Lebenszeit von wenigen Monaten, bis sie durch veränderte Produkte ersetzt werden. Vorreiter ist hier der Consumer-Bereich, welcher den weitaus größten Marktanteil besitzt, daher hat dieser Bereich für die Hersteller Priorität. Geräte anderer Industriesparten wie Automatisierungstechnik, Fahrzeugtechnik, Kraftwerkstechnik, Medizintechnik oder Luftfahrttechnik weisen dagegen teils erheblich längere Lebenszyklen auf und geraten dadurch bei der Bauteilversorgung zunehmend in Schwierigkeiten. So liegen die Lebenszyklen im Mobilbereich bei 8 Jahren, in der Verfahrenstechnik bei 15 Jahren und bei Kraftwerken oftmals bei 50 Jahren. Abkündigungen von Bauteilen werden auch durch Firmenübernahmen bzw. -verschmelzungen (Bereinigung des Produkt-Portfolios), Rohstoffknappheit, Renditeverbesserungen, Nachfragemangel oder Technologiewechsel bewirkt. Diese Zusammenhänge führen zu einer steigenden Anzahl von Produktabkündigungen, welche allein im Halbleiterbereich bei jährlich 20.000 Typen liegen.
Auf Vorrat kaufen
Grundsätzlich ist es sehr wichtig, die Information über eine Abkündigung so früh wie möglich zu erhalten. Man sollte nicht warten, bis eine Nachricht über den Bauteildistributor oder gar den Baugruppenfertiger eingeht, sondern den Bauelemente-Hersteller kontaktieren. Bei den meisten namhaften Herstellern kann man Informationen über Produktabkündigungen (Stichwort: EOL = End of Life) abonnieren und bekommt sie dann per E-Mail automatisch übermittelt. Dieser Zeitvorsprung ist für die Nutzung der von den meisten Herstellern eingeräumten Möglichkeit des „Last Time Buy“ vorteilhaft. Hierbei besteht die Möglichkeit, eine einmalige „letzte Bestellung“ für das betroffene Bauteil in der benötigten Losgröße zum gewohnten Preis zu platzieren. Die Bestellmenge richtet sich dabei nach der geplanten Laufzeit des relevanten eigenen Produktes, in jedem Fall kann durch Einlagerung eine gewisse Zeitspanne bis zum Anlauf weiterer Aktionen überbrückt werden. Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, dass die benötigten Mengen nur schwer prognostiziert werden können. Außerdem entstehen Kosten durch Kapitalbindung und sachgemäße Lagerung. Eine längerfristige Lagerung ist generell für die meisten Elektronikbauteile problemlos möglich. Kritisch sind lediglich Aluminium-Elektrolytkondensatoren, da diese während der Lagerung ihre elektrischen Eigenschaften verändern. Ansonsten gibt es nur bei Lagerzeiten von mehr als 10 Jahren gewisse Einschränkungen für LED- bzw. LCD-Bauteile sowie nichtflüchtige Speicher. Diese sollten daher immer unprogrammiert gelagert werden. Da es bezüglich der Lötbarkeit keine eindeutigen Zusammenhänge mit der Lagerzeit gibt, ist jedoch vor der Bauteilbestückung eine Prüfung der Lötfähigkeit empfehlenswert. Je nach Resultat müssen die Bauteile dann ggf. nachbehandelt werden; hier gibt es Dienstleister, welche die Lötbarkeit durch z.B. Behandlung mit Niederdruckplasma wieder herstellen können. In jedem Fall ist eine Langzeitlagerung in Dry Pack-Verpackung bei Raumtemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 40bis 60% rH vorzunehmen. Dabei sollten die Bauteile vor Licht, ESD und Erschütterungen geschützt sein.
Second Source
Ein probates Mittel gegen Bauteilabkündigungen ist der Übergang auf ein äquivalentes Ersatzbauteil (Second Source) eines anderen Herstellers. Dann zahlt es sich aus, wenn bereits bei der Geräteentwicklung entsprechende Schritte unternommen wurden und die Schaltung so ausgelegt ist, dass Ersatztypen einsetzbar, entsprechend getestet und in der Stückliste freigegeben sind. Dann kann ein Wechsel nahezu kostenneutral erfolgen (vorausgesetzt, der Preis des Ersatzbauteils ist nahezu gleich). Ansonsten kann auch versucht werden, im Nachhinein Ersatzbauteile zu finden, die ohne weitere Änderungen in die Fertigung einfließen können. Dadurch entstehen natürlich zusätzliche Kosten. Es müssen dazu außerdem Datenblätter des bisher verwendeten Bauteils vorliegen. Da die Daten abgekündigter Produkte jedoch meist kurzfristig von den Webseiten der Bauelemente-Hersteller gelöscht werden, ist es ratsam, schon bei der Entwicklung entsprechende Archivierungsschritte zu unternehmen. Das Ersatzbauteil kann auch aus einer anderen Variante des Originalbauteils bestehen. Manchmal sind Bauteile nur teilweise abgekündigt, zum Beispiel eine Temperaturversion oder Gehäuseausführung. Dann kann eine Ausführung mit einem größeren Temperaturbereich beziehungsweise über einen Gehäuseadapter eine andere Gehäuseversion verwendet werden.
Redesign der Baugruppe
Eine weitere Möglichkeit ist das Redesign einer Baugruppe. Darunter versteht man den Ersatz des abgekündigten Bauteils durch eine geänderte Schaltungstechnik mit der Implementierung eines aktuellen Bauteils. Diese Option ist jedoch sehr kostspielig und zeitaufwändig, denn sie beinhaltet einen kompletten Entwicklungsdurchlauf mit allen erforderlichen Prüfungen, Layoutänderungen der Baugruppe, Erstellung von Fertigungsdaten, Durchführung von Zulassungsprozeduren usw. Allerdings kann dadurch die Baugruppe auf den neuesten Technologiestand gebracht werden.
Andere Quellen bemühen
Existiert kein geeignetes Ersatzbauteil oder besteht kurzfristiger beziehungsweise stark veränderlicher Bedarf, so kann die Beschaffung des Bauteils über einen Bauteilservice erfolgen; dies gilt auch für bereits längere Zeit abgekündigte Bauteile, welche für die Fertigung eines bestimmten Geräteloses oder zur Überbrückung von Bedarfslücken benötigt werden. In diesem Fall sind einige Punkte zu berücksichtigen:
Der Bauteilpreis ist höher als vorher, da er sich nach Angebot und Nachfrage richtet.
Zumeist muss die Bestellmenge in einem Lieferlos abgenommen werden (keine Abrufaufträge).
Bei generell knappem Angebot muss eine Bestellung so schnell wie möglich erfolgen (Gefahr des Zwischenverkaufs).
Die Bauteile stammen zumeist aus weltweiten Fertigungs-Restbeständen, daher entstehen zusätzliche Transportkosten.
Bei älteren Bauteilen gibt es keine RoHS-Kompatibilität.
Es sind nachgearbeitete (gebrauchte) Bauteile und Plagiate im Umlauf, daher ist eine Prüfung der Bauteile erforderlich.
Die Prüfung der Bauteile ist nötig, um sicherzustellen, dass diese Herstellerqualität haben und dadurch problemlos einsetzbar sind, daher sollte sie bereits beim Beschaffungs-Dienstleister vor der Auslieferung erfolgen. Durch eine Kombination von Inspektionsschritten kann eine weitgehende Sicherheit erreicht werden. Hier ist insbesondere die elektrische Prüfung hervorzuheben, welche durch Vergleich mit einem Referenzmuster eine sehr hohe Prüfschärfe bietet. Der gesamte Inspektionsumfang kann auch per Dienstleister erfolgen, wie www.bauteiltest.de. Bei der Abkündigungs-Thematik gibt es keinen Königsweg. Für jeden Fall muss der Anwender die bestgeeignete Strategie festlegen. Generell kann die Problematik jedoch bereits bei der Geräteentwicklung entscheidend positiv beeinflusst werden.