Die Industrieelektronik ist neben der Kraftfahrzeugelektronik der unbestrittene Hoffnungsträger der europäischen und vor allem der deutschen Hersteller elektronischer Bauelemente. Beide Marktsegmente nehmen weltweit jeweils rund zehn Prozent der Halbleiter auf: im Jahre 2012 laut ZVEI-Statistik Industrie 10,1 und Automotive 9,6 Prozent. Die Anteile verschieben sich freilich in Europa mit 18 zu 28 Prozent sowie noch stärker in Deutschland zugunsten des Kraftfahrzeugs. Auch das Wachstum ist beeindruckend: Der Industriebereich nahm von 2000 bis 2012 um 45, weltweit sogar um 86 Prozent zu (Automotive im gleichen Zeitraum um 73, weltweit sogar um 145 Prozent). Dazu sollte jedoch die Applikationsvielfalt definiert werden, die unter den Begriff Industrieelektronik fällt: nämlich nicht nur die naheliegende Technik zur Automatisierung von Maschinen und Fertigungsanlagen, sondern auch die Zukunftshoffnungen Smart Grid und Smart Metering, Home Automation und Smart Home, Haushaltsgeräte sowie der ebenfalls stark wachsende Bereich der Medizin- und Gesundheitstechnik. Zur Erledigung der hierbei anfallenden, sehr unterschiedlichen Aufgaben sind praktisch alle Arten von Bauelementen - allen voran natürlich Halbleiterbausteine - und Baugruppen erforderlich.
Regionale Unterschiede
Auf weltweiter Basis schwächelte das Industriesegment im Vorjahr freilich etwas. So konstatierte das Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli einen leichten Abschwung von 5,4 Prozent. Acht der zehn führenden Unternehmen - mit Texas Instruments an der Spitze - mussten letztes Jahr Umsatzeinbußen hinnehmen; lediglich zwei konnten Gewinne verzeichnen. Insgesamt machten die Top Ten einen Umsatz von ungefähr 12,2 Milliarden US-Dollar - das bedeutet einen Anteil von 40,4 Prozent am gesamten Halbleiterbedarf der Industrieelektronik, der sich auf 30,15 Milliarden US-Dollar belief. Besagten Abschwung führt der bei IHS für Industrieelektronik zuständige Analyst Jacobo Carrasco-Heres auf eine Verlangsamung der weltweiten Märkte zurück, in denen die Chips eingesetzt werden, zum Beispiel in der Sicherheitstechnik (Security), bei Testen und Messen, Motorantrieben, Zählerstandserfassung, Medizinelektronik sowie erneuerbaren Energien. „Die anämische Performance dieser Segmente führte zu Umsatzverlusten der Top Ten zwischen 0,7 und 20,4 Prozent.“ Andererseits stimmen die langfristigen Aussichten durchaus wieder optimistisch. Die Ergebnisse der Semicast-Studie „Industrial & Medical Semiconductor Service“ sagen dem industriellen Bereich zwischen 2011 und 2017 ein durchschnittliches Jahreswachstum (CAGR) von 9,3 Prozent auf über 55 Milliarden US-Dollar voraus. Die in diesem Zeitraum in der Industrieelektronik verwendeten Halbleiterkomponenten summieren sich auf immerhin 300 Milliarden US-Dollar: Eine stattliche Summe, die - wie der Autor der Studie, Colin Bamden, meint - für die Halbleiterbranche doch überaus attraktiv sein dürfte.
Fokus auf einfachere Branchen
Eine gewisse Bremswirkung kommt zum Teil auch aus dem Management. Denn nach wie vor halten viele Unternehmer den Industriesektor für zu komplex und zu „zerfasert“, um sich darauf zu konzentrieren. Ihr Fokus gilt vielmehr den einfacheren, rascheren Chancen in den drei C-Bereichen (Computer, Consumer und Communication), die mit mehr „Glamour“ verbunden sind. Zweifellos liegen die betroffenen Anwendungsbereiche wie beispielsweise Videoüberwachung, Monitoring lebenswichtiger Parameter oder landwirtschaftliche Maschinen recht weit auseinander. Gleichwohl ist die Einstellung sehr kurzsichtig, darauf verzichten zu wollen. Immerhin beanspruchten die industriellen Einsatzbereiche zur Zeit der Semicast-Erhebung, wie oben bereits erwähnt, nahezu elf Prozent des Halbleiter-Gesamtmarkts (300 Milliarden US-Dollar), etwas mehr als der Automotive-Sektor.
Analog liegt vorne
In den genannten kumulativen 300 Milliarden US-Dollar von 2011 bis 2017 nimmt das Analog-Segment - bestehend aus anwendungsspezifischen ICs und universellen Analogbausteinen - mit 80 Milliarden US-Dollar den Löwenanteil ein. Man könnte es als das Arbeitspferd der industriellen Halbleitermarkts betrachten: In den Zahlen spiegelt sich die Notwendigkeit wieder, Umweltvariablen wie Temperatur, Druck oder Position genau zu messen und zu digitalisieren, wie sie in der überwiegenden Mehrzahl der industriellen Applikationen die funktionelle Grundlage ist. Normalerweise erweist sich durch die Forderungen nach hoher Präzision oder nach hohen Geschwindigkeiten sowie durch spezielle Vorgaben die applikationsspezifische Auslegung der Analogfunktionen als unzweckmäßig; dadurch ist der Markt für universelle Analogbausteine groß und wird voraussichtlich stark wachsen. Außerdem sorgt der Einsatz von Bluetooth, NFC, RFID sowie anderen drahtlosen Kommunikationsprotokollen im industriellen Sektor für ein starkes Wachstum von anwendungsspezifischen Analog-ICs. Diskrete und Leistungsmodule folgen an nächster Stelle mit einem prognostizierten kumulativen Umsatz von 60 Milliarden US-Dollar. Zu den wichtigsten Einsatzbereichen zählen hier die Beleuchtung, Motorsteuerungen sowie Leistungs- und Energieversorgungssysteme. Anschließend kommen Mikrocontroller und DSPs mit 40 Milliarden US-Dollar, worin die 32-Bit-Ausführungen wohl das stärkste Wachstum aufweisen werden. Auf diesem Feld finden die Kämpfe um Marktanteile zwischen Intel und der ARM-Armada - vorneweg Atmel, Freescale, STM, TI und Toshiba - statt. Auch der Ersatz von Glühlampen durch LED-Beleuchtungen sowie die Erschließung neuer Beleuchtungsgebiete durch LEDs treibt den Optoelektronikumsatz für mindestens die nächsten zehn Jahre weiter stark nach oben. Außerdem prognostizieren die Marktforscher eine hohen Bedarf an CCDs und Bildsensoren für den Einsatz in der industriellen Bildverarbeitung sowie in der Videoüberwachung, während Optokoppler weiterhin eher durch den Kraftfahrzeugsektor stark nachgefragt werden. Im ersten Quartal des laufenden Jahres ergab sich laut IHS für in der Industrieelektronik eingesetzte Halbleiter ein besseres Ergebnis als erwartet, weil „die makroökonomischen Gegenwinde weniger stark waren als ursprünglich befürchtet“. Die Chip-Umsätze erreichten in diesem Zeitraum 7,71 Milliarden US-Dollar weltweit. Das ist zwar nur ein leichtes Plus gegenüber dem vierten Quartal 2012, bedeutet jedoch eine Wendemarke gegenüber den minus drei Prozent des letzten Vorjahresquartals sowie gegenüber dem Umsatzrückgang von ebenfalls drei Prozent im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Experten sehen darin ermutigende Vorzeichen, besonders angesichts globaler ökonomischer Unsicherheiten sowie der Tatsache, dass sich der industrielle Halbleitermarkt im ersten Quartal meist schwächer bewegt. Diesmal wirkten sich besonders die Avionik sowie Automatisierungsanlagen zur Öl- und Gasverarbeitung mit Steigerungen im zweistelligen Bereich stützend auf den Gesamtumsatz aus.
Geringe Lagerbestände
Hinzu kommt ein weiterer positiver Trend: Mehrere große Anbieter von industriellen Halbleitern meldeten sehr geringe Lagerbestände wegen großer Bestellungen von Kunden. Dazu zählen sowohl Infineon als auch Analog Devices und TI. Infineon meldete höhere Umsätze bei IGBTs, AD in der Fabrikautomation sowie in der Medizintechnik und TI bei den Analogprodukten allgemein. Darüber hinaus berichteten auch Xilinx (für die Produktfamilien für Messgeräte, Militär und Medizin) sowie Microsemi (für Medizinelektronik) ein gesundes Wachstum. Die Branche bleibt jedoch nicht von den Auswirkungen der Eurokrise verschont. Die finanziellen Schwierigkeiten besonders in Griechenland, Italien und Spanien wirkten sich insgesamt verlangsamend auf das Wachstum aus, besonders jedoch im kommerziellen Markt für Gebäude- und Heimsteuerung. Deshalb wurden die einzelnen Sektoren für Beleuchtung, Sicherheit, Klimaanlagen und medizinische Bildgebung, im Vergleich zur positiven Performance in diesen Bereichen im vierten Quartal 2012, stark beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu zeigten sich in China starke Wachstumsmomente sowie eine wesentlich verbesserte Nachfrage über zahlreiche industrielle Einsatzgebiete hinweg. So meldeten Siemens, Philips, ABB und Schneider Electric nennenswerte Quartalsverbesserungen ihrer dort getätigten Umsätze.