Wirtschaftliches Fahren beschreibt einen Fahrstil, der den Energieverbrauch optimiert und signifikant zur Reduzierung von Emissionen beiträgt, wie von der Europäischen Kommission im „Weißbuch Verkehr“ gefordert. Das Identifizieren und Einstellen von ineffizienten Fahrweisen und energieintensiven Manövern wie scharfem Bremsen und unnötigem Beschleunigen bieten das Potenzial, Betriebskosten und Emissionen zu senken sowie die Sicherheit der Fahrgäste zu erhöhen.
Während das Potenzial von ökologischem Fahren im Privatbereich und bei Dieselbussen bereits bekannt ist, wird ökologisches Fahren bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) weitgehend noch nicht praktiziert und es gibt – je nach Fahrzeugtyp – wenig bis gar keine unterstützenden Trainings- oder Fortbildungsmaßnahmen zu dieser Thematik.
Ist die technische Ausgereiftheit bei elektrisch betriebenen Fahrzeugtypen wie der Straßenbahn und dem Trolleybus bereits seit Jahrzehnten gegeben und mittlerweile auch beim Hybridbus erreicht, sind insbesondere auch soziale Innovationen auf organisatorischer sowie humanzentrierter Ebene – im Sinne des Erfolgsfaktors „Mensch“ – einzuführen, die ebenfalls zu einer erhöhten Wirtschaftlichkeit von elektrisch betriebenen ÖPNV-Systemen führen können.
Vor diesem Hintergrund entwickeln ÖPNV-Betreiber, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie „clean vehicle“-Hersteller im Projekt Actuate des Programms „Intelligente Energie – Europa“ (IEE) Trainingskonzepte und allgemeine Bildungsmaßnahmen für das wirtschaftliche Fahren oder „Eco-Driving“ elektrisch betriebener Fahrzeuge im ÖPNV.
Trainingsprogramm wird zur Pflicht
Der Entwicklung der Trainingsprogramme für wirtschaftliches Fahren ging eine gemeinsame Definition von Mindestanforderungen und Standards seitens der Projektpartner voraus, zum Beispiel bezüglich zu erreichender Qualitätskriterien für die Trainings. Somit wurde gewährleistet, dass die Trainings in zukünftige Fortbildungen öffentlicher Verkehrsbetriebe wie auch in zukünftige Qualifikationsrahmen für Berufsfahrer integriert werden können. Zudem wurden die entwickelten Trainingsprogramme durch alle Projektpartner sowie externe ÖPNV-Betreiber überprüft und validiert. So wurde zum Beispiel nach der erfolgreichen Pilotphase das Trainingsprogramm zum wirtschaftlichen Fahren von elektrischen Bussen von den beteiligten Betrieben Salzburg (Trolleybusse) und Leipziger Verkehrsbetriebe (Hybridbusse) als verpflichtender Weiterbildungsbestandteil im Rahmen der EU-Richtlinie 2003/59/EG zur Berufskraftfahrer Aus- und Weiterbildung eingeführt.
Neben den Trainingsprogrammen pro Fahrzeugtyp, die einen hohen praktischen Teil aufweisen, sind zudem begleitende Motivationskampagnen entwickelt worden. Die Konzepte reichen dabei von Poster-Kampagnen bis hin zu Bonuspunkte-Systemen, die die Fahrer elektrisch betriebener Fahrzeuge im ÖPNV langfristig an die Thematik erinnern und zudem motivieren sollen, die erlernte Fahrweise dauerhaft anzuwenden.
Erste Ergebnisse der Fahrertrainings
Als erster Projektpartner des Actuate-Konsortiums hat der Betrieb Salzburg alle seine 250 Trolleybusfahrer erfolgreich in der wirtschaftlichen Fahrweise geschult. Neben einer 3,5-stündigen Theorieschulung absolvierten alle Teilnehmer einen ebenfalls 3,5-stündigen praktischen Übungsteil auf einer regulären Linienstrecke in Salzburg. Wie Vorher-Nachher-Messungen mittels speziell entwickelter Messsoftware ergaben, konnten mehr als 90 Prozent aller teilnehmenden Fahrer durch die konsequente Anwendung der erlernten Fahrtechniken den Energieverbrauch ihrer Fahrzeuge im Durchschnitt um 20 Prozent senken.
Neben diesem Einsparpotenzial ergab eine Befragung der geschulten Fahrer zudem, dass mehr als 90 Prozent der Salzburger Trolleybusfahrer die Qualität der Actuate Fortbildung als „exzellent“ oder „sehr gut“ bewertet haben. Darüber hinaus bewerteten fast 90 Prozent der Fahrer das Thema „sichere und wirtschaftliche Fahrweise“ für „sehr wichtig“ oder „wichtig“ für ihre tägliche Arbeit. Besonders positive Rückmeldungen erhielt vor allem der umfangreiche praktische Teil des Actuate-Trainings. Dieser wurde von den meisten Fahrern als „besonders effektiv“ bewertet.
Auch in Leipzig fanden bereits Actuate-Trainings in Kooperation mit den Leipziger Aus- und Weiterbildungsbetrieben (LAB) statt. Bisher nahmen zirka 600 Busfahrer der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an den Schulungen – mit Theorie- und Praxisteil – zur sicheren und wirtschaftlichen Fahrweise mit Hybridbussen teil. Im Rahmen der Trainings wurden durchschnittliche Energieeinsparungen von 13 Prozent gemessen (rund 350 auswertbare Datensätze), zum Teil sogar bis zu 17 Prozent in Abhängigkeit vom Status der Softwareversion je Fahrzeug, zum Beispiel für die Eventsteuerung. Für den Straßenbahnbereich wurden 20 Fahrer als Multiplikatoren ausgebildet, die ihr Wissen auf Fahrten im regulären Linienbetrieb an die restlichen Kollegen weitergeben sollen.
Für den regulären Linienbetrieb gehen beide Betriebe, Salzburg und die LVB, von einer durchschnittlichen Einsparung von fünf Prozent aus. Der „reine“ Effekt des Fahrertrainings auf den Energieverbrauch der Flotten lässt sich jedoch in den bisherigen Langzeitverbrauchsmessungen und -vergleichen kaum bis gar nicht nachweisen. Hierzu haben im Linienverkehr auch vom Fahrer nicht zu beeinflussende Faktoren wie das Verkehrsaufkommen, die Auslastung des Busses oder der Fahrzeugtyp einen zu großen Einfluss auf den Energieverbrauch. Umso mehr gewinnen die vom Fahrer beeinflussbaren Faktoren wie Fahrstil, vorausschauende Fahrweise und Regelung von Heizung, Klimaanlage und Lüftung jedoch auch an Bedeutung.
Energiesparend fahren
Die Actuate-Partner entwickeln derzeit daher alternative Auswertungsmethoden, die von verbesserten Messsoftwarelösungen bis hin zu stärker qualitativ auswertbaren Kriterien reichen, zum Beispiel durch die Beobachtung von Fahrverhalten und Bewertung von Fahrmanövern durch „Verkehrsmeister“ während der Fahrt.
Die ersten Ergebnisse der Actuate-Trainingsprogramme belegen schon jetzt: werden elektrisch betriebene Bus- und Straßenbahnflotten durch Fahrertraining energieeffizienter gefahren, ergibt sich ein Einsparpotenzial von mehreren tausend Euro pro Fahrzeug und Jahr. Die erhöhte Energieeffizienz führt gleichermaßen zur Reduzierung von Luftverschmutzung und CO2-Emissionen in Städten und geht daher mit noch größeren Umweltvorteilen elektrisch betriebener Fahrzeuge gegenüber vergleichbaren Dieselfahrzeugen im ÖPNV einher.
Weitere Informationen
[1] Actuate-Internetseite : www.actuate-ecodriving.eu
[2] Fortbildungsprogramm Actuate hilft bei der Reduzierung des Energieverbrauchs ; In: stadtverkehr, 58. Jg., 2013, EK-Verlag.