Interview mit dem Geschäftsführer von Smight Daten als Grundlage für das Niederspannungsnetz der Zukunft

SMIGHT GmbH

Oli Deuschle, Geschäftsführer Smight

Bild: SMIGHT
09.09.2024

Mithilfe von Echtzeitdaten sorgt Smight für einen effizienten Netzbetrieb und damit für das Gelingen der Energiewende. Um herauszufinden, wie es tatsächlich um die Niederspannungsnetze steht, hat das Unternehmen seine erfassten Daten analysiert und interpretiert. Oliver Deuschle, einer der beiden Geschäftsführer von Smight klärt auf, was dies für Verteilnetzbetreiber bedeutet und welche Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.

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Herr Deuschle, was genau verraten denn die Messungen? Wie geht es den Netzen in der Niederspannung?

Wir haben anhand unserer Live-Messungen den Zustand von 15.000 Niederspannungskabeln über ein ganzes Jahr hinweg analysiert. Vierphasig gemessen, sind das 525.600 Werte pro Minute. Die Messpunkte waren über ganz Deutschland verteilt, sodass wir damit einen ganz guten Überblick über den Zustand im deutschen Niederspannungsnetz bekommen konnten. Wobei ich betonen muss, dass Netzbetreiber natürlich eher dort Messungen installieren, wo sie auch kritische Netzzustände erwarten.

Ihre Messungen werfen ja unweigerlich die Frage auf, wie man diese knapp vier Prozent einzuschätzen hat und was das für die Zukunft der Niederspannungsnetze bedeutet?

Ich würde sagen, der Wert ist ganz okay. Wir haben aktuell noch kein systematisches Kritikalitätsproblem im deutschen Niederspannungsnetz. Der COR von 3,9 Prozent repräsentiert ja den Ist-Zustand. Es gibt aber bereits punktuelle Überlastsituationen, die aufgrund der Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende entstehen. Dieser Lastzuwachs stellt Verteilnetzbetreiber vor die Herausforderung, die kritischen Punkte in ihrem Netz zu identifizieren, um dann rechtzeitig durch Netzumschaltungen oder Netzausbau reagieren zu können. Nun stellt sich aber die Frage, wie stark sich die Kritikalität aufgrund der Elektrifizierung von Wärme, Verkehr und Energieerzeugung verändern wird. Dafür rechnen wir für jeden Messpunkt auf diesen 15.000 Niederspannungsabgängen mit einem linearen Lastzuwachs von 35 Prozent bis zum Jahr 2030 – wir halten das für eine sehr konservative Annahme. Den Netzausbau, der hoffentlich in den kommenden Jahren parallel stattfindet, haben wir dabei nicht berücksichtigt. Der COR erhöht sich damit auf 12,4 Prozent. Die Kritikalität wächst also exponentiell mit der Lastzunahme – das ist schon sehr signifikant. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie hoch der Lastzuwachs tatsächlich sein wird: Netzbetreiber müssen die exponentielle Zunahme der Kritikalität im Auge behalten, um rechtzeitig handeln zu können.

Bedeutet das, dass im Grunde genommen überall Messdaten erhoben werden müssen?

Idealerweise ja. Unser Kunde, die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, beispielsweise hat mit Smight-Messtechnik eine Ausstattungsquote von 80 Prozent. Ihre Devise ist: Was ich messe, muss ich nicht berechnen oder abschätzen. Die Messdaten bringen eine hohe Genauigkeit an Informationen und die Sicherheit, um Phasen-Asymmetrien oder Phänomene auf dem Neutralleiter zu identifizieren. Denn in diesen Fällen hilft auch keine ergänzende Netzberechnung.

Sie verweisen auf die Kombination von Messtechnik mit Netzberechnung. Welche Ausstattungsquote von Messtechnik empfehlen Sie denn?

Mit einer guten Sachdatenlage, genügen fürs Erste 20 Prozent Ausstattung. Der Rest lässt sich durch Netzberechnung einigermaßen gut abschätzen. Wer sicher gehen möchte, erhöht seine Ausstattungsquote peut à peut auf 50 oder gar 80 Prozent wie die Ludwigsburger.

Was würden Sie sagen: Wie sieht der optimale Weg für eine zukunftsfähige Netzplanung anhand von Messdaten aus?

Wir sprechen hier von einer messdatenbasierten Netzplanung. Anhand einer Messstrategie oder eine Clusteranalyse werden im ersten Schritt systematisch die kritischen Netzbereiche identifiziert, mit Messtechnik ausgestattet und überwacht. Und ich sehe somit schnell, was im Netz los ist, wie kritisch die gemessenen Niederspannungsabgänge tatsächlich sind und welche Ursache sie haben: Handelt es sich um Blindleistung, Asymmetrien oder Ladeverhalten von Wallboxen. Netzplaner können anhand der tatsächlich gemessenen Lastprofile bereits Anpassungen in der Netzplanung vornehmen. Sie können aber auch ihre Planungsdatensätze mit den Live-Daten anreichern und damit eine realitätsnahe Simulation durchführen. Und es besteht die Möglichkeit, einzelne Netzbereiche mit einem Netzberechnungsprogramm zu modellieren, um den Netzzustand zu bewerten.

Jetzt gibt es aber nicht nur Themen wie die vorausschauende Netzplanung, sondern konkrete Aufgaben, die es zu bewältigen gilt – zum Beispiel die Umsetzung von Paragraph 14a…

Der Gesetzgeber ermöglicht Netzbetreibern seit diesem Jahr, kritische Netzsituationen durch Dimmen von spezifischen Lasten wie Wallboxen, Wärmepumpen oder Batteriespeichern zu beseitigen. Dafür muss der Netzbetreiber die Kritikalität in seinem Netz erst einmal erkennen. Hier schließt sich der Kreis zu unserer Gesamtlösung: Unsere Messtechnik erfasst die Daten, im Cockpit werden sie gelesen und verstanden. Und der neu entwickelte Smight-Grid2-Copilot ermöglicht nun auch ein datenbasiertes Lastmanagement. Lässt sich ein identifizierter Engpass durch Netzausbau oder Netzumschaltungen nicht rechtzeitig beseitigen, kann der Netzbetreiber mit dem Smight-Copilot Dimmbefehle an den Messstellenbetreiber übergeben. Dieser gibt den Befehl weiter an den Anlagenbetreiber, der dann wiederum seine Wallboxen in den Privathaushalten reguliert dimmen kann. Die Energiewende kann somit ohne gezogene Handbremse umgesetzt werden: denn Netzbetreiber gewinnen durch die limitierten Eingriffe die notwendige Zeit, um die Netze weiter auszubauen.

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