Die Benutzerfreundlichkeit von ChatGPT, Midjourney und Co. haben generative KI-Tools 2023 massentauglich gemacht. Diese Weiterentwicklung wird von vielen Menschen mit Unbehagen betrachtet, insbesondere wenn es um die möglichen Auswirkungen auf die Arbeitswelt geht.
Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler von der International School of Management (ISM) differenziert ein wenig: KI werde als Teil der digitalen Transformation viele Branchen verändern und auch manche Arbeitsplätze überflüssig machen, den Menschen komplett ersetzen werde sie hingegen nicht. „Die Transformation durch integrierte Intelligenz im Sinne der Kombination von menschlicher und Künstlicher Intelligenz wird aller Voraussicht nach deutlich tiefgreifender sein als die vollständige Automatisierung menschlicher Arbeit“, sagt er. Doch auch wenn die Auswirkungen durch den Wegfall von Arbeitsplätzen im Einzelfall als gravierend zu sehen seien: „Menschliche Expertise ist weiterhin gefragt, und vielfach wird ihre Bedeutung noch größer sein als bisher.“
Auf das Zusammenspiel kommt es an
Diese Einschätzungen stützt der ISM-Professor für Management und Entrepreneurship mit dem Verweis auf verschiedene Untersuchungen, die in den vergangenen Jahren erschienen sind. Aufschlussreich sei etwa eine Studie von Goldman Sachs aus der ersten Hälfte des Jahres 2023, welche sich den Auswirkungen generativer KI widmet. Als generative Künstliche Intelligenz werden diejenigen KI-Instrumente bezeichnet, die neue Inhalte in Form von Text-, Bild-, Musik- oder Videodateien generieren können. ChatGPT oder Midjourney sind zwei der bekanntesten Beispiele.
„Laut der Studie wird allein durch generative KI bei sieben Prozent der Arbeitsplätze in den USA mindestens die Hälfte der Aufgaben künftig automatisiert, sodass diese Jobs durchaus ersetzt werden können. Ungefähr 30 Prozent der Arbeitsplätze sind laut der Studie hingegen nicht von möglicher Automatisierung durch generative KI betroffen“, erläutert Lichtenthaler. „Für den mit 63 Prozent weitaus größten Teil der Arbeitsplätze wird voraussichtlich weniger als die Hälfte der Tätigkeiten automatisiert. Für diese Personen wird sich die Arbeit teilweise nennenswert ändern, da KI bisherige repetitive Tätigkeiten ersetzt.“
Die Kombination von menschlicher und Künstlicher Intelligenz wird auch als integrierte Intelligenz bezeichnet. Dieses Zusammenspiel werde in den nächsten Jahren also am stärksten an Bedeutung gewinnen. Lichtenthaler weist darauf hin: „Gerade in Ländern mit hohen Lohnkosten wird diese neue Stufe der Automatisierung weiter zügig umgesetzt.“
Einzigartige menschliche Fähigkeiten werden wichtiger
Lichtenthaler, der die Auswirkungen von KI auf die Wirtschaft seit Jahren analysiert und bewertet, rät daher Unternehmen, sich verstärkt auf die Schnittstellen von menschlicher Intelligenz mit KI und Datenanalytik zu konzentrieren – und damit auf das, was die Alleinstellungsmerkmale einer Unternehmung ausmacht. „Wenn alle Firmen einer Branche ähnliche eigenständige KI-Tools nutzen, deren Anwendung sich künftig deutlich standardisieren wird, ergeben sich Wettbewerbsvorteile verstärkt an den Schnittstellen sowie bei einzigartiger menschlicher Expertise. Die verbleibende menschliche Arbeitskraft und Führungskraft werden durch die KI-Revolution somit wichtiger und nicht unwichtiger.“
Der technologische Wandel erfordere kontinuierliche Trainings und Weiterbildungen von Fach- und Führungskräften als Teil der Unternehmensstrategie. „Firmen sollten sich im Rahmen ihrer Strategie fragen, wie sie neue Kernkompetenzen durch integrierte Intelligenz aufbauen, also durch die Kombination einzigartiger menschlicher Fähigkeiten mit aktueller KI. Außerdem sollten sich Fach- und Führungskräfte fragen, welche besonderen Fähigkeiten sie besitzen, gerade an den Schnittstellen zu KI und Datenanalytik. Die meisten Firmen sollten deshalb ihre Angebote für Trainings und Coachings in diesem Bereich massiv ausbauen.“