Eine Keynote zum Thema Innovation von Ranga Yogeshwar, 10 Fachvorträge zu Praxis- und Forschungsprojekten rund um die Energiewende, dazu eine Expertendiskussion und drei praxisnahe Deep Dive-Workshops: Der Janitza Energy Day 2025 am 30. Januar war ein inspirierender Tag für Fachleute und Expertinnen der Energiebranche. Den rund 100 Besuchern im LiveFRAME-Studio in Dreieich und den fast 1.500 digitalen Teilnehmern bot der Tag jedoch mehr als das. Die Referentinnen und Referenten brachten unter dem Motto „Energiewende: Zwischen Kosten und Innovation“ die neuste Technik immer wieder in Verbindung mit dem Menschen. Nicht zuletzt durch die zugewandte Moderation des Tages, die FFH-Moderatorin Evren Gezer und Tofas Florinas, Produkt Marketing Manager bei Janitza, übernahmen.
Die Herausforderungen von heute
Marcell Karell eröffnete den Energy Day mit seinem Vortrag über die wichtigsten Fakten zur Energiewende. Der Business Development Manager für Energieversorger bei Janitza zeigte, dass die Stromerzeugung in Deutschland so CO2-arm sei wie nie zuvor. Allein für den Ausbau der Verteilnetze aber seien in Deutschland noch Investitionen von 42,3 Milliarden Euro bis 2032 notwendig. Die größte Investition, lasse sich aber nicht mit Geld beziffern: „Die Energiewende kostet uns alle Überwindung hin zur Veränderung“, so Karell – und zeigte damit auf den wohl wichtigsten Faktor bei der Energiewende hin: die beteiligten Menschen.
Diesen Gedanken nahm auch Harald Weinert in der folgenden Diskussionsrunde auf, in der Vertreter verschiedener Wirtschaftszweige einen genaueren Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Energiewende warfen. „Die Energiewende ist ein Führungsthema“, sagte der Projektleiter für Großprojekte bei der Mercedes-Benz Group. Man könne hervorragende technische Lösungen einführen, „wenn man aber niemanden dafür begeistern kann, haben wir nichts gewonnen. Wir müssen es schaffen, die breite Masse mitzunehmen“, so Weinert. Ähnlich sah es auch Carsten Eckhard von „Energiewirtschaft Einfach“, der Onlineakademie der Energiebranche. Eine der größten Knackpunkte der Energiewende sei die Komplexität der Infrastruktur und vieler kleinteiliger Prozesse, die der Endkunde gar nicht wahrnehme. Die Diskussion richtete ihren Blick aber auch auf die aktuellen Chancen. Es gebe beispielsweise mit Solaranlagen und Balkonkraftwerken immer mehr Möglichkeiten, an der Energiewende zu partizipieren, sagte Dr. Konstantin Glaser von den Stadtwerken Karlsruhe. Dr. Tatjana Ruhl von DENEFF machte zum Schluss der Runde Mut: „Wir können die Energiewende mit den schon vorhandenen Technologien schaffen. Jede Schwarzmalerei ist fehl am Platz - einfach mal loslegen.“
Die Lösungen von heute
In einem weiteren Teil des Energy Day 2025 zeigten verschiedene Unternehmen ihre in der Praxis schon umgesetzten Lösungen für Herausforderungen der Energiewende. Den Anfang machte Patrick Steiss, Energiemanager bei Janitza. Janitza habe am Standort Lahnau rund 280 Messstellen verbaut und könne durch intelligentes Lastmanagement die Verteilung des ohnehin schon erneuerbar hergestellten Stroms sinnvoll steuern. Zudem erhöhe Janitza konsequent seinen Autarkiegrad: „Wir können mit unserer Photovoltaik mittlerweile unseren Eigenbedarf zeitweise zu 100 Prozent decken – und zusätzlich ins Netz einspeisen“, so Steiss. Bis 2030 will Janitza seine energiebedingten Emissionen auf null reduzieren.
Yvonne Bogner, Leiterin des Projektbereichs Sektorenkopplung bei BayWa r.e., stellte die technischen Lösungen rund um den 2023 bezogenen, autarken Neubau der BayWa r.e. Solar Energy Systems in Tübingen vor. Das CO2-neutrale Gesamtprojekt umfasst nachhaltige Baumaterialien, PV auf Dach und Fassade, Stromspeicher, USV und die Pufferung von Energie per Betonkernaktivierung im Lagerbereich des Neubaus: „Hier können wir über unsere Wärmepumpen Kälte und Wärme zwischenspeichern“, erklärte Bogner. Der Energiemanager bei Karl Storz, Robin Dierich, zeigte, wie sein Unternehmen konsequent die Energieverluste entlang der Wertschöpfungskette identifiziert und darauf aufbauend ein effektives Energiemonitoring aufgebaut hat. Zusammen mit dem passenden Energiecontrolling lassen sich Einsparungen von über 150.000 kWh pro Jahr am Standort erzielen.
Nils Baumann, Produktmanager bei der Delta Controls Germany, erklärte, dass mithilfe von intelligenter Gebäudeautomation in Bestandsgebäuden enorme Energiemengen eingespart werden können. Bauman sprach von 13 Prozent Einsparung bei der Elektroenergie, 30 Prozent bei der Heiz- und 43 Prozent bei der Kühlenergie. Der Rechenzentrumsplaner Peter auf dem Graben beschrieb den positiven Wandel, den Rechenzentren gerade auch mit einer modernen Wasser- statt Luftkühlung verfolgen. Die anfallende Abwärme lasse sich im Wasser effizienter nutzen: „Wir erreichen Temperaturen, die wir sehr gut weiterverwenden können: Fernwärmenetze, Bäder nebenan und Energie für Prozesswärme“, sagte auf dem Graben.
Manfred Ernst von der Winkelmann Group zeigte, wie sich ein Unternehmen mithilfe von Energieeffizienzmaßnahmen zukunftsfähig aufstellt. Das Familienunternehmen hat seine eigenen Ziele wie Enkelfähigkeit, Zukunftssicherheit, CO2- und Kostenreduzierung realisiert – unter anderem mit einer Groß-PV-Anlage von circa 3 MWh Leistung. Hinzu kommt die Abwärmenutzung im Stammwerk in Ahlen: „Wir heizen den halben Straßenzug mit Abwärme der Kompressoren“, so Ernst.
Ein persönlicher Einblick von Ranga Yogeshwar
Einen sehr menschlichen Einblick in die Zukunft und Notwendigkeit der Energiewende gewährte auch Wissenschaftsjournalist und Speaker Ranga Yogeshwar in seiner Keynote mit dem Titel „Emils Welt – Wie verändert Innovation unsere Zukunft?“ Emil ist einer seiner Enkel, bei dessen Geburt Yogeshwar klar wurde: „Wir reden gerne über Zukunft und parken gerne unsere Probleme dort. Diese Generation wird die Zukunft selbst erleben.“ Dass die Auswirkungen des Klimawandels jedoch schon längst auch in Deutschland zu spüren sind, zeigte Yogeshwar mit einem Video von 2021 aus seinem Wohnort südlich von Köln: Die Dorfstraße hatte sich durch einen Starkregen in einen reißenden Bach verwandelt. Nur kurz danach kam es zur Flutkatastrophe im Ahrtal und in ganz West- und Mitteleuropa. „Die Vorzeichen des Klimawandels, die wir immer sehr weit wegpushen, die sind heute ganz nah“, so Yogeshwar. Die größte Herausforderung, die notwendige Energiewende mit innovativen Lösungen voranzutreiben, sah auch er nicht in der passenden Technik. Yogeshwar zitierte den britischen Ökonomen John Maynard Keynes: „Das größte Problem der Menschen ist nicht, neue Ideen anzunehmen, sondern sich von den alten Ideen zu verabschieden.“
Im Blick auf den immer noch marginalen Anteil von Wärmepumpen beim Heizen und Elektrofahrzeuge bei der Mobilität fragte Yogeshwar: „Welche Kultur haben wir in Deutschland, wie gut gehen wir mit Fortschritt um?“ Auch hier hätten viele Menschen verstanden, was jetzt dran sei. Nur die Politik sei in einigen Bereichen noch nicht so weit, was das Beispiel der schleppenden Einführung der Smart Meter zeige. Die Zukunft sieht Yogeshwar in der intelligenten Vernetzung lokaler Infrastruktur, gepaart mit konsequenter Erhebung von Energiedaten und intelligenter Steuerung mithilfe von KI. Schlussendlich stellte er dem Publikum per Live-Umfrage die Frage, wie solch ein großer Wandel wie die Energiewende gelingt: „Ist es hauptsächlich die Technik? Oder ist es vielleicht ein Nachdenken über die Sinnhaftigkeit des Bisherigen und die Veränderung der Kultur?“ Die Antwort des Publikums war eindeutig menschlich: Es ist die Kultur, die einen Wandel braucht.
Die zukünftigen Lösungen
Mit Hans Joachim Groß vom Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) in Darmstadt richtete der Janitza Energy Day seinen Fokus auf Forschungsprojekte, die künftige Lösungen entwickeln. Ziel des Forschungsprojekts CLiCE-DiPP ist die Entwicklung eines CO2-Produktpasses unter dem Aspekt einer Kreislaufwirtschaft. Dafür macht das Team jegliche Verbräuche einer eigens dafür ausgestatteten Produktionslinie transparent. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den realen Ressourcenverbrauch pro Anlage und pro Bauteil ausweisen zu können“, so Groß. Die entsprechende Forschungsfabrik hat Messtechnik von Janitza verbaut. „Wir setzen nur auf modernste Technik, die unter anderem eine OPC UA-Schnittstelle hat“, erklärte Groß. Das Ergebnis: Über jedes Produkt der Forschungsfabrik kann eine Aussage über den Product Carbon Footprint (PCF) getroffen werden, die dann im geplanten digitalen Produktpass ausgewiesen wird.
Dr. Nicola Kleppmann von der Samson KT-Elektronik ergänzte den Janitza Energy Day mit dem Blick auf das Thema Wärme und Steuerung der entsprechenden Netze bei der Sektorkopplung. Die Wärmenetze unterschieden sich maßgeblich vom Strom, so Kleppmann, weil Wärme zum Beispiel träge sei, sich einfacher speichern lasse und in den meisten Fällen lokal und nicht länderübergreifend geregelt werde. Die mögliche Einsparung durch eine intelligente Steuerung sei groß, gerade bei ineffizienten Übergabestationen. „Diese Stationen allein verbrauchen im Sommer mehr als 60 Prozent und im Winter 20 Prozent des Netzpumpenstroms“, so Kleppmann. Wie lässt sich die Steuerung der Wärmenetze weiter verbessern? Kleppmann sagte: „Unsere Erfahrung ist, reine KI funktioniert nicht. Dazu ist der Bestand viel zu divers. Aber mit einer guten Kombination aus KI, Statistik, Ingenieurwesen und Physik kommt man ziemlich weit.“ Mit dieser Verbesserung der Einspeiser-Fahrweise ließen sich etwa 12 Prozent der Wärmeverluste vermeiden.
Die Perspektive der Netzbetreiber in der Energiewende brachte Dr. Konstantin Glaser von den Stadtwerken Karlsruhe mit dem Projekt „AMAZING“ ein, das unter anderem mit dem Forschungszentrum Informatik (FZI) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Partner gestartet ist. Auch Janitza ist zusammen mit anderen Messtechnikherstellern mit seinem Know-how an dem Projekt beteiligt. Laut Glaser stellen sich die Netzbetreiber in Deutschland vor allem die Frage: „Sind unsere Stromnetze für die Herausforderung der Energiewende gewappnet?“ Um richtig auf diese Frage zu antworten, sei ein besseres Netzverständnis und eine bedarfsorientierte Verbesserung der Netze unerlässlich. Dafür brauche es neben dem Ausbau der Infrastruktur die Digitalisierung des Bestands durch Messtechnik. In welchem Verhältnis, das sei genau die Fragestellung des Forschungsprojekts. Dafür erarbeite das Projekt zuerst einem verlässlichen Datenfluss zwischen den beteiligten Partnern und erstelle aus diesen Daten automatisch aktualisierte Netzmodellierungen. Diese lieferten eine Aussage über die notwendige Messwerterfassung. So lasse sich letztlich ein hoher Automatisierungsgrad im Verteilnetz erreichen, der auf reale, alltägliche Entwicklungen im Netz adäquat reagieren könne.
Praxisnahe Workshops zum Abschluss
Im Anschluss konnten die digitalen Teilnehmer an einem von drei Deep Dives teilnehmen: Im Workshop „Fördermaßnahmen im Überblick: Innovation zahlt sich aus“ konnten Daniel Albrecht (Energiekosten 360) und Hans Marth von Janitza sich mit Fragen der Teilnehmenden zu aktuellen Förderungen im Rahmen der Energiewende befassen. Im Deep Dive „Energiegesetze verstehen: Rechte und Pflichten“ gingen der Rechtsanwalt Dr. Michael Weise und Matthias Wisch von Janitza auf die gesetzlichen Regelungen rund um die Energiewende ein, zum Beispiel auf die ISO 50001 und Paragraph 14a des EnWG. Im dritten Workshop „Zukunftsweisende Energieprognosen: Mit KI die Energiewende aktiv gestalten“ gaben Andreas Reuter (ifesca), Sebastian Römer und Fabian Schäfer von Janitza einen Überblick über die Möglichkeiten, die die Netzvisualisierungssoftware GridVis von Janitza bietet – auch in Bezug auf Themen wie Energieaudits und weitere gesetzliche Pflichten.
Der Janitza Energy Day 2025 war das fünfte Event dieser Art in Folge. Die jährliche Veranstaltung ist eine breite Informations- und Netzwerkplattform für die aktuellen Herausforderungen der Energiebranche und der beteiligten Unternehmen.