Material, Herkunft, Verarbeitung und Umweltauswirkungen Digitale ID bietet voll Transparrenz für alle Produkte

Der neue DigiPass soll die Rückverfolgbarkeit von Produktdaten erleichtern.

Bild: iStock, shironosov
18.04.2024

Die Entwicklung neuer Materialien ist für die Industrie wichtig. Doch jedes neue Produkt wirft die Frage auf, wie es möglichst nachhaltig und klimafreundlich hergestellt und später recycelt werden kann. Das neue EU-Projekt DigiPass, koordiniert vom Helmholtz-Zentrum Hereon, widmet sich diesen Fragen und wie man sie lösen kann.

Der DigiPass fördert den Austausch digitaler Materialdaten zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen und legt damit den Grundstein für einen digitalen Material- und Produktpass. Nach der Vision soll dieser Pass alle relevanten Informationen über Material, Herkunft, Verarbeitung und Umweltauswirkungen in den Phasen der Lebensdauer des Produktes enthalten.

Eine nachhaltige Lösung für die Industrie

Am Ende seines Lebenszyklus werden die Informationen Recyclingunternehmen in die Lage versetzen, Materialien effizienter zu verarbeiten, was zu nachhaltigeren Lösungen führt. Und dazu beiträgt, die Gesamtauswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.

Die Abschwächung des Klimawandels ist eines der dringendsten Probleme unserer Zeit. Die Digitalisierung kann dabei eine entscheidende Rolle spielen: Eine aktuelle Studie des Bitkom-Verbandes zeigt, dass der konsequente Einsatz digitaler Lösungen den jährlichen CO2-Ausstoß bis 2030 um 73 Millionen t reduzieren könnte.

Das wäre fast ein Viertel dessen, was Deutschland einsparen muss, um seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Allerdings muss Europa die Digitalisierung in den kommenden Jahren deutlich voranbringen.

Experten sprechen von einer doppelten Transformation - einem kombinierten Veränderungsprozess hin zu grünen und digitalen Technologien und einer umfassenden Kreislaufwirtschaft.

Den Wandel beschleunigen

„DigiPass unterstützt diesen Transformationsprozess und beschleunigt damit den Wandel deutlich“, sagt Hereon-Forscherin Dr. Natalia Konchakova, Koordinatorin des Projekts.

„Und zwar durch den Einsatz innovativer Materialien, die auf ihren Verwendungszweck zugeschnitten sind.“ Dazu gehören neue Verbundwerkstoffe, Legierungen und Beschichtungen, elektrisch leitfähige Kunststoffe und Spezialchemikalien.

Derzeit ist es nicht einfach, diese Materialien auf wirklich nachhaltige Weise einzusetzen. Ein Beispiel ist das Recycling: „Die Herstellung eines Hightech-Produkts ist in der Regel sehr komplex“, betont Dr. Peter Klein vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern, einem der Projektpartner.

„Ein Recyclingunternehmen hat meist keine Chance, dieses komplexe Geflecht zu entwirren und herauszufinden, wie es das Material am besten verwerten kann.“

Schub für die Digitalisierung

Im Idealfall muss es immer möglich sein, nachzuvollziehen, welche Materialien im Produkt enthalten sind, wie sie hergestellt und verarbeitet wurden - und wie sie recycelt werden können. Diese Transparenz kann nur durch eine konsequente Digitalisierung erreicht werden.

Die Voraussetzungen dafür sind aber in vielen Bereichen nicht gegeben. Industrieunternehmen haben einen unterschiedlichen Reifegrad in der digitalen Technologie.

Große Konzerne sind in der Regel weiter als kleine und mittelständische Unternehmen, die zum Teil noch mit nicht maschinenlesbaren PDF-Dateien arbeiten. „Außerdem arbeiten die Unternehmen oft mit unterschiedlichen digitalen Umgebungen“, erklärt Konchakova. „Es fehlt einfach an Standards.“

DigiPass hilft, solche Barrieren zu überwinden. Das Projekt sieht unter anderem eine digitale Plattform vor, die die Kommunikation zwischen den Akteuren ermöglicht, den wesentlichen Handlungs- und Forschungsbedarf zu definieren.

Höhere Produktivität durch den DigiPass

Das Projekt konzentriert sich auf die Beschichtungsindustrie, Nanomaterialien für Gesundheit und Sicherheit, Materialien für erneuerbare Energiequellen und den Sektor der Verbundwerkstoffe. „Die Ergebnisse sind Empfehlungen und Lösungen, die später als Blaupause auf andere Sektoren übertragen werden können“, erklärt Klein.

Das EU-Projekt soll den Grundstein für ein langfristiges Ziel legen: die digitale Materialidentifikation. Diese kann man sich als einen standardisierten Datensatz vorstellen, der etwa eine Hightech-Beschichtung beschreibt und das Material entlang der gesamten Wertschöpfungskette begleitet - vom Materialdesign über die Produktion bis hin zur Verarbeitung und zum Recycling.

Eine zertifizierte Organisation wird die relevanten Informationen aktualisieren und den Pass ausstellen: Mit welchen Methoden verarbeitet ein Lieferant das Material, wie wird es in ein Produkt eingebaut und wie sieht der ökologische Fußabdruck aus? Letztlich erhält ein Verwerter über den digitalen Pass alle Informationen, ohne sie mühsam recherchieren zu müssen.

Gleichzeitig soll der digitale Material- und Produktpass auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und ihre Produktivität steigern.

Erleichterung für Unternehmen

„Er wird es einem Unternehmen zum Beispiel erleichtern, das optimale Material für ein bestimmtes Produkt aufzuspüren oder neue Kooperationspartner zu finden“, erklärt Konchakova. „Dies wird es der Industrie ermöglichen, neue Produkte effektiver und schneller auf den Markt zu bringen.“

DigiPass steht für „Harmonization of Advanced Materials Ecosystems serving strategic Innovation Markets to pave the way to a Digital Materials and Product Passport“ (Grant Agreement No 101138510). Das EU-Projekt beginnt am 1. April und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Zwölf Partner aus sieben europäischen Ländern sind beteiligt. Dazu gehören Forschungseinrichtungen, Universitäten, Software- und Produktionsunternehmen sowie Industrieverbände. Koordiniert wird DigiPass vom Helmholtz-Zentrum Hereon.

Die weiteren Partner: Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM), Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST), AC2T Research GmbH (AC2T), Innovation in Research & Engineering Solutions (IRES), Composites United EV (CU), Norges Teknisk-Naturvitenskapelige Universitet (NTNU), Aristotelio Panepistiomio Thessalonikis (AUTh), Organic Electronic Technologies Private Company (OET), European Coil Coating Association (ECCA) und Norges Miljo-OG Biovitenskaplige Universitet (NMBU).

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