Auf Kaffee verzichtet Herbert Maier heute lieber. Der Magen hat dagegen entschieden. Liegt‘s am Jetlag? Gut möglich, denn der Mann kommt rum. „Ich würde mal sagen, in Höchst bin ich zehn bis 20 Prozent meiner Zeit. Man hat also Glück, wenn man mich hier erwischt.“ Jedes Silvester der gleiche Vorsatz: Dieses Jahr wird es besser. Aber er reist für einen guten Zweck, als Leiter des Competence Centers Energy and Utilities im Bereich Group Technology Services. Der etwas sperrige Titel bedeutet kurz gefasst: Herr Maier will alles besser machen - nämlich engergieeffizienter. Weltweite Optimierungen und Effizienzverbesserungen in Sachen Energie sind seit 2007 seine Aufgabe in der Clariant. Das betrifft zum einen die Infrastruktur. Maier kümmert sich um die Nebenanlagen. Zum anderen hat er auch die Produktion selbst im Fokus, die Infrastruktur, die Verteilung von Anlagen und Standorten. Von dem LKW, der die Grundstoffe bringt, bis zu jenem LKW, der die fertigen Produkte wieder rausfährt - vor den Augen von Herbert Maier muss jeder Vorgang seine Energiebilanz offenlegen. So wurde Herbert Maier zum Sammler von Daten und Zahlen. „Als erstes verschaffen wir uns immer eine Datenbasis. Darin sind die Energieverbräuche, -kosten und -arten der letzten Jahre enthalten. Das ist auf die Tage und Stunden genau - vom ganzen Standort.“ Mit den Produktionsmengen verbunden entsteht so der Überblick: Wie viel Energie wird am Standort pro Tonne Produkt verbraucht? Welchen Einfluss hat der Produktmix? Wie sieht die Infrastruktur aus? Was wird selber erzeugt was zugekauft? Wie lange laufen die Verträge?
Das Wissen des Schichtleiters ist Gold wert
Fakten über Fakten, die weiter auseinandergenommen werden. Immer vor Ort und immer mit Betriebsleitern, Werksleitern und Meistern. Bei bis zu zwölf Betrieben pro Standort kann auch ein Profi wie Maier nicht alle zugleich unter die Lupe nehmen. „Wir fokussieren uns erstmal auf die mit dem höchsten Energieverbrauch - oder die, in denen in nächster Zeit Erweiterungen oder Optimierungen anstehen.“ Anschließend werden technische Unterlagen gewälzt, Rezepturen, Reinheitsanforderungen und die benötigte Energie beim Ist-Stand ermittelt. Denn in der Realität braucht es eben immer ein Quentchen mehr als in der Theorie. „Man kann nie auf Null Verlust kommen. Aber wir machen Workshops, um festzustellen, woher der Unterschied kommt.“ Oft ist das Wissen des Schichtleiters Gold wert, denn die Mitarbeiter vor Ort haben ohnehin schon ein gutes Gefühl für Einsparpotenzial. Viel Wert sind Herbert Maier auch die Erfahrungen, die er auf seinen Reisen gemacht hat. „Es gibt Länder, da heißt es: In den Spitzenzeiten kriegst du keinen Strom für deine Produktion.“ Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Selber machen, natürlich! „Oder man muss die Abläufe so ausrichten, dass in diesen Zeiten nichts benötigt wird.“ Vier Stunden Stillstand will schließlich niemand hinnehmen. Moment, Herr Maier weiß es besser: „Das gibt es nach wie vor. Teilweise verstärkt sich die Situation sogar, wo die Industrialisierung zunimmt und die Infrastruktur nicht schnell genug hinterherkommt.“ Gleichermaßen engagiert sind die Kollegen vor Ort dann allerdings auch, Maiers Optimierungsbestreben zu unterstützen. „In Indien haben die Leute schon an den Daten gearbeitet, bevor ich überhaupt angekommen war“, erinnert er sich - und weiß, dass sein Unternehmen auf dieses persönliche Engagement der Mitarbeiter angewiesen ist. Schließlich, und auch dieser Aspekt ist Teil von Maiers umfangreichen Kalkulationen: Ganz am Ende der Produktionskette steht der Kunde - und auch für ihn ist Energieeffizienz ein immer größeres Anliegen. „Unsere Kunden sagen uns: Wir wollen auch nachhaltig produzieren!“ Und die eingekauften Rohstoffe sind Teile der Nachhaltigskeitsberechnungen, die die Kunden von Clariant ihrerseits erstellen. Dementsprechend wollen viele Abnehmer wissen, wie viel CO 2etwa bei der Herstellung des gekauften Produkts entstanden ist und wie viel Energie aufgebracht werden musste. „Dann bemühen wir uns schließlich auch im Sinne unserer Kunden, die Effizienz zu verbessern“, erklärt Maier. Weltweit für den Kunden unterwegs - das klingt eigentlich viel zu sehr nach Klischee. Doch Herbert Maier hat nicht nur Erinnerungen mit Bilderbuch-Charakter. „In anderen Ländern gibt es manchmal noch mehr Schlaglöcher als in Deutschland“, erklärt er, und ist sich durchaus bewusst, dass man diese Aussage nicht nur auf wörtliche, sondern auch auf sinnbildliche Wege beziehen kann. Er erinnert sich an Reisen in ferne Regionen, wo er mal vom Weg abgekommen ist und den Kollegen herbeitelefonieren musste. „Bleibt ja nicht stehen da“, hat der gewarnt, als er gemerkt hatte, wohin es Maier verschlagen hatte. „Schließt die Türen ab und fahrt weiter - ich dirigiere euch raus!“ In Japan dagegen hatte er vor allem ein mulmiges Gefühl. Straßenschilder, die ausschließlich japanisch beschriftet sind, helfen Europäern nämlich kaum weiter.
Neue Anlagen, neue Projekte
Der Mut hat ihn bei allen Herausforderungen trotzdem nie verlassen. Das war schon so, bevor Energiesparen zu seiner Hauptaufgabe wurde. „2005 habe ich bei Clariant ein globales Engineering mit aufgebaut“, erklärt er, und ergänzt fast nebenbei: „Damals hatten wir das eben noch nicht.“ Maier kann Projektverantwortungen aufzählen, die genug Stoff für viele Karrieren geben könnten. Beim Energiesparen werden ihm die Projekte aber nicht so schnell ausgehen. Dafür sorgt nicht zuletzt die Übernahme der Süd-Chemie durch Clariant im Jahr 2011. Die Standorte sind zwar nicht so groß, aber mindestens 30 gibt es weltweit. Herbert Maier hat schon mit dem Sichten begonnen.