Wettbewerb mit Sicherheits-Hintergrund Roboter und Drohnen proben den Ernstfall im AKW Zwentendorf

2025 haben die Teilnehmer einen kompletten Gefahrguteinsatz zu absolvieren einschließlich der Suche nach radioaktivem Material, gegebenenfalls seiner Handhabung sowie der Kartierung schwieriger Umgebungen.

Bild: iStock, MichaelUtech
10.01.2025

Am 16. Juli wird es soweit sein: Robotikexperten aus der ganzen Welt treffen sich zum 5. European Robotics Hackathon. Im nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerk (AKW) Zwentendorf stellen sie ihre robotischen Systeme auf den Prüfstand – und proben den Ernstfall in Szenarios, die kaum näher an der Realität sein könnten.

Wer in dem Schacht rund 15 Meter hinauf zur Decke schaut, entdeckt vor allem unzählige Stahlstreben. Auf mehreren Ebenen geht es über schmale Gitterroste mit hüfthohem Geländer in die anderen Gebäudeteile des AKW. Entlang der meterdicken Betonmauern verlaufen Rohre und Leitungen, etliche Ventile ragen aus der Wand. Alles andere als ideale Bedingungen also, um UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) steigen zu lassen. Und doch ist genau dies Teil der Aufgabenstellung bei EnRicH 2025.

„Erstmals wird es im kommenden Jahr ein kombiniertes Szenario für fliegende und fahrende Systeme geben“, verrät EnRicH-Organisator Dr. Frank E. Schneider, stellvertretender Leiter der Abteilung „Kognitive Mobile Systeme“ am Fraunhofer FKIE, und betont: „Wir ermutigen alle Teilnehmer ausdrücklich, die Zusammenarbeit zwischen unbemannten Luftfahrzeugen (UAV) und unbemannte Grundfahrzeuge (UGV) zu nutzen.“

Großveranstaltung findet seit 2017 alle zwei Jahre statt

2017 haben er und sein Team die Premiere des Hackathons in Zwentendorf organisiert, seitdem findet die Großveranstaltung alle zwei Jahre statt. Das Besondere ist dabei nicht nur der weltweit wohl einzigartige Veranstaltungsort. Der Atommeiler, dessen Inbetriebnahme durch eine Volksbefragung 1978 gestoppt wurde, ist fast baugleich mit dem Kernkraftwerk in Fukushima, in dem sich 2011 eine der größten Reaktorkatastrophen ereignete. Nahezu vollständige Dunkelheit im Gebäude, enge Kurven, schmale Räume, steile Treppen, selbstschließende Türen sowie keine oder nur eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten sind hier Teil der realistischen Ausgangsbedingungen für alle EnRicH-Teams.

Als weiteres Alleinstellungsmerkmal kommt beim Hackathon die Arbeit mit echten Strahlungsquellen hinzu, die der Gastgeber und Mitorganisator ARWT zur Verfügung stellt. „2025 haben die Teilnehmer einen kompletten Gefahrguteinsatz zu absolvieren einschließlich der Suche nach radioaktivem Material, gegebenenfalls seiner Handhabung sowie der Kartierung schwieriger Umgebungen“, sagt Schneider. Für ihn eine Aufgabe, die aktueller kaum sein könnte, da bei Störfällen, aber auch der Stilllegung oder dem Rückbau alter kerntechnischer Anlagen aufgrund der hohen Strahlenlast viele Einsätze für den Menschen zu riskant seien. „Für diese radiologischen und nuklearen Szenarien müssen spezielle Robotersysteme entwickelt werden“, sagt Schneider. „Doch obwohl ein großer Bedarf an solchen Lösungen besteht, sind für die nahe Zukunft keine marktreifen Systeme zu erkennen. Ein Ziel von EnRicH ist es daher, Robotiklösungen auch in diesem Bereich zu fördern.“

Teams messen sich in drei Kategorien

2025 messen sich die Teams in drei verschiedenen Kategorien, wobei sie eine beliebige Kombination der Aufgaben bearbeiten können. So umfasst die Kategorie „Kartierung“ zwei Erkundungsaufgaben, bei der zum einen Strahlung detektiert, gemessen und in einer digitalen Karte markiert, zum anderen eine digitale 3D-Karte des Gebiets erstellt werden muss. Die Kategorie „Manipulation“ ist ebenfalls in zwei Teilaufgaben unterteilt. Die Teams müssen mit ihrem robotischen System ein Behältnis mit radioaktivem Kühlmittel identifizieren und im Anschluss das dazugehörige Ventil schließen.

In der Kategorie „Suche und Rettung“ schließlich werden Attrappen von verunglückten Arbeitern im Gebäude verteilt, die gefunden, ihre Position auf der Karte markiert und – wenn möglich – in einen sicheren Bereich gebracht werden müssen. Obligatorisch sind für alle teilnehmenden Teams aber grundsätzlich das Erkennen und Messen von Strahlung. Neu ist bei EnRicH zudem ein weiteres Szenario, bei dem KI-gestützte Assistenzfunktionen für die Bombenentschärfung im Fokus stehen. „Bei EnRicH 2025 bewegen sich die robotischen Systeme auf mehreren Ebenen und einer Fläche von rund 5.000 Quadratmetern“, so Schneider. „Die Wege sind damit deutlich weiter, die Aufgaben komplexer. Wir sind gespannt, wie gut sich die Systeme unter solchen Bedingungen behaupten können.“

Erstmals mit dabei ist 2025 die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit, die die gezeigten Leistungen beurteilen wird, um daraus mögliche disruptive Neuheiten für diesen besonders sicherheitsrelevanten Bereich abzuleiten. Bewertet werden alle gezeigten Leistungen von einer externen Jury, in der mit Dr. Michael Gustmann, Kenneth Pink und Professor Daniel Watzenig ausgewiesene Experten für Robotik und kerntechnische Fragestellungen vertreten sind. Schneider stellt jedoch klar: „Bei EnRicH steht nicht der Wettbewerb im Vordergrund. Er gibt vielmehr den Nutzern die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der robotischen Systeme in aktuellen und absolut realen Szenarien zu testen.“

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