Autonomes Fahrzeug, das mitdenkt Sichere Mensch-Roboter-Interaktion: Roboter passt seine Route in Echtzeit

Mit dem neuen Algorithmus sind die TUM-Forschenden bereits auf der dritten Evolutionsstufe angekommen. Statt „nur“ auf eine Situation zu reagieren (Stufe 1) oder die Bewegung von entgegenkommenden Menschen „lediglich“ vorherzusagen (Stufe 2), ist der Roboter der TUM interaktiv (Stufe 3).

Bild: iStock, master1305
12.03.2025

Bei humanoiden Robotern oder beim autonomen Fahren muss die gefahrlose Interaktion zwischen Roboter und Mensch garantiert sein. Unter anderem müssen Roboter dafür in der Lage sein, Menschen proaktiv auszuweichen, auch ohne bei jeder Begegnung stehen bleiben zu müssen. Forschenden der TU München haben einen Roboter auf Rädern entwickelt, der sich sicher und ohne zu zögern den Weg durch eine Menschenmenge bahnen kann. Möglich ist das durch einen Rechner, der die Bewegungen und Reaktionen der Menschen voraussagt und die schnellste und sicherste Route für den Roboter berechnet. Ähnliche Algorithmen könnten künftig zum Einsatz kommen, um eine zu ermöglichen.

Der kleine Roboter schlängelt sich auf seinen Rädern durch Menschenmengen wie ein Mensch. Damit das möglich wird, haben Forschende aus dem Learning Systems and Robotics Lab von TUM-Professorin Angela Schoellig Rechenleistung, Sensoren und mathematisches Geschick zusammengebracht. „Unser Roboter modelliert, wie Menschen auf seine Bewegung reagieren werden, um seine eigenen Wege zu planen. Das ist der große Unterschied zu anderen Ansätzen, die diese Interaktion typischerweise ignorieren“, erläutert Schoellig.

Neue Route zehn Mal pro Sekunde

Ein Lidar schickt permanent Laserstrahlen in die Umgebung, misst deren Reflexionen und baut daraus eine präzise 360-Grad-Karte dessen, was der Roboter sieht. Ein besonderer Fokus liegt auf den Menschen, die in der Nähe umherlaufen. Parallel dazu messen Sensoren in den Rädern das eigene Tempo und die zurückgelegten Strecken. Ein Computer verarbeitet diese Informationen, berechnet die voraussichtlichen Wege, die die Personen in den nächsten zwei Sekunden zurücklegen werden und plant gleichzeitig den besten Weg zum Ziel. „Zehn Mal pro Sekunde passt unser Roboter seine Route an, während er gleichzeitig die Wege der Menschen erkennt“, erläutert TUM-Forscher Sepehr Samavi.

System lernt aus Daten von Menschen in Menschenmengen

Damit der von Samavi „Jack“ getaufte Roboter nicht wegen möglicher Unfallgefahr ständig stehenbleibt, schaut er sich Verhaltensweisen von Menschen ab. „Unser mathematisches Modell, auf dem der Planungsalgorithmus basiert, wurde von menschlichen Bewegungen hergeleitet und in Gleichungen übersetzt“, erläutert Professorin Schoellig. Für Jacks Entscheidung bedeutet das, dass er nicht sofort stehen bleibt, sobald ein Mensch auf ihn zukommt. Denn er kalkuliert mit ein, dass Menschen sich dieser Situation anpassen, reagieren und ihre Wegstrecke leicht verändern, damit sie nicht mit ihm zusammenstoßen. Sollte jemand wider Erwarten doch auf Kollisionskurs bleiben, plant der Roboter kurzfristig um und nutzt eine andere Route – bleibt aber nicht stehen.

Die Forschenden beziehen zudem Datensätze mit ein, die das Verhalten von Menschen in Menschenmengen zeigen. So lernt der Roboter, der auch schon außerhalb des Labors zum Einsatz kam, ständig dazu und wird immer menschenähnlicher: „Jack kennt sein Ziel, beobachtet die Menschen und sieht, wohin sie laufen, um dann seine eigenen Wege ständig zu optimieren“, sagt Prof. Schoellig, „fast wie ein Mensch“.

Mit dem neuen Algorithmus sind die TUM-Forschenden bereits auf der dritten Evolutionsstufe angekommen. Statt „nur“ auf eine Situation zu reagieren (Stufe 1) oder die Bewegung von entgegenkommenden Menschen „lediglich“ vorherzusagen (Stufe 2), ist der Roboter der TUM interaktiv (Stufe 3). „Zum einen sagt er die Bewegungen von anderen Menschen voraus, schafft es aber auch, durch eigenes Verhalten diese Menschen zu beeinflussen und gleichzeitig Zusammenstöße zu vermeiden“, erläutert Forscher Samavi.

Einsatz im autonomen Fahren?

Beim autonomen Fahren seien genau solche interaktiven Szenarien der Engpass, sagt Prof. Schoellig. Fährt beispielsweise ein Fahrzeug auf die Beschleunigungsspur einer Autobahneinfahrt, wechseln viele Fahrerinnen und Fahrer, die von hinten kommen, die Fahrbahn oder bremsen auf ihrer Spur leicht ab. In einem solchen Szenario die Reaktion der Anderen einbeziehen zu können, macht der neue Ansatz grundsätzlich möglich. Doch denken die Forschenden zunächst an einen Einsatz in Lieferrobotern oder an Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.

Der Vorteil: Diese Fahrzeuge erreichen selbständig und zuverlässig ihr Ziel. Selbst humanoide Roboter könnten von den neuen Algorithmen profitieren. Allerdings gibt es einen entscheidenden Nachteil zum intelligenten Fahrzeug: „Ein fahrender Roboter kann einfach stehen bleiben, wenn nötig – Humanoide sind aktuell noch recht wackelig und verlieren schnell ihre Stabilität“, sagt Prof. Schoellig.

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  • Roboter Jack aus dem Learning Systems and Robotics Lab der TUM modelliert, wie Menschen auf seine Bewegung reagieren werden, um seine eigenen Wege zu planen.

    Roboter Jack aus dem Learning Systems and Robotics Lab der TUM modelliert, wie Menschen auf seine Bewegung reagieren werden, um seine eigenen Wege zu planen.

    Bild: Astrid Eckert, TU Muenchen

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