Bauelemente Wenn die Erde teuer wird

28.04.2012

Wird ein neues Smartphone bald unbezahlbar sein, wenn China seine Exporte für die so genannten „Seltenen Erden“ beschränkt? Sind die Rohstoffe wirklich technologisch not- wendig, wo sind sie substituierbar? E&E-Autorin Miriam Leunissen-Weikl auf den Spuren einer möglichen weltweiten Krise.

Die Welt in Panik. Die WTO im Kampf gegen chinesische Exportbeschränkungen. Technologieunternehmen in Angst, dass Ihnen die so genannten Seltenen Erden ausgehen. Analysten wie der Detroiter Technologieexperte Jack Lifton setzen in ihren Publikationen öffentlichkeitswirksam noch einen drauf: „Der Tag wird kommen, an dem wir keine Handys und Blackberrys haben, weil es an Seltenen Erden mangelt“, mahnt er seit Jahren. Von „technologischen Rückfällen ins 19. und 20. Jahrhundert“ ist die Rede. „So schlimm ist die Lage nun wirklich noch nicht.“ Andreas Manhart vom Freiburger Öko-Institut mahnt zur ruhigen Analyse. Sein Team hat die Nachfrage und Substituierbarkeit der Seltenen Erden im Auftrag der Grünen Allianz des Europäischen Parlaments untersucht. Auslöser der Studie war der heftige Preisanstieg der Seltenen Erden seit dem Jahreswechsel 2009/10. So stieg der Preis beim von der Magnetindustrie benötigten Rohstoff Neodym besonders drastisch von wenigen hundert chinesischen Renminbi im Juni 2010 auf weit über 1.500 Renminbi im Sommer des Folgejahres. Ziel war es nun, Märkte zu finden, in denen Recycling insbesondere dieser begehrten „schweren“ Seltenen Erden-Sorten ökonomisch wie ökologisch sinnvoll wäre. Dr. Harald Elsner, Wirtschaftsgeologe bei der Deutschen Rohstoffagentur, und Analysten wie Lifton erwarten besondere Engpässe im Bereich der schweren Seltenen Erden, womit sich die Situation im Magnet/Motorenbereich, bei den Katalysatoren, der Akkuspeichertechnik oder der Glas- und Keramikverarbeitung teilweise wieder entzerren könnte. Die Situation im optischen Display-, elektronischen Speichertechnologie, Halbleiter, Glasfaser-, Röntgen- und auch Stahlverarbeitungsbereich dagegen könnte sich dann tendenziell weiter verschärfen. Dass häufig Legierungen eingesetzt werden, macht die genaue Zuordnung der betroffenen Anwendungen jedoch nicht immer ganz einfach. „Besonders stark von den Folgen der Preisexplosion betroffen waren die Hersteller von elektrischer Antriebstechnik wegen der drastischen Verteuerung der Magnete“, bestätigt Dr. Andreas Gontermann, Chefvolkswirt und Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, Konjunktur und Märkte des ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie. „Doch letztlich betrifft das Thema nahezu alle Hightech-Segmente mehr oder weniger.“ Wobei die Preise sich in den letzten Monaten wieder etwas beruhigt haben.

Gar nicht so selten

Doch zunächst von vorne. Schon der Begriff Seltene Erden klingt panikfördernd - und ist in der implizierten Bedeutung schlicht falsch. Denn kaum eine der 17 Arten ist wirklich selten. Und schon gar keine davon kommt nur in China vor, sondern auch in Indien, auf dem nordamerikanischen Kontinent, in Grönland, Russland, Kasachstan, der Mongolei, und sogar in Zentraleuropa. Alle seltenen Erdmetalle - mit Ausnahme des sehr instabilen Elements Promethium - sind reichlich in der Erdkruste vorhanden - wenn auch in Mineralien und in „vergesellschafteter Form“, wie der Geologe das stets vermischte Auftreten der Stoffe in den Mineralien nennt. Die meisten wichtigen Metalle der Seltenen Erden (Cer, Yttrium und Neodym) kommen in der Erdkruste häufiger vor als beispielsweise Blei, Molybdän oder Arsen. Das häufigste Metall der Seltenen Erden, das „leichte“ Lathanoid Cer, kommt in der Erdkruste häufiger vor als Kupfer, Kobalt, Blei und Zinn. Neodym und Scandium, SEEs mit besonderer Bedeutung für Zukunftstechnologien sind nur wenig seltener als Cer und häufiger als beispielsweise Lithium, Zinn und Arsen. Selbst das erwähnte Thulium, das seltenste stabile Element der Seltenen Erden, sei immer noch deutlich häufiger vorhanden als Gold oder Platin. Was die Nachfrageprognosen angeht, sind die Aussagen im Zukunftstechnologiebericht des Bundesforschungsministeriums und in verschiedenen Analystenberichten sehr unterschiedlich. Insbesondere beim zentralen Stoff Neodym gilt eine Vervierfachung des weltweiten Bedarfs bis 2030 unter Analysten noch als extrem konservative Schätzung. McKinsey warnt bei vollem Durchstarten der Elektromobilität weltweit gar vor einen Anstieg der Neodym-Nachfrage für die benötigten Permanentmotoren auf Magnetbasis bis 2030 um das 120-fache. So werden Seltene Erden in der Elektromobilität bei der Herstellung von Akkus, Elektromotoren und Generatoren verwendet.

Kein neues Problem

Dabei handelt es sich bei den Elementen um Metalle, weshalb sie eine Untergruppe der seltenen Metalle bilden und korrekt „Metalle der Seltenen Erden“, oder einfach Rare Earth Elements (REE) bzw. Seltenerd-Elemente (SEE) genannt werden müssten. Und Fakt ist, dass das Problem seit Langem bekannt ist - jedoch offenbar erst ernst genommen wird, seit es wegen der Preissteigerungen und chinesischer Exportbeschränkungen direkt auf die Bilanzen der Unternehmen schlägt. Da China immer mehr der Förderung für die eigene Industrie braucht, müssen die bisherigen Kunden nun eigene Quellen erschließen. Der weltweite Bedarf an Oxiden Seltener Erden (Rare Earth Oxide/REO) lag 2006 bei 110.000 Tonnen im Wert von 1,3 Mrd. US-Dollar. Rund 95 Prozent davon kommen aus China. Dudley Kingsnorth von der australischen Industrial Minerals Company schätzt, dass der Bedarf bis 2012 auf 185.000 bis 195-000 Tonnen steigen wird. China werde die Förderung auf 125.000 Tonnen steigern, diese aber selbst benötigen. „Der Rest der Welt wird 2012 etwa 60.000 bis 80.000 Tonnen fördern müssen“, warnte er bereits im Jahr 2008. Zudem, so Manhart, müsse man immer im Auge behalten, dass die SEEs nur eine von vielen kritischen Rohstoffgruppen des Welthandels seien. „Hier wird vieles durcheinandergeworfen! Für die Versorgung mit anderen Rohstoffen wie Tantal, Kobalt, Indium etc. sind Zustände auf Kontinenten wie Afrika mindestens ebenso wichtig wie China.“ Wobei chinesische Investoren sich auch hier nachhaltig durch entsprechende Investitionen weltweit die Versorgung sichern. Was er jedoch sagen möchte, und was in allen Bereichen wichtig werden wird: Betrachtet man die weltweite Rohstoffpreissteigerungen - auch jenseits des Öls - in den Jahren nach der Wirtschaftskrise 2009, wird klar, dass der fortwährende Nachfrageboom, unter anderen durch die stark steigende Binnennachfrage in China getrieben, das Gros der Rohstoffpreise insgesamt weiter in die Höhe treiben wird.

Abhängigkeit von China

Wo also liegt das spezifische Problem der Seltenen-Erd-Metalle? Der Schlussbericht „Rohstoffe für Zukunftstechnologien“ des Fraunhofer ISI-Instituts und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie spielte das Szenario bereits Anfang 2009 am Beispiel der für die deutschen Zukunftsbranchen besonders bedeutsamen SEEs Scandium, Yttrium und Neodym durch. Andere Berichte verweisen auf die Lanthan-Gruppe samt Cer als besonders unternehmens- und produktionskritische Elemente. Gründe für das Problem seien, da ist sich Manhart vom Öko-Institut absolut einig mit US-amerikanischen Marktanalysten, dass derzeit bis zu 97 Prozent der SEEs aus China kommen, da andere Länder wie die USA ihre wenigen vorhandenen Abbaustellen geschlossen statt ausgebaut hätten. Der Grund dafür: Die chinesischen Produkte seien konkurrenzlos billig gewesen. Den Preis hierfür habe die chinesische Bevölkerung und Umwelt bezahlt, da die Prozessrisiken, unter anderem durch radioaktive vergesellschaftete Stoffe beim Abbau der SEEs, der Allgemeinheit aufgebürdet worden seien. So hatte 2002 beispielsweise ein wasserverseuchender Unfall in der kalifornischen Mountain-Pass-Mine, einer der weltweit größten nicht-chinesischen Abbaustätten von seltenerdreichem Basnäsit und Monazit, zu deren Schließung geführt. Die Wiedereröffnung mit neuer, etwas weniger belastender Aufschlusstechnologie samt Recyling der Abbauchemikalien ist im Jahr 2011 erfolgt. Allerdings werden hier, ebenso wie in der zweiten großen westlichen Mine in Australien vor allem die leichten SEEs gefördert. Schwere sollen beispielsweise in Kasachstan als Nebenprodukt des Uranabbaus zu finden sein. Darüber hinaus sind wie bei jeder Krise zahlreiche Glücksritter unterwegs, die mehr oder minder seriös versuchen, Investorengelder für den Abbau von SEEs ab 3.500Meilen unter dem Pazifik oder in Sachsen aufzutreiben. Die politisch „grüne“ Lesart des Problems ist dabei nicht ganz von der Hand zu weisen. Würden alle Abbaukosten internalisiert und nicht auf die chinesische Gesellschaft verteilt, müssten die Preise für SEEs ohnehin kräftig steigen. Manhart gibt daher zu bedenken: „Letztlich muss es das weltweite Ziel sein, möglichst viel zu recyclen und zudem die besten Abbaugebiete mit den meist gefragten Inhalten in der Legierung und den geringsten Abbaurisiken zu finden und unter Einhaltung hoher Umweltstandards zu fördern. Zudem muss überprüft werden, wo der Einsatz kritischer Metalle reduziert bzw. substituiert werden kann.“

Recycling als Alternative

Ist es dann überhaupt sinnvoll, dass beispielsweise die Deutsche Rohstoff AG Schürfstellen in Deutschland sucht? Oder wäre es nicht wirklich sinnvoller, über Recylingketten nachzudenken? Das Öko-Institut sieht hierfür gerade im Bereich der großen Magnete und Motoren gute Möglichkeiten. Manhart gibt ein Beispiel: In einer traditionellen Festplatte etc. im Notebook, für die Neodym bisher verwendet wurde, sind 2 Gramm der Stoffe enthalten, in einem Smartphone 70 Milligramm. Da lohne es sich im Hinblick auf die Seltenen Erden kaum, zu sammeln. In einem Elektroauto dagegen seien es schon 20 Kilogramm, in einem Generator für Windanlagen sogar einige hundert Kilogramm. Denn der Neodym-Anteil von in Elektromotoren und Generatoren eingesetzten Hochleistungsmagneten beträgt über 25 Prozent. Je größer das Gerät, umso lohnender das Recycling. Zudem gilt, dass auch geeignete Handelskontaktwege entscheidend für erfolgreiche Recyclingkreisläufe seien: So könnte sich das Öko-Institut mittelfristig durchaus auch ein Recycling der SEEs aus Motoren und industriellen Anlagen vorstellen. Für die Halbleiter- und Speichertechnologieindustrie, die Hersteller von Embedded Systems und von ultraeffizienten Kleinstmotoren und andere, die ihre Lathanoide Neodym, Dysprosium und Praseodym oft nur in Ein-Atom-Lage, Nanodimensionen und verschiedensten Legierungen verwenden, wäre teures Recycling jedoch eine sehr aufwändige Lösung. Hier fragt sich auch, ob die geringen benötigten Mengen wirklich Kostentreiber sind. Eine Frage, die auch der ZVEI nicht klar beantworten kann. Und das vielzitierte Beispiel Smartphones oder Notebooks? Hier kommen Permanentmagnete auf Basis Seltener Erden - auch als Neodym-Eisen-Bor (NIB) Magnete bezeichnet - in folgenden Komponenten zum Einsatz: Schwingspulenbetätiger der Festplatte, Spindelmotor der Festplatte, Spindelmotor des optischen Laufwerks und Lautsprecher; zudem im Display als Leuchtmittel. Experten können darüber eher schmunzeln: „Diese Produkte ziehen eben auch besonders gut als populistisches Argument“, so Manhart. „Aber natürlich sind hier jeweils nur sehr geringe Mengen der Stoffe enthalten.“ So sind in einem modernen Halbleiter oder Speichermedium viele Dutzende Elemente verarbeitet. �?hnlich sieht es bei allen anderen Komponenten aus. Kostentreiber wären somit bei Mobiltelefon & Co mit bis zu 15 Prozent Kupferanteil am Gerätematerial und einem Vielfachen davon an Silber und Gold eher das gute alte Gold, Silber, Kupfer.

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