Die unterfränkische Stadt Haßfurt und der Hamburger Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy werden mit einem neuartigen Elektrolyseur von diesem Sommer an überschüssigen Strom aus erneuerbaren Kraftwerken in umweltfreundliches Gas umwandeln. Alle Genehmigungen liegen vor, und der Bau kann beginnen. Nach dem Anschluss an das Strom- und Gasnetz wird der containergroße Elektrolyseur im Jahr rund eine Million Kilowattstunden „Windgas“ genannten Wasserstoff ins Gasnetz einspeisen, wo er prinzipiell auch über lange Zeiträume gespeichert und später wieder verstromt werden kann.
„Die Technik ist serienreif, nun wollen wir sie noch effizienter machen“, sagt Greenpeace-Energy-Vorstand Nils Müller, „deshalb erproben wir mit den Städtischen Betrieben Haßfurt, wie sich dieser Baustein für ein klimafreundliches Energiesystem sicher und sinnvoll betreiben lässt.“ In Haßfurt stammt der Strom für den Elektrolyseur aus dem nahen Bürgerwindpark Sailershäuser Wald sowie weiteren Windenergie- und Solaranlagen, die ins lokale Stromnetz einspeisen. Wenn mehr erneuerbarer Strom ins Netz fließt als lokal verbraucht wird, nutzt ein Elektrolyseur die überschüssige Energie. Dieser spaltet Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff auf.
Je mehr Strom im Zuge der Energiewende künftig aus Windkraft und Solaranlagen stammt, desto größer werden auch die Stromüberschüsse sein. Und desto wichtiger wird es, diese per Elektrolyse als erneuerbares Gas zu speichern. Damit können auch längere Phasen überbrückt werden, wenn die Sonne nicht scheint und Flaute herrscht. Die notwendige Kapazität dafür biete in Deutschland nur die Windgas-Technologie, denn sie kann das normale Gasnetz und unterirdische Lager als Speicher nutzen. „Windgas ist für die Energiewende unverzichtbar“, sagt Müller, „denn nur so lassen sich die deutschen Klimaziele erreichen – und eine sichere Energieversorgung aus Erneuerbaren.“
Der in der 14.000-Einwohner-Stadt eingesetzte 1,25-Megawatt-Elektrolyseur gehört zur neuesten Generation: Per PEM-Elektrolyse (PEM = polymer electrolyte membrane) kann Wasserstoff künftig günstig erzeugt werden. Die reaktionsschnellen Anlagen bieten aber zusätzlichen Nutzen für die Energiewende: Sie können das Stromnetz stabilisieren, bei dem Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein müssen. Dafür verändert der Elektrolyseur binnen Millisekunden automatisch seine Leistung, um die Frequenz im Netz zu stabilisieren und so beispielsweise Blackouts durch Netzüberlastung zu verhindern. Durch dieses „Regelleistungsangebot“ können Elektrolyseure über die Wasserstoffproduktion hinaus Einnahmen erwirtschaften. Auch dies wird jetzt am Main erprobt. „Es ist ein Leuchtturm-Projekt, das zeigt, was auch Kommunen wie unsere für eine umweltfreundliche Energieversorgung leisten können“, sagt Norbert Zösch, Geschäftsführer der Städtischen Betriebe Haßfurt.
Dazu haben der Kommunalversorger und Greenpeace Energy die „Windgas Haßfurt GmbH & Co. KG“ gegründet. Unter anderem testen die Partner, wie hoch der Wasserstoffanteil im Gasnetz sein kann. Die technischen Regularien beschränken ihn derzeit auf fünf Prozent, doch auch zehn Prozent hält Haßfurts Gasnetzbetreiber problemlos für möglich. Am Test nimmt zudem eine nahe Mälzerei teil, die einen Teil des Gasgemischs in ihrem Blockheizkraftwerk verbrennen wird, das daraus wiederum Strom und Wärme erzeugt. „Wir leisten hier Pionierarbeit“, sagt Norbert Zösch, „ohne das Engagement der Kommunen wird die Energiewende kaum erfolgreich sein. Wir hoffen, unser Beispiel findet viele Nachahmer.“
Tatsächlich entdecken immer mehr Energieversorger und Anlagenbauer die Windgas-Technologie. „Wenn Elektrolyseure bald in größeren Stückzahlen gebaut werden, werden sie günstiger und entsprechend sinken die Preise für erneuerbaren Wasserstoff“, sagt Nils Müller von Greenpeace Energy. „Dann wird auch die Politik reagieren und unfaire Hürden beseitigen müssen, zur Zeit etwa bezahlen Elektrolyseure die EEG-Umlage doppelt.“