Embedded & Mikroprozessoren Zwei Welten finden zueinander

12.02.2013

Cyber-Physical Systems bringen die reale und virtuelle Welt zusammen. Was fast banal klingt, birgt vor allem für die deutsche Wirtschaft große Potentiale.

Zu den aktuellen Highlights im Embedded-Bereich gesellen sich neuerdings, die so genannten Cyber-Physical Systems (CPS), die von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt auf dem Weg in die praktische Umsetzung sind. Als Folge des verbreiteten Einbaus von eingebetteten Systemen in unzählige Alltagsgegenstände werden die reale (physische) Welt und die virtuelle (Cyber-)Welt zunehmend miteinander verknüpft. Mithilfe von Sensoren verarbeiten CPS Daten aus der physikalischen Welt in Echtzeit und machen sie für netzbasierte Dienste verfügbar, die wiederum durch Aktoren auf Vorgänge in der physikalischen Welt einwirken können. Durch das Zusammenwirken von Elektronik, Mikrosystem- und Informationstechnik entstehen immer leistungsfähigere, softwareintensive eingebettete Systeme und integrierte Anwendungen. Und dieses Netz von untereinander, aber auch mit Diensten im Internet vernetzten Daten und Aktionen befindet sich in einem unaufhaltsamen Wachstum. Mit CPS wird diese Vernetzung zukünftig zum allgegenwärtigen Standard. Diese Vernetzung von CPS per Internet mit beliebigen anderen Computern wird oft auch als das „Internet der Dinge und Dienste“ bezeichnet; die Lösung ist mit M2M (Machine-to-Machine) eng verwandt und Voraussetzung unter anderem für Industrie 4.0, die vierte industrielle Revolution.

Alles wird vernetzt

Damit lassen sich in der Produktion einerseits verbesserte Feinsteuerung und Optimierung ebenso realisieren wie andererseits völlig neue Produktionsmethoden. Auf diese Weise entstehen intelligente Lösungen, die über Sensoren und Aktoren Prozesse der physikalischen Welt erfassen, sie mit der virtuellen Softwarewelt verbinden und in Interaktion mit den Menschen interpretieren, überwachen und steuern.Der Begriff Cyber-Physical Systems steht für domänenübergreifend und global mit weltweiten Diensten vernetzte softwareintensive Systeme und ihre vielfältigen Entwicklungs- und Nutzungspotenziale. Er bezieht sich auf eine neue Generation von Systemen mit integrierten rechentechnischen und physikalischen Eigenschaften, die untereinander und mit Menschen durch zahlreiche neuartige Art und Weise interagieren können. CPS können weitgehend ortsunabhängig vernetzte und verteilte Dienste erbringen. Dadurch stellen sie einen Key Enabler für künftige Technologieentwicklungen dar. Zu den Chancen und Herausforderungen an die Forschung zählen so unterschiedliche Dinge wie die Entwicklung von Flugzeugen und Raumfahrzeugen der nächsten Generation oder von Hybrid-Fahrzeugen, der voll-autonome innerstädtische Verkehr sowie medizinische Prothesen, die mit Signalen aus dem Gehirn gesteuert werden. CPS arbeiten kontextspezifisch, adaptiv, autonom und automatisiert, multifunktional. Daraus resultiert eine Fülle tiefer und weitreichender Lösungs- und Anwendungsmöglichkeiten für unser Alltagsleben.

CPS-Wissenschaft

In den letzten Jahren haben Forscher die Entwicklung leistungsfähiger technischer und wissenschaftlicher Methoden und Tools vorangetrieben und gleichzeitig bei neuen Programmiersprachen, Echtzeit-Computing, Visualisierungsmethoden, Compiler-Designs, Embedded-System-Architekturen und Systemsoftware bahnbrechende Erfolge erzielt. Hinzu kamen innovative Lösungsansätze zur Gewährleistung der Systemsicherheit und der Fehlertoleranz. Nunmehr integriert die Forschung bei Cyber-Physical Systems diese gewonnenen Erkenntnisse in die betroffenen Technik- und Computer-Disziplinen - neben elektrischen, mechanischen, chemischen, biomedizinischen und Materialwissenschaften auch Vernetzung, Steuerung, Software, menschliche Interaktion, Lerntheorie - und somit in die Entwicklung der neuen CPS-Wissenschaft sowie zuge- höriger Technologien.

Komplexität reduzieren

Beispielsweise stellen bei der Entwicklung von Fahrzeugsteuersystemen der nächsten Generation die zunehmende Komplexität der Komponenten sowie der Einsatz modernster Technologien bei Sensoren und Aktoren, der drahtlosen Kommunikation sowie von Multicore-Prozessoren ein größeres Problem dar. Sowohl Zulieferer als auch Integratoren brauchen eine neue Systemwissenschaft, welche die zuverlässige und kostengünstige Integration unabhängig voneinander entwickelter Systemkomponenten ermöglicht. Insbesondere werden Theorie und Tools benötigt, um kosteneffektive Methoden zu entwickeln für

Design, Analyse und Verifikation von Komponenten auf verschiedenen Abstraktionsebenen, darunter die der System- und Softwarearchitektur, Analyse und Verständnis der Wechselwirkung zwischen dem Fahrzeugsteuer- und anderen Subsystemen (Motor, Antrieb, Steuerung, Rad, Bremse und Aufhängung), Gewährleistung von Sicherheit, Stabilität und Leistung bei gleichzeitiger Kostensenkung für den Endanwender.

Denn mehr und mehr sind Funktionalität und die Kosten der Steuersysteme die wesentlichsten differenzierenden Faktoren für rentable Geschäftsmodelle in der Automobilherstellung.Der Stellenwert, den die auf diese Weise entstehenden Cyber-Physical Systems für Wirtschaft und Gesellschaft haben, ist bereits heute beeindruckend: Revolutionäre CPS-Anwendungen wenden sich an technische und gesellschaftliche Trends und Bedürfnisse; gleichzeitig durchdringen und verknüpfen sie immer mehr Lebensbereiche. Zu den Anwendungen zählen erweiterte Mobilität, intelligente Städte, integrierte telemedizinische Versorgung, Sicherheit sowie vernetzte Produktion und Energiewandel. CPS werden zukünftig Beiträge zu Lebensqualität, Sicherheit und Effizienz sowie zur Versorgungssicherheit in den Bereichen Energie, Wasser oder Medizin leisten und damit zur Lösung zentraler Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen. So erfassen etwa moderne Smart-Health-Systeme mittels Sensoren Gesundheitsdaten, vernetzen Patientendaten und Patienten, �?rzte sowie Therapeuten miteinander und ermöglichen Ferndiagnosen sowie medizinische Versorgung zu Hause. Intelligente Cyber-Physical Systems koordinieren den Verkehrsfluss, unterstützen Menschen in kritischen Situationen und reduzieren Energieverbräuche sowohl im Verkehr als auch, mittels intelligenter Steuerung, in Energienetzen.

Führungsposition verteidigen

Deutschland gehört unbestritten zu den Weltmarktführern bei den Vorstufen zu Cyber-Physical Systems: eingebettete Systeme, integrierte Sicherheitslösungen und Engineering komplexer Systemlösungen. Um diesen lnnovationsvorsprung auch bei Cyber-Physical Systems erreichen zu können, gilt es, einen Strategiewechsel und ein Umdenken auf allen Ebenen der Wertschöpfung einzuleiten, hin zu offenen, interaktiven Märkten, Lebensräumen und ihren Prozessen, zu lnfrastruktur- und Versorgungssystemen mit integrierten, interaktiven vernetzten Dienstleistungen. Daraus ergeben sich entsprechende Forschungsschwerpunkte. Diese sind im Einzelnen erweiterte Mensch-Maschine-Interaktion, Requirements Engineering, die Entwicklung von Anforderungs- und Domänenmodellen und innovativer Architekturen sowie ein interdisziplinäres Systems Engineering sowie integrierte Qualitätssicherung auf allen Ebenen der Anforderungs- und Systementwicklung. Entwicklung und Einsatz der CPS bringen viele neuartige technische, methodische und wissenschaftliche Herausforderungen mit sich. Wie muss dieser Paradigmenwechsel mit seinen Herausforderungen gestaltet werden, damit Deutschland seine starke Position bei den eingebetteten Systemen erhalten und für neue CPS-Lösungen und -Produkte ausbauen kann? Welches sind die erforderlichen Kompetenzen und Befähigungen zur Beherrschung der Technologie und Entwicklung und Gestaltung innovativer Anwendungen? Welche Maßnahmen sind erforderlich im Bereich Forschung und Praxis, aber auch hinsichtlich Ausbildung, wirtschaftlicher Infrastruktur und Rahmenbedingungen?

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